Wer im öffentlichen Dienst angestellt ist, kann jedenfalls dann nicht auch Rechtsanwalt sein, wenn er die staatliche Stelle nach außen repräsentiert. Rechtsuchende könnten sonst an seiner Unabhängigkeit zweifeln, entschied der AGH Hamm.
Die Anstellung eines Anwalts im öffentlichen Dienst kann wegen einer damit verbundenen "Staatsnähe" mit dem Berufsfeld der freien Advokatur nicht zu vereinbaren sein. Zu beurteilen sei dies nach den Umständen des Einzelfalls, entschied der Anwaltsgerichtshof (AGH) Hamm (Urt. v. 17.08.2017, Az. 1 AGH 66/16).
Eine Juristin, die juristische Aufgaben aus dem Bereich der Geschäftsführung bei einem - von der Agentur für Arbeit und einer Kommune getragenen - Jobcenter wahrnimmt und dieses u. a. in gerichtlichen Verfahren vertritt, darf daher nicht als Syndikusanwältin zugelassen werden. Sie hätte, darauf weist der - nur mit der Zulassung als Syndikusrechtsanwältin befasste – Senat explizit hin, seines Erachtens schon im Jahr 2006 erst gar nicht als Rechtsanwältin zugelassen werden dürfen. Die Rechtsanwaltskammer Köln hatte der Tätigkeit der Juristin im öffentlichen Dienst damals nach LTO-Informationen ausdrücklich zugestimmt.
Ihre Tätigkeit bei der außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung des Jobcenters sei aus Sicht der Kunden mit der Tätigkeit eines unabhängigen Rechtsanwalts nicht zu vereinbaren, so die Anwaltsrichter. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die beklagte Anwaltskammer Köln hat die Zulassung der Berufung beantragt.
AGH: Wer für den Staat vor Gericht auftritt, wird nicht als unabhängig wahrgenommen
Zwar könne ein Rechtsanwalt verschiedene Berufe wählen und nebeneinander ausüben, stellt der AGH klar. Dabei müsse allerdings die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege gewahrt bleiben, ein weiterer Beruf dürfe das Ansehen der Rechtsanwaltschaft nicht in Mitleidenschaft ziehen. Für das rechtsuchende Publikum dürften keine Zweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz des Rechtsanwalts entstehen.
Ein Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst halten die Anwaltsrichter daher für mit der Tätigkeit eines Advokaten unvereinbar, wenn das Angestelltenverhältnis die Repräsentation einer staatlichen Stelle nach außen mit sich bringt.
Die Juristin aus dem Rheinland vertritt nach eigenen Angaben mit ca. 10 bis 15 Prozent ihrer Arbeitszeit das Jobcenter in Mietstreitigkeiten vor dem Amts- und in sozialrechtlichen Streitigkeiten vor dem Verwaltungsgericht, wobei sie auch befugt ist, Vergleiche abzuschließen. Das genügt dem AGH, um anzunehmen, dass sie dann zugleich als "behördlicher Repräsentant" wahrgenommen werde. Es könne der Eindruck entstehen, dass sie aufgrund dieser herausgehobenen Stellung mehr bewirken könne als andere, von staatlichen Stellen unabhängige Rechtsanwälte.
Anders beurteilt der AGH Hessen Syndikusanwälte im öffentlichen Dienst. Die Anwaltsrichter in Frankfurt ließen im März dieses Jahres eine Juristin als Syndikusanwältin in der Rechtsabteilung eines Landratsamts zu, das sie auch außergerichtlich und gerichtlich vertrat (AGH Hessen, Urt. v. 13.3.2017 – 1 AGH 10/16). Auch diese Entscheidung ist nach LTO-Informationen noch nicht rechtskräftig.
Rechtsanwälte, Syndikusanwälte und wer nichts davon sein darf
Seit dem 1. Januar 2016 können Volljuristen, die anwaltlich bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber (Unternehmen, Verein/Verband) arbeiten, sich als Syndikusrechtsanwalt zulassen lassen. Diese Möglichkeit gibt es neben und mit der Zulassung als "freier" – nicht arbeitgebergebundener – Rechtsanwalt. Ein Volljurist kann also nur Syndikusrechtsanwalt, nur Rechtsanwalt oder Rechtsanwalt und Syndikusrechtsanwalt sein.
Das sog. Syndikusanwaltsgesetz war nötig geworden, nachdem das Bundessozialgericht im Jahr 2014 entschieden hatte, dass Unternehmensjuristen mangels Weisungsfreiheit nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden könnten. Nun kann, wer von der zuständigen Rechtsanwaltskammer als Syndikusrechtsanwalt zugelassen wird, sich wieder von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen und Mitglied der anwaltlichen Versorgungswerke werden.
Wer als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden will, muss eine – nun anhand von vier Merkmalen definierte - anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ausüben. Zudem dürfen einer Zulassung als Rechts- oder Syndikusrechtsanwalt keine Hindernisse nach § 7 BRAO entgegenstehen, u.a. darf seine Tätigkeit nicht mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege unvereinbar sein oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden (§ 7 Nr. 8 BRAO).
Pia Lorenz, AGH Hamm versagt Zulassung als Syndikus: . In: Legal Tribune Online, 18.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24033 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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