Der AfD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Alice Weidel, drohen wegen der Affäre um Spenden aus der Schweiz nicht nur politische, sondern auch rechtliche Konsequenzen. Welche konkreten Vorwürfe im Raum stehen, erläutert Sebastian Roßner.
Alice Weidel bläst aus der Politik gerade eine steife Brise ins Gesicht. Nun kommt von der Staatsanwaltschaft Konstanz sogar eine Sturmwarnung: Ermittlungen gegen die Co-Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag werden wegen des Anfangsverdachts einer Straftat nach § 31d Parteiengesetz (PartG) eingeleitet. Anlass sind Spenden, die aus der Schweiz an den AfD-Kreisverband Bodensee geflossen sein sollen, dessen stellvertretende Vorsitzende Weidel ist und für den sie als Direktkandidatin im vergangenen Bundestagswahlkampf antrat.
§ 31d PartG ist, vor allem als Reaktion auf die CDU-Parteispendenaffäre der neunziger Jahre, im Jahr 2002 ins Parteiengesetz aufgenommen worden, um die finanzielle Transparenz der politischen Parteien strafrechtlich besser abzusichern. Diese wird von Art. 21 Abs. 1 S. 4 Grundgesetz (GG) gefordert und von den Vorschriften des Fünften Abschnitts des Parteiengesetzes über den Rechenschaftsbericht ausgestaltet, den alle Parteien jährlich abgeben müssen. Dass die Rechenschaftsberichte inhaltlich korrekt sind, ist auch deshalb besonders wichtig, weil die Angaben in den Berichten eine der Grundlagen sind, anhand derer der Bundestagspräsident die Mittel festsetzt, welche den einzelnen Parteien aus der staatlichen Parteienfinanzierung zufließen, § 19a PartG.
Soweit bisher bekannt wurde, soll Alice Weidels AfD-Kreisverband Bodensee im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 insgesamt 18 Spenden mit einem Gesamtwert von 130.000 € von dem Pharmaunternehmen PWS AG mit Sitz in der Schweiz erhalten haben. Der Verwendungszweck lautete "Wahlkampfspende Alice Weidel". Die Beträge waren von der PWS "treuhänderisch für einen Geschäftsfreund" überwiesen worden, wie der Verwaltungsrat des Unternehmens unter anderem der Süddeutscher Zeitung mitteilte. Der Bodensee-Kreisverband hatte das Geld aus der Schweiz erst nach Monaten an die PWS zurücküberwiesen.
Damit könnte eine nach § 31d Abs. 1 Nr. 2 PartG strafbare Handlung vorliegen. Unter Strafe gestellt ist es nach dieser Norm, als Empfänger eine Spende in Teilbeträge zu zerlegen und im Rechenwerk der Partei zu verbuchen, um damit Transparenzpflichten nach dem Parteiengesetz zu umgehen. Geschützt werden soll damit die Pflicht der Parteien, Großspenden auszuweisen: Alle Spenden von mehr als 10.000 Euro sind nach § 25 Abs. 3 S. 1 PartG separat im Rechenschaftsbericht der Partei mit Namen des Spenders auszuweisen. Spenden von mehr als 50.000 Euro müssen gemäß § 25 Abs. 3 S. 2 PartG unverzüglich dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden, der eine entsprechende Nachricht dann alsbald als Bundestagsdrucksache zu veröffentlichen hat, § 25 Abs. 3 S. 3 PartG. Zweck der Regelungen ist es, sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit rasch über mögliche finanzielle Einflüsse auf die Parteien informiert wird.
Strafbarkeit wegen Untreue
Auch eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 Strafgesetzbuch (StGB) ist nicht ausgeschlossen. § 31d PartG und § 266 StGB haben je eigenständige Unwertgehalte und sind daher nebeneinander anwendbar (BGH, Urt. v. 11.12.2014, Az.: 3 StR 265/14). Zu prüfen ist noch, ob diejenige Person, die für die Vorgänge im Kreisverband Bodensee der AfD verantwortlich war, eine Vermögensbetreuungspflicht traf. Der Verantwortliche hat jedenfalls dem Vermögen der AfD mit einiger Wahrscheinlichkeit einen erheblichen Schaden zugefügt. Denn die AfD wird vermutlich nach § 31c Abs. 1 S. 1 PartG eine erhebliche Strafzahlung leisten müssen, da nach dieser Norm eine Partei, die Spenden unter Verstoß gegen § 25 Abs. 2 PartG angenommen hat, mit einem Anspruch in Höhe des Dreifachen der zu Unrecht angenommenen Spende belastet wird.
Ein Verstoß gegen § 25 Abs. 2 PartG dürfte vorliegen: Es ist politischen Parteien nach dieser Vorschrift verboten, Spenden aus dem Nicht-EU-Ausland, etwa auch aus der Schweiz, anzunehmen, es sei denn, das spendende Unternehmen, hier also die PWS AG, gehört zu mehr als 50 Prozent deutschen Staatsbürgern oder Bürgern der EU, § 25 Abs. 2 2. Alt. PartG. Sollte diese Ausnahmevorschrift nicht greifen, hätte der Kreisverband die Spende entweder nach § 25 Abs. 1 S. 4 PartG unverzüglich an die PWS AG zurücksenden müssen, womit die Spende als nicht erlangt gegolten hätte, oder unverzüglich dem Bundestagspräsidenten weiterleiten müssen, § 25 Abs. 4 PartG. Jedoch ist nach den vorliegenden Presseberichten weder das eine noch das andere geschehen, vielmehr soll die Spende erst Monate später, im April 2018, großteils an die PWS AG zurückgezahlt worden sein.
Zudem hat die PWS AG nach eigenem Bekunden die an den Kreisverband geflossenen Spenden nicht aus dem eigenen Vermögen geleistet, sondern nur weitergeleitet, und zwar von einer vermögenden Person mit Wohnsitz in der Schweiz, die im Übrigen aber anonym bleiben wolle. Damit kommt auch ein Verstoß gegen § 25 Abs. 2 Nr. 6 PartG in Betracht. Diese Norm verbietet Parteien Spenden anzunehmen, die erkennbar "die Weiterleitung der Spende eines nicht genannten Dritten" darstellen.
Verstoß gegen AfD-Finanzordnung
Ob Alice Weidel sich strafbar gemacht hat oder für parteienrechtliche Strafzahlungsverpflichtungen der AfD verantwortlich ist, lässt sich nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand vom Geschehen nicht beurteilen.
Sollte dies aber zutreffen, droht ihr weiteres Ungemach. Denn in beiden Fällen dürfte nicht nur ein Verstoß gegen staatliche Normen, sondern zusätzlich auch gegen die Satzung der AfD vorliegen, etwa gegen § 7 der AfD-Finanzordnung. Diese Satzungsvorschrift ordnet an, dass Spenden, die nach § 25 Abs. 2 PartG unzulässig sind, zurückzugeben oder unverzüglich über den Bundesverband der AfD an den Präsidenten des Bundestages weiterzuleiten sind.
Wird jedoch vorsätzlich gegen die Satzung verstoßen und dadurch ein schwerer Schaden für die Partei verursacht, kann das verantwortliche Parteimitglied gemäß § 10 Abs. 4 PartG durch Entscheidung eines Parteischiedsgerichts aus der Partei ausgeschlossen werden. Ein solches Ausschlussverfahren könnte nach § 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Bundessatzung AfD innerhalb von sechs Monaten durch einen zuständigen AfD-Vorstand beantragt werden.
Zuständig ist unter anderem auch der Vorstand von Alice Weidels Landesverband Baden-Württemberg. Das Verhältnis von dessen Vorsitzendem Ralf Özkara zu Weidel gilt als ebenso angespannt wie dasjenige von Schatzmeister Frank Kral zu ihr. Es ist also durchaus denkbar, dass Alice Weidel sich am Ende dieser Parteispendenaffäre als geschasste AfD-Spitzenkraft in einer Reihe mit Bernd Lucke und Frauke Petry außerhalb der Partei wiederfinden wird.
Dr. Sebastian Roßner, M.A, .arbeitet als Rechtsanwalt bei der Kanzlei LLR in Köln. Zuvor war er längere Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Düsseldorf tätig.
Ermittlungen gegen Alice Weidel: . In: Legal Tribune Online, 16.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32151 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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