Alle müssen zahlen
Es hatte zwar gewisse Zweifel an der Einsatzreife des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) gegeben, dennoch kam die Erklärung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), der zum 1. Januar 2016 geplante Projektstart werde auf unbestimmte Zeit verschoben, überraschend. Das hat besonders bei jenen Anwälten und Gerichten zu Ärger geführt, die sich – mit teils erheblichen Investitionen – bereits technisch auf den beA-Start eingerichtet hatten. Doch auch wenn das beA noch nicht kommt, die Kosten fallen weiter an. 2016 müssen die Anwaltskammern für jedes ihrer Mitglieder zusätzlich 67 Euro für das beA an die BRAK abführen, insgesamt also etwas über 11 Millionen Euro. Mit dem Vorjahresbeitrag in Höhe von 63 Euro sind die Kammern sehr unterschiedlich umgegangen: Einige haben diese Gelder in den Mitgliedsbeitrag eingerechnet und zum Teil auch aus dem eigenen Vermögen finanziert, andere haben eine Umlageordnung erlassen.
BRAK darf ihre Kosten umlegen
Die entsprechende Beitragsordnung der Rechtsanwaltskammer Hamm hat für eine Grundsatzentscheidung des Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) gesorgt. Mit jetzt veröffentlichtem Urteil vom 11. Januar 2016 (Az. AnwZ [Brfg] 33/15) haben die Karlsruher Richter die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Es gebe keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass die regionalen Kammern die Kosten für das beA auf ihre Mitglieder umlegen. Der klagende Rechtsanwalt hatte argumentiert, die Kosten müsse der Gesetzgeber und nicht die Anwaltschaft tragen. Der BGH stellt zunächst klar, dass es zu den gesetzlichen Aufgaben der BRAK gem. § 177 Abs. 2 Nr. 7 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gehört, die Voraussetzungen für das beA zu schaffen. Gem. § 178 BRAO kann die BRAK die ihr zur Erledigung ihrer gesetzlichen Aufgaben entstehenden Kosten auf die regionalen Kammern und deren Mitglieder umlegen, die regionalen Kammern wiederum können diese Kosten im Rahmen der eigenen Beitragsordnung von ihren Mitgliedern erheben.Eingriff in Berufsfreiheit gerechtfertigt
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschriften haben die Richter nicht, insbesondere sehen sie keinen Verstoß gegen Art. 12 Grundgesetz (GG). Zwar griffen die Regelungen des elektronischen Rechtsverkehrs, die auch Anwälte zukünftig zur Nutzung elektronischer Kommunikationswege verpflichte, in das Grundrecht der Berufsfreiheit ein. Doch die geschaffenen Berufsausübungsregelungen seien durch "vernünftige Gründe des Gemeinwohls" gedeckt. Die Entscheidung des Gesetzgebers, das Potential des technischen Fortschritts zu nutzen, sei nicht zu beanstanden. Durch das beA solle jeder Rechtsanwalt verlässlich, sicher und ohne Portokosten erreichbar sein und selbst am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen können. "Hierbei handelt es sich um vernünftige Erwägungen, die eine Einschränkung der Berufsfreiheit rechtfertigen können", so der BGH. Auch die Umlage der Kosten auf die Kanzleien, um die Nutzung des beA zu ermöglichen, sei kein Verfassungsverstoß, da die meisten Kanzleien bereits über eine entsprechende Infrastruktur verfügten und die Umstellungskosten eher gering seien. Die Richter verweisen dazu auf die Gesetzesbegründung, die alleine von Portoeinsparungen von über 20 Millionen Euro für die Anwaltschaft spricht. "Die Umlage, welche die BRAK und dementsprechend die regionalen Anwaltskammern zur Einrichtung des beA erheben, fügen sich in diesen Rahmen ein", heißt es in der Urteilsbegründung weiter.Unwägbarkeiten bei Einführung unvermeidlich
Auch der Hinweis auf etwaige Sicherheitslücken des beA spreche nicht gegen die Kostenumlage. Dem Gesetzgeber obliege hier ein weiter Ermessensspielraum. Zudem hätte der klagende Anwalt, wenn er sich gegen die Höhe der Kosten wehren wolle, ganz konkret darlegen müssen, warum die Kostenschätzung der BRAK, die die Grundlage für den entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung bildete, falsch gewesen sei. Schließlich scheitere die Wirksamkeit des Beitragsbescheids gem. § 37 Verwaltungsverfahrensgesetz auch nicht am Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift des Schatzmeisters. Nachdem die Kostenfrage nun entschieden ist, warten viele Anwälte gespannt darauf, wann das beA denn endlich kommt. Bei seiner Einführung werden naturgemäß noch viele rechtliche Detailfragen ungeklärt sein, doch das war bei neuen Kommunikationsformen wie ehemals etwa dem Telefax noch nie anders. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LegerlotzLaschet (LLR) in Köln und Geschäftsführer der RAK Köln.Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2016 M02 10
Anwaltsberuf
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