Nachdem Heard im Ergebnis zur Zahlung von 8,35 Millionen Dollar an Depp verurteilt wurde, kündigte ihre Anwältin Berufung an. Ob das Jury-Urteil aufgehoben werden kann und welche Ansatzpunkte Heard für die Berufung hat, erläutert Diana Grün.
Am 1. Juni 2022 wurde die Entscheidung im Prozess zwischen Johnny Depp und Amber Heard verkündet: Beide Schauspieler wurden der Verleumdung schuldig gesprochen und zu gegenseitigen Schadensersatzzahlungen verurteilt. Dabei entschied die Jury einstimmig, dass Heard ihren ehemaligen Ehepartner in "böswilliger" Absicht verleumdet hat und sprach Depp 10 Millionen Dollar Schadensersatz ("compensatory damages") und fünf Millionen Dollar Strafschadensersatz ("punitive damages") zu, welchen die Richterin Penney Azcarate auf die in Virginia geltende Obergrenze von 350.000 Dollar minderte. Heard hingegen wurden zwei Millionen Dollar Schadensersatz ("compensatory damages") für ihre Gegenklage zugesprochen.
Seitdem wird sowohl über dieses Urteil als auch über einen möglichen Fortgang des Prozesses heftig diskutiert. Insbesondere geht es dabei um die Fragen, welche rechtlichen Schritte Amber Heard gegen dieses Urteil unternehmen könnte und inwieweit diese tatsächlich erfolgsversprechend wären. Heards Anwältin Elaine Bredehoft hat bereits angekündigt, ihre Mandantin wolle Berufung einlegen.
Prüfungsmaßstab in der Berufungsinstanz
In den USA verfügt jeder Gerichtsbezirk über ein eigenes Berufungsgericht (Court of Appeals), das die Entscheidungen, der in ihrem Bezirk ansässigen Bezirksgerichte überprüft. Bei dieser Überprüfung, erfolgt lediglich eine Kontrolle hinsichtlich der Fairness des Verfahrens sowie der richtigen Anwendung und Auslegung des Rechts im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Entscheidung wird hier von Richtern und nicht mehr, wie noch im Verfahren vor den Bezirksgerichten, von einer Jury getroffen.
Heard muss beweisen, dass die Richterin einen schwerwiegenden Fehler begangen hat und so der Prozess für sie unfair geworden ist. Dabei überprüft das Berufungsgericht weder die Fakten noch die Glaubwürdigkeit der aufgetretenen Zeugen. Die Entscheidung der Geschworenen über die Tatsachenfragen wird nicht hinterfragt. Vielmehr werden die Handlungen und Entscheidungen der Richterin im Rahmen des Prozesses überprüft.
Heards Ansatzpunkt Nr. 1: Die zugelassenen Beweismittel
Die Anwältin Heards, Elaine Bredehoft, deutete bereits kurz nach der Verhandlung an, dass die Geschworenen dadurch, dass von dem Gericht Beweise zugelassen wurden, die nicht hätten zugelassen werden dürfen, verwirrt gewesen seien. Insbesondere hätte Depp einige Beweise vorlegen können, die nachteilig für Heard gewesen seien, während bestimmte von Heards Team vorgebrachte und im Prozess Depps gegen das englische Boulevardblatt Sun 2020 noch zugelassene Beweise "unterdrückt" worden seien. Inwiefern dies die Anwältin Heards konkretisieren und für eine mögliche Berufung verwendet wird, bleibt abzuwarten.
Heards Ansatzpunkt Nr. 2: Öffentliche Stimmung zugunsten Johnny Depp
Weiter mutmaßte Bredehoft, dass die Jury durch die einseitige Pro-Depp und Anti-Heard-Diskussion beeinflusst worden sei. Der Prozess wurde infolge der Entscheidung des Gerichts live übertragen. Insbesondere auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, TikTok und Twitter waren zahlreiche Videos zu sehen, in denen die Aussagen und das Verhalten Heards während des Prozesses überwiegend negativ bewertet und teils ins Lächerliche gezogen wurde. Gegenüber diesem, von Bredehoft als "Zoo" bezeichneten Spektakel, waren die Geschworenen nicht abgeschottet. Spätestens im Kontakt mit ihren Familien, ist von einer Konfrontation der Geschworenen mit den erfolgten Medienberichten und Beiträgen auf Social-Media-Plattformen auszugehen. Eine Anfechtung der Entscheidung gegen die Abschottung der Geschworenen als auch die Entscheidung des Gerichts, den Prozess live zu übertragen, wäre denkbar. Zu bedenken ist aber, dass eine Isolation der Geschworenen heute nicht mehr zeitgemäß und realisierbar ist.
Die Erfolgsaussichten der Berufung lassen sich schwer voraussagen. Die meisten Experten gehen davon aus, dass es den Versuch für Heard wert sei, da es viele Angriffspunkte gebe.
Berufungsprozess kostet Hundertausende Dollar
Das Berufungsverfahren wird für die Allgemeinheit nicht via Livestream verfolgbar sein. Der Streit wird durch die drei zuständigen Berufungsrichter mittels Sichtung, der von den Anwälten der Streitparteien eingereichten Dokumente, entschieden.
Falls Amber Heard tatsächlich Berufung einlegen sollte - dies ist bis 30 Tage nach dem Urteil möglich -, müsste sie erneut mit einem langen und teuren Prozess rechnen. Dieser würde mindestens zwei Jahre dauern und Heard weitere Hunderttausende Dollar kosten.
Allerdings ist es gut möglich, dass die Anwälte Heards den Fall bis zum Supreme Court (Obersten Gerichtshof) bringen wollen. Hier bestünde die Möglichkeit, eine Verletzung des First Amendment (erster Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten), welches das Recht auf freie Meinungsäußerung statuiert, feststellen zu lassen.
Die Autorin Dr. Diana Grün, LL.M (New York) ist Gründungspartnerin der Medienrechtskanzlei Prinz Rechtsanwälte und in New York als Foreign Legal Consultant zugelassen. Ihre Tätigkeitsschwerpunkt liegen im Presse- und Äußerungsrecht sowie im Kunstrecht.
Nach Verurteilung zu Millionenentschädigung: . In: Legal Tribune Online, 09.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48709 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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