OLG Jena beurteilt Intransparenz als wettbewerbswidrig
Viel neues Futter für die Diskussionen um Anwaltsbriefköpfe gibt es vor allem wieder, seit § 7 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) vorschreibt, dass bei jedem einzelnen Rechtsanwalt auf seinem Briefbogen erkennbar sein muss, wo er seinen Kanzleisitz hat, also den Sitz, an dem er als Rechtsanwalt zugelassen ist. Viele Kanzleien verletzen diese Pflicht. Jetzt hat das Oberlandesgericht Jena (OLG, Urt. v. 30.03.2011, Az. 2 U 569/10) klargestellt, dass gegen die Verletzung dieser Pflicht auch wettbewerbsrechtlich vorgegangen werden kann, weil es sich um eine so genannte Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG handelt. Zum Hintergrund: Seit dem Ende der Lokalisation und der Schaffung überörtlicher Sozietäten sind immer mehr Rechtsanwälte nicht mehr nur an einem Ort tätig. Oft pendeln sie zwischen verschiedenen Standorten einer Kanzlei hin und her und betreuen ihre Mandanten an verschiedenen Orten.
Wer Service bietet, will ihn auch zeigen
Diesen Service möchten viele Anwälte auch nach außen dokumentieren. Nicht nur im Internet, sondern auch auf dem Briefbogen der Kanzlei wird der einzelne Rechtsanwalt daher nicht nur unter einer Adresse der Kanzlei genannt, sondern taucht in mehreren Niederlassungen der Kanzlei auf. Grundsätzlich ist die Nennung eines Berufsträgers an verschiedenen Standorten auch zulässig. Das Berufsrecht stellt dabei jedoch eine Bedingung: § 10 BORA schreibt vor, dass dann, wenn der Rechtsanwalt mehrere Kanzleien/Zweigstellen unterhält, "für jeden auf den Briefbögen Genannten seine Kanzleianschrift (§ 31 BRAO) anzugeben" ist (§ 10 Abs. 1 S. 2 BORA). Es muss also zumindest klar erkennbar sein, in welchem Bezirk welcher Rechtsanwaltskammer der Rechtsanwalt zugelassen ist. Viele Rechtsanwälte kommen dieser Pflicht auf ihrem Briefbogen nicht nach und meinen, dass ihnen nicht viel passieren kann. Doch dies stimmt nicht. Die Verletzung der Vorschrift des § 10 BORA stellt nicht "nur" eine berufsrechtliche Verfehlung dar, sondern ist zugleich auch ein Wettbewerbsverstoß, gegen den Konkurrenten mit einer Abmahnung oder einer Klage vorgehen können. Und das kann für den Anwalt erheblichen Ärger bedeuten und teuer werden.Zulassungssitz nicht erkennbar: Berufsrechts- und Wettbewerbsverstoß
In dem vom OLG Jena entschiedenen Fall hatte der Partner einer überörtlichen Sozietät seine Zulassung im Bezirk der Rechtsanwaltskammer Koblenz. Daneben unterhielt er auch eine Zweigstelle in Erfurt. Dort war er – die Fallgestaltung ist durchaus kompliziert – auf dem in Erfurt verwendeten Bogen auf der Seite 1 nur mit seiner Erfurter Adresse genannt. Auf der Rückseite war zu lesen, dass er an mehreren Standorten tätig war. Nirgends aber wurde erkennbar, wo er denn seinen "Zulassungssitz" hatte. Diesen berufsrechtlich eindeutigen Verstoß hat das OLG Jena jetzt in der Auseinandersetzung der Kammer Koblenz mit dem Kollegen auch als wettbewerbswidrig beurteilt und den Anwalt verpflichtet, auf seinem Briefbogen anzugeben, an welchem Standort er seine Kanzlei hat. Die Vorschrift des § 10 BORA sei insoweit klar gefasst. Die Wettbewerbswidrigkeit der fehlenden Angabe ergebe sich aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 BORA. Denn eindeutig handele es sich bei der Regelung des § 10 BORA auch um eine verbraucherschützende Vorschrift, so die Thüringer Richter. Der Verbraucher müsse erkennen können, wo der Anwalt zugelassen ist und wo er seinen Hauptsitz habe. Das OLG verweist hier ergänzend noch auf die Dienstleistungs-Informationspflichtenverordnung, die eine ähnliche Regelung zur Angabe der Anschrift der Niederlassung kenne.Transparenz: Eigentlich eine Selbstverständlichkeit
Der Entscheidung des OLG Jena ist zuzustimmen. § 10 BORA regelt eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Der Rechtsverkehr muss erkennen können, bei welcher Rechtsanwaltskammer ein Anwalt zugelassen ist und wo er sich auch zu verantworten hat. Den Verbraucher auf die Recherche im Internet zu verweisen, wo er sich im bundeseinheitlichen Anwaltsregister (www.rechtsanwaltsregister.org) informieren kann, ist nicht der richtige Weg. Bei der Frage, wann ein Briefbogen transparent ist, hat das Gericht auch diskutiert, ob die Klarstellung auf der Rückseite des Briefbogens ausreichen kann und dies im Ergebnis dann bejaht. Entscheidungserheblich war dies hier jedoch nicht, da auch hier die Angabe fehlte. Dieses Argument ist indes durchaus bedenklich: Ob dem Verbraucher wirklich bekannt ist, dass viele Briefbögen von Rechtsanwälten wichtige Angaben auf der Rückseite enthalten (die meistens ja auch nicht mitgefaxt oder gemailt wird), darf doch bezweifelt werden. Rechtsanwälte sollten ihre Briefbögen entsprechend überprüfen, um auf der sicheren Seite zu sein. Graphische Möglichkeiten, die Hinweise richtig zu gestalten, gibt es genügend. Der Autor Martin W. Huff ist Wirtschaftsjurist und Rechtsanwalt in Leverkusen. Er hat bereits zahlreiche Veröffentlichungen zu berufsrechtlichen Themen verfasst. Mehr auf LTO.de Pflicht zur Angabe der "Kanzleianschrift": Schon wieder neue Briefbögen für viele Anwälte Syndici: Unternehmensanwälte sind "Anwälte des Unternehmens" Rechtsdienstleistungsgesetz: Praxistauglich, aber nicht "Anwalts Liebling"Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2011 M04 15
Verbraucherschutz
Verwandte Themen:- Verbraucherschutz
- Anwaltsberuf
- Wettbewerbsrecht
Teilen