Wer in Elternzeit ist, kann nicht als Syndikusanwalt zugelassen werden. Meint die DRV. Andere Ansicht der AGH Baden-Württemberg. Das nächste Wort wird der Anwaltssenat des BGH haben. Martin W. Huff erklärt, warum es geht.
Eine der Streitfragen bei der Zulassung von Syndikusrechtsanwälten ist, ob eine Zulassung während der Elternzeit erfolgen kann und ob eine erfolgte Zulassung während der Elternzeit zu widerrufen ist. In einem ersten Urteil hat der Anwaltsgerichtshof (AGH) Baden-Württemberg in Stuttgart klargestellt, dass die Tatsache der Elternzeit die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht hindert, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Seitdem das Gesetz mit der Schaffung des Syndikusrechtsanwalts vor zwei Jahren in Kraft getreten ist vertritt die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) die Auffassung, dass eine Zulassung in der Elternzeit eines Antragstellers nicht möglich bzw. eine einmal erteilte Zulassung für die Elternzeit zu widerrufen sei. Denn das Gesetz verlange, dass die Tätigkeit "ausgeübt" werden muss, also eine aktive Tätigkeit erforderlich sei. Daher hatte die DRV gegen die Zulassung einer Rechtsanwältin als Syndikusrechtsanwältin durch die Rechtsanwaltskammer (RAK) Stuttgart während der Elternzeit geklagt. Sie begründete dies auch damit, dass nicht sicher sei, welche Tätigkeit die Rechtsanwältin nach dem Ende ihrer Elternzeit ausüben werde.
Die Rechtsanwältin hatte den Zulassungsantrag innerhalb der Ausschlussfrist zum 1. April 2016 stellen müssen, damit sie in den Genuss der Rückwirkungsvorschriften des § 231 Absatz 4b Sozialgesetzbuch (SGB) VI kommt. Da sich die Rechtsanwältin in der möglichen Antragszeit vom 1. Januar 2016 (Inkrafttreten des Gesetzes) bis zum 1. April 2016 in Elternzeit befand, hatte sie überhaupt keine andere Möglichkeit, um eine Zulassung für ihre seit 2012 ausgeübte Tätigkeit bei einer Gewerkschaft zu erreichen.
Nachteile nur mit sachlichem Grund
Die RAK Stuttgart sah alle Voraussetzungen für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin als gegeben an. Insbesondere stehe die Tatsache, dass sich die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. auch der Verwaltungsentscheidung in Elternzeit befinde, nicht entgegen. Denn das Arbeitsverhältnis ruhe nur und es könne sehr wohl beurteilt werden, ob die beschriebenen Tätigkeiten der Antragstellerin die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle. Dieser Ansicht ist der AGH Baden-Württemberg in seinem in kürzlich veröffentlichten Urteil gefolgt (Urt. v. 7.12.2017, Az. AGH 10/2017) gefolgt.
Der AGH stellt zunächst klar, dass aus dem Wortlaut des Gesetzes "tätig sind" nur Folge, dass für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt weder eine lediglich in der Vergangenheit ausgeübte noch eine nur für die Zukunft geplante Berufsausübung ausreichend ist. Vielmehr muss gegenwärtig ein Arbeitsverhältnis bestehen, welches die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt zum Gegenstand hat. Ob hierfür ein ruhendes Arbeitsverhältnis ausreiche, könne nicht alleine aus dem Gesetzeswortlaut entnommen werden, weil diese Fragestellung bei der Gesetzesabfassung offensichtlich nicht in den Blick genommen worden sei.
Mit dem Institut Elternzeit habe der Gesetzgeber der aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) erwachsen Verpflichtung des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern, Rechnung getragen. Die Richter verweisen hier auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 12.4.2016, Az. 6 AZR 731/13 zu Bewährungsaufstieg bei Elternzeit). Darüber hinaus müsse, so die Richter weiter, der Staat dafür Sorge tragen, dass die Wahrnehmung der familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führe. Eine Rückkehr in die Berufstätigkeit sei ebenso wie ein Nebeneinander von Erziehung und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile während und nach den Zeiten der Kindererziehung zu ermöglichen. Daraus folge, dass der vorübergehende Wechsel aus einem aktiven Arbeitsverhältnis in die Elternzeit sich nur dann nachteilig auf die Möglichkeit, eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu erlangen, auswirken darf, wenn es dafür einen sachlichen Grund gebe. Nur wenn ein solcher vorliege, dürfe in bestimmten Fällen zwischen aktiven Arbeitnehmern und solchen in Elternzeit unterschieden werden.
Nicht immer wesentlicher Wechsel der Tätigkeit
Einen solchen sachlichen Grund sehen die Anwaltsrichter in Stuttgart nicht, weder für die Ausübung der Elternzeit im Zeitpunkt der Antragstellung noch für den Antritt der Elternzeit bei bestehender Syndikuszulassung. Einen solchen Widerruf hält indes auch die DRV nicht mehr für notwendig.
Insbesondere das Argument, dass die DRV vorgebracht hatte, dass mit der Rückkehr aus der Elternzeit in die aktive Berufstätigkeit häufig ein Wechsel der Tätigkeit verbunden sei, überzeugt die Richter nicht. Bei einer wesentlichen Änderung der Tätigkeit bestehe die Anzeigepflicht und eventuell müsse ein Erstreckungsantrag nach § 46 b Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gestellt werden. Zu unterstellen, dass sich bei der Elternzeit immer ein Wechsel ergebe, sei falsch. Dies zeige sich auch in diesem Fall. Die Rechtsanwältin hatte bei ihrer Anhörung angegeben, vom 1. August 2018 an wieder in der gleichen Funktion tätig werden zu wollen.
Der AGH hat allerdings die Berufung zum Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) zugelassen, die von der DRV mittlerweile auch eingelegt, aber bisher nicht begründet worden ist.
Syndikus und freigestellter Betriebsrat
Der Entscheidung des AGH Baden-Württemberg ist voll und ganz zuzustimmen. In der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis nur, es darf aber zum Beispiel auch in Teilzeit ausgeübt werden. Gerade in der Zeit bis zum 1. April 2016 wäre es eine massive, auch verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung gewesen, die Syndikuszulassung davon abhängig zu machen, ob sich ein Antragsteller gerade in der Elternzeit befindet oder nicht. Ganz unverständlich wird die Differenzierung durch die DRV, wenn sie nunmehr, im Gegensatz zu früheren Äußerungen, nur noch eine Zulassung als nicht möglich sehen will, einen Widerruf der Zulassung während der Elternzeit aber nicht für erforderlich hält.
Mit Spannung darf jetzt erwartet werden, wie der Anwaltssenat des BGH am 29. Januar 2018 über die Frage entscheiden wird, was mit dem ruhenden Arbeitsverhältnis eines freigestellten Betriebsrats ist. Auch dieser übt seine Tätigkeit nicht aus, kann aber jederzeit auf seine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt zurückkehren. Die RAK Köln hatte daher den Antragsteller zugelassen, der AGH Nordrhein-Westfalen hatte der Klage der DRV stattgegeben, aber die Berufung zugelassen, die von der RAK Köln eingelegt wurde.
Die Auseinandersetzungen um solche grundsätzlichen Fragen zeigen aber auch, dass die für Ende 2018 geplante Evaluierung des Gesetzes sinnvoll ist, um hier Nachbesserungen vorzunehmen.
Der Autor Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln sowie Rechtsanwalt bei Legerlotz Laschet Rechtsanwälte in Köln. In letzterer Funktion berät er insbesondere diverse Unternehmensjuristen bei den Auseinandersetzungen mit der Deutschen Rentenversicherung.
Martin W. Huff, Rentenversicherung unterliegt vor dem AGH Baden-Württemberg: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26607 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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