Exklusiv: Einigung im Streit um Syndikusanwälte
Reform soll schon Januar 2016 kommen
Bei den Verhandlungen zum Gesetzentwurf zum Status der Syndikusanwälte hat es am heutigen Freitag innerhalb der Regierungskoalition eine Einigung über wesentliche Streitpunkte gegeben. Das Ergebnis: Der "Syndikusrechtsanwalt" kommt sehr bald. Das Gesetz soll noch im Dezember von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden und aller Voraussicht nach zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Dies bestätigte auch Rechtsanwalt Dr. Jan-Marco Luczak, zuständiger Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für das Gesetz und stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag, gegenüber der LTO. Die Kernpunkte der Einigung sind:
- Für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist keine eigene Berufshaftpflichtversicherung erforderlich.
- Das Merkmal "Vertretungsbefugnis nach außen" wird umformuliert in: "nach außen verantwortlich aufzutreten".
- Für die über 45-jährigen Rechtsanwälte als Pflichtmitglieder wird es eine Übergangsregelung von drei Jahren geben. In dieser Zeit haben die anwaltlichen Versorgungswerke die Möglichkeit, die Altersgrenze aufzuheben bzw. anzupassen, so wie dies die Versorgungswerke der Ärzte und Architekten in den Ländern weitgehend bereits in diesem Jahr getan haben.
Enger Zeitplan stellt Beteiligte vor große Herausforderungen
Der Zeitplan sieht vor, dass der Rechtsausschuss des Bundestages seine Beschlussempfehlung an das Plenum am 2. Dezember weiterleitet. Seit Freitag steht der Syndikusanwalt auch auf der Tagesordnung des Rechtsauschusses. Das Plenum des Bundestags könnte dann in der Woche ab dem 14. Dezember das Gesetz in Zweiter und Dritter Lesung verabschieden. Der Bundesrat würde sich am 18. Dezember damit beschäftigen, anschließend würde der Bundespräsident das Gesetz noch unterzeichnen. Wie aus Politikkreisen verlautet, besteht großes Interesse an einem Inkrafttreten zum 1. Januar 2016, obwohl die Eile auf Grund der bestehenden Übergangsregelungen eigentlich gar nicht erforderlich wäre. Denn sowohl die Syndikusanwälte als auch die Unternehmen (in Bezug auf die Anforderungen der Tätigkeitsbeschreibungen) und die 27 regionalen Rechtsanwaltskammern müssen das Gesetz umsetzen und insbesondere auf die letzten Änderungen reagieren. Dies stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen."Der gordische Knoten ist endlich durchschlagen"
Allerdings herrscht bei den Beteiligten Erleichterung über die gefundene Einigung: "Der gordische Knoten ist endlich durchschlagen. Es waren lange und sehr zähe Verhandlungen mit dem Ministerium", sagt Luczak. Die Einigung sei eine gute Nachricht nicht nur für die zehntausenden Unternehmensjuristen, sondern für alle Anwälte und betroffenen Unternehmen in Deutschland. "Syndizi sind keine Anwälte zweiter Klasse, sondern zentrale und integrale Bestandteile der Anwaltschaft. Sie tragen ihren Berufsethos in die Unternehmen und stärken damit die Rolle des Rechts", so der Unions-Berichterstatter. Er freue sich, dass der Gesetzwurf die wesentlichen Kernforderungen der Union erfülle. Die Union hat sich tatsächlich insoweit durchgesetzt, als das Erfordernis einer Berufshaftpflichtversicherung für Syndikusanwälte im Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber gestrichen wird. Eine Berufshaftpflichtversicherung hätte Syndikusanwälte schlechter gestellt als in Kanzleien angestellte Anwälte. Diese benötigen im Innenverhältnis zu ihrem Arbeitgeber keine Haftpflichtversicherung. Wegen der Höhe der zu versichernden Risiken wären entsprechend hohe Versicherungsprämien angefallen. Das wäre in vielen Fällen wirtschaftlich kaum tragbar gewesen. Der Wechsel aus einer Kanzlei in ein Unternehmen wäre wesentlich erschwert worden. In der Ausschussbegründung wird zudem klargestellt, dass die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung selbstverständlich auch für Syndizi gelten. Eine Auffassung, die auch weitgehend der Auffassung der meisten Arbeitsrechtler entsprach. Bedenken kamen hier überwiegend – zum Teil unverständlich – aus manchen Versicherungsunternehmen.2/2: Änderung des Passus zur Vertretungsbefugnis
Das ursprünglich im Rahmen des Zulassungsverfahrens der Kammer nachzuweisende Erfordernis einer 'Vertretungsbefugnis nach außen' wird umformuliert. Künftig ist die Befugnis ausreichend, 'nach außen verantwortlich aufzutreten'. Damit wird dem Deutungsversuch – etwa von Seiten der Deutschen Rentenversicherung Bund -, die Vertretungsbefugnis im Sinne einer Prokura auszulegen, ein Riegel vorgeschoben. Diese Klarstellung dürften sowohl Rechtsanwaltskammern als auch Syndikusanwälte begrüßen. Die Regelung gibt die Wirklichkeit in Unternehmen wieder, bei der es auf den Außenauftritt und nicht auf handelsrechtliche Vorschriften ankommt.Versorgungswerk - Negative Urteile des BSG aufgehoben
Schließlich wurde auch bei der Frage der Pflichtversicherung im berufsständischen Versorgungswerk als Voraussetzung für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ein Kompromiss erzielt, der die finanziell erheblichen Folgen der Urteile des BSG von 2014 wieder aufhebt. Sowohl bei der sog. 45-Jahre-Regelung als auch beim Ortswechsel soll eine dreijährige Übergangsregelung gelten, die in den Übergangsvorschriften des § 231 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI verankert wird. In dieser Zeit werden freiwillige Weiterversicherungen im Versorgungswerk wie eine Pflichtmitgliedschaft behandelt. Für die Union ist aber klar: "Die Altersgrenze von 45 Jahren für die Pflichtversicherung ist eine europarechtswidrige Altersdiskriminierung. Länder und Versorgungswerke sind aufgerufen, die Benachteiligung älterer Freiberufler zu beseitigen. Das haben wir auch in der Ausschussbegründung klar formuliert", so Luczak unter Verweis auf andere Berufsgruppen, die in diesem Punkt rascher als die Anwaltschaft auf die Urteile des Bundessozialgerichts reagiert hatten.Syndikusanwälte werden als richtige Rechtsanwälte anerkannt
Mit der erzielten Einigung erkennt der Gesetzgeber – im Gegensatz zur Auffassung des BSG – an, dass der Syndikusanwalt ein vollwertiger Rechtsanwalt ist und damit im Unternehmen oder Verband eine anwaltliche Tätigkeit ausübt. Folgt das Gesetz so schnell wie geplant, steht anschließend seine Umsetzung durch Unternehmen, Verbände und Kammern bevor. Spannend dürfte auch das künftige Vorgehen der Deutschen Rentenversicherung Bund sein, die nach dem Gesetz ein Klagerecht gegen die Zulassungsentscheidungen der Rechtsanwaltskammern erhält.Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln. Er befasst sich seit Jahren mit den Fragen des Befreiungsrechts und vertritt Freiberufler in der Auseinandersetzung mit der Deutschen Rentenversicherung Bund.
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2015 M11 27
Thema:
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