Wein darf nicht als "bekömmlich" vermarktet werden, entschied der EuGH am Donnerstag. Die Luxemburger Richter bewerteten die Bezeichnung als gesundheitsbezogen. Nicht nur für Alkoholwerbung, sondern auch für den Verkauf anderer Lebensmittel könnte das das Ende bestimmter Wellness- und Fitness-Angaben sein, meint Markus Grube.
Das höchste europäische Gericht hatte die Vorlagefrage des Bundesverwaltungsgerichtes zu beantworten, ob Angaben wie "bekömmlich" im Rechtssinne gesundheitsbezogen sind. Luxemburg erwies sich dabei als durchaus streng: Der Begriff der "gesundheitsbezogenen Angabe" setze nämlich nicht zwingend voraus, dass den Verbrauchern suggeriert werde, dass sich ihr Gesundheitszustand dank des Verzehrs eines Lebensmittels verbessert.
Es genüge, so die Luxemburger Richter, dass der Konsument den Eindruck habe, trotz des potenziell schädlichen Verzehrs einen guten Gesundheitszustand zu erhalten.
Unter "bekömmlich" versteht der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine die "leichte Aufnahme und Verdaulichkeit des Weins suggerierende Bezeichnung", die impliziere, "dass das Verdauungssystem darunter nicht oder wenig leidet und dass der Zustand dieses Systems selbst bei wiederholtem Verzehr verhältnismäßig gesund und intakt bleibt, weil dieser Wein sich durch einen reduzierten Säuregehalt auszeichnet". Die Angabe sei daher geeignet, eine nachhaltige positive physiologische Wirkung zu suggerieren und damit verboten (EuGH, Urt. V. 06.09.2012, Az. C-544/10).
Nun auch kein "Fitness"-Käse mehr?
Da gesundheitsbezogene Angaben für alkoholische Getränke von über 1,2 % Vol. generell verboten sind, führt diese Entscheidung zu einem Verbot von Bezeichnungen wie "bekömmlich" für Wein, Bier und Co. Aus der Werbelandschaft für alkoholhaltige Getränke dürften Aussagen wie "leicht verdaulich", "verträglich", "nicht belastend" oder "schonend" daher schon bald verschwinden.
Das Urteil hat aber nicht nur für alkoholische Getränke, sondern auch für andere Lebensmittel Bedeutung. Die Bezeichnung eines "Fitness"-Käses mit Verweis auf seinen reduzierten Fettgehalt könnte demnach ebenfalls als gesundheitsbezogene Angabe eingeordnet werden. Für andere Lebensmittel als alkoholhaltige Getränke sind gesundheitsbezogene Angaben zwar grundsätzlich möglich.
Die Bewertung einer Bezeichnung als gesundheitsbezogen löst aber weitreichende Rechtsfolgen aus. So müssen weitere Pflichthinweise erfolgen und zum Beispiel auf die "Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise" hingewiesen werden. Darüber hinaus muss stets eine Nährwerttabelle angebracht werden.
Auch eine Wertung von Begriffen wie "bekömmlich" als so genannte "Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden" löst weitergehende Kennzeichnungspflichten aus, insbesondere die weitere Erläuterung durch eine zugelassene spezifische gesundheitsbezogene Angabe.
Der EuGH weitet die Health-Claims-Verordnung aus
Die Einordnung von Angaben wie "bekömmlich" als gesundheitsbezogene Angaben passt nicht in das grundsätzliche Regelwerk des europäischen Gesetzgebers. Dieser wollte mit der Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung – HCVO) allein solche Bezeichnungen als gesundheitsbezogen sehen, bei denen ein Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel und der Gesundheit zum Ausdruck gebracht wird.
Von der Verordnung unberührt und damit allgemein zulässig bleiben sollten gerade solche Angaben, die nur auf das allgemeine nicht-gesundheitsbezogene Wohlbefinden Bezug nehmen. Hierzu hätte man vor dem Urteil der Luxemburger Richter eine unspezifische Aussage wie "bekömmlich" gezählt. Für die Angaben "Haribo macht Kinder froh" und "Red Bull verleiht Flügel" hatte die Kommission frühzeitig klargestellt, dass diese vom Anwendungsbereich der HCVO ausgenommen sein sollten.
Vieles spricht daher dafür, dass "Wellness-" oder "Fitness"-Angaben aufgrund ihres Bezugs zum allgemeinen Wohlbefinden nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen sollten. Das Urteil des EuGH stellt diese Einschätzung jedoch in Frage.
Der Autor Dr. Markus Grube ist Lebensmittelrechtsspezialist und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei Krell Weyland Grube Rechtsanwälte in Gummersbach. Er ist Lehrbeauftragter der Fachhochschule Osnabrück (Agrarwissenschaften) und publiziert regelmäßig zu lebensmittelrechtlichen Themen.
EuGH verbietet "bekömmlichen" Wein: . In: Legal Tribune Online, 06.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7015 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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