Als Folge der rasanten Digitalisierung in der Medienwelt fordern Presseverleger seit einiger Zeit ein Leistungsschutzrecht für ihre Erzeugnisse. Prof. Dr. Mathias Schwarz über Leistungserbringer ohne Leistungsschutz, den im Netz kursierenden Vorentwurf eines Gesetzes und die Schutzfähigkeit von "Ätschivederci, Italien".
Die Diskussion über das Leistungsschutzrecht für Verlage ist nicht neu, sie geht einher mit der Digitalisierung von Information und deren verändertem Konsum. Aber das Klima wandelt sich immer schneller, die Verlage müssen umdenken, Zeitungshäuser setzen sich mittlerweile in höchster Instanz vor dem BGH gegen die Verwertung von Rezensionen durch Online-Kurzfassungen zur Wehr. Besonders an Dynamik gewonnen hat das Thema Leistungsschutzrechte aber, seit im Internet ein Vorentwurf eines möglichen Gesetzentwurfs kursiert. Ende Juni fand zudem im Bundesministerium der Justiz in Berlin eine Anhörung mit Vertretern aus der Verlagsbranche und der Politik statt.
Die Forderung der Presseverlage ist verständlich: Sie sind darauf angewiesen, sich für ihre Online-Presseprodukte neue Erlösmöglichkeiten zu erschließen, da die bislang erfolgende Quersubventionierung durch die analoge Presse bei zurückgehenden Werbeeinnahmen nicht mehr länger funktionieren wird.
Gleichzeitig haben sie nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, gegen Dritte vorzugehen, die ihre mit redaktionellem und wirtschaftlichem Einsatz hergestellten Presseprodukte im Internet kommerziell zweitverwerten. Nach aktueller Rechtslage können sie sich nur über abgeleitete urheberrechtliche Verbotsrechte gegen solche Rechtsverletzungen wehren.
Das setzt jedoch voraus, dass ihnen beispielsweise Autoren als ursprüngliche Urheber die Nutzungsrechte an ihren Beiträgen übertragen haben und die Verleger dies auch nachweisen können. Dieser Nachweis ist jedoch oftmals schwierig. Dies erschwert sowohl die Rechtsverfolgung als auch die Lizenzeinräumung im Rahmen des erforderlichen Ausbaus der Paid-Content-Aktivitäten.
Leistungserbringer ohne Leistungsschutzrecht
Damit sind die Presseverleger gegenüber anderen Werkmittlern wie Tonträgerherstellern, Konzertveranstaltern, Sendeunternehmen oder Filmherstellern benachteiligt. Diesen Gruppen stehen schon seit 1965 spezielle Leistungsschutzrechte zu, die nicht ihre kreative-schöpferische Leistung, wohl aber ihr organisatorisches, technisches oder wirtschaftliches Engagement honorieren.
Insofern besteht eine systemwidrige Schutzlücke, zumal Presseverleger eine durchaus vergleichbare Leistung erbringen, wenn sie den reinen journalistischen Inhalt ansprechend aufbereiten – bis er durch Layout, Vertrieb und Vermarktung beim Leser als Presseerzeugnis ankommt.
Die Herausforderung für den Gesetzgeber wird jedoch darin bestehen, ein Leistungsschutzrecht zu etablieren, das den Interessen der Presseverlage Rechnung trägt und gleichzeitig das Interesse der Allgemeinheit an ungehindertem Informationsaustausch wahrt. Darüber hinaus müssen die Autoren von der weiteren Verwertung ihrer Beiträge profitieren können.
Der inoffizielle Entwurf: Technisch konkreter, inhaltlich weiter Schutz
In dem im Internet kursierenden Entwurf für das einzuführende Leistungsschutzrecht ist vorgesehen, dass Schutzgegenstand das Ergebnis der redaktionellen Gestaltung journalistischer Beiträge sein soll. Bei der Anhörung im Bundesjustizministerium wurde deutlich, dass die Verlegerseite das Schutzrecht dabei wohl an den HTML-Code knüpfen will – als konkrete elektronische Repräsentation ihrer jeweiligen verlegerischen Leistung.
Zugleich möchte der inoffizielle Regelungsvorschlag gewährleisten, dass durch das Leistungsschutzrecht die Urheberrechte der Autoren unberührt bleiben. Denn es muss möglich bleiben, dass ein Autor, der einem Verleger nur ein einfaches Nutzungsrecht an seinem Beitrag eingeräumt hat, sein Werk auch weiterhin Dritten anbieten kann.
Die bislang offenbar angedachte Anknüpfung des Schutzgegenstandes ist insofern bemerkenswert, als sie das Schutzrecht nicht an eine besondere Investitionshöhe oder andere wirtschaftliche Leistung bindet, wie das etwa beim Schutz der Datenbankhersteller der Fall ist. Auch eine eher triviale „Allerweltsinvestition“ würde demnach ausreichen, um ein geschütztes Presseerzeugnis zu schaffen.
Mit diesem weiten Schutzansatz käme das Leistungsschutzrecht nicht nur finanzkräftigen Großverlagen zugute, sondern auch kleinen redaktionell betreuten Blogs. Dennoch ist zu erwarten, dass die Frage, ob diese Schutzdefinition eine ausreichend deutliche Abgrenzung zu den urheberrechtlich geschützten Presseinhalten ermöglicht, im Mittelpunkt der weiteren rechtspolitischen Debatte stehen wird.
Viele Fragen bleiben offen: Ist „Ätschivederci, Italien“ schutzfähig?
Heftig diskutiert wird bereits jetzt, inwieweit auch kurze Textschnipsel, so genannte „Snippets“, wie sie beispielsweise Google News verwendet, geschützt wären. Wäre also etwa die Bild-Schlagzeile „Ätschivederci, Italien“ nach dem WM-Ausscheidens Italien
schutzfähig?
Eine Regelung, die auch die Verwertung von kleineren Teilen erfasst, besteht bereits für die Film- und Laufbildhersteller und Sendeunternehmen und stellte insofern für sich genommen kein rechtliches Novum dar. Es wird jedoch bei der konkreten Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts genau darauf zu achten sein, dass durch das Leistungsschutzrecht nicht der Informationsaustausch im Interesse der Allgemeinheit unverhältnismäßig behindert wird. Hier darf man gespannt sein, wie der Gesetzgeber diese schwierige Herausforderung lösen wird.
In der Diskussion über ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger sind zur Zeit noch viele Fragen offen. Auch die Ende Juni erfolgte Anhörung der beteiligten Kreise im Bundesministerium der Justiz hat dabei noch keine abschließende Klarheit über die Ausgestaltung dieses neuen Schutzrechts gebracht.
Der Gesetzgeber ist nun gefordert, einen konkreten Vorschlag für ein ebenso wirkungsvolles wie ausgewogenes Leistungsschutzrecht zu unterbreiten. Keine leichte Aufgabe.
Der Autor Prof. Dr. Mathias Schwarz ist Rechtsanwalt, Mediator und Wirtschaftsprüfer. Er ist Partner im Bereich Medienrecht einer überörtlichen deutschen Sozietät am Standort München.
Mathias Schwarz, Urheberrecht: . In: Legal Tribune Online, 16.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/987 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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