Ein neu erstellter Twitter-Account prangert antisemitische Facebook-Posts an – nicht nur mit Bild und Namen, sondern teils auch Wohnort und ähnlichen Daten. Schon Jan Böhmermann fragte, ob man das dürfe. Die Antwort hat Arno Lampmann parat.
Die Ankündigung des US-amerikanischen Präsidenten von Anfang Dezember, Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen zu wollen, hat offenbar vielen Menschen Anlass gegeben, nicht nur ihrer antisemitischen Haltung freien Lauf zu lassen, sondern sich auch öffentlich ungefiltert dazu zu bekennen. Medium der Wahl ist – wie so häufig – das Forum der sozialen Medien, also hauptsächlich Facebook.
Ein bisher unbekannter Initiator hat es sich zur Aufgabe gemacht, antisemitische Facebook-Statusmeldungen und -kommentare mittels Screenshot zu dokumentieren und über den Twitter-Account @GegenJudenhass öffentlich zu machen.
Die Kurzbeschreibung des Accounts: "Hier werden Judenhasser aus Facebook enttarnt. Facebook geht nicht ausreichend gegen Judenhass vor, sondern befördert ihn eher. // Project against hate crime //". Abgesetzt wurden bisher mehr als 60 Tweets, der Account ist von über 650 Followern abonniert.
Die Gegenstände der Veröffentlichung reichen von volksverhetzenden und damit eindeutig strafbaren Kommentaren bis hin zu – scheinbar – harmlosen Äußerungen, die – was sie in ihrer Wirkung nicht minder gefährlich, jedoch rechtlich einen Unterschied macht – auf den ersten Blick als (politische) Meinungsbekundungen daherkommen.
Intim- und Privatsphäre nicht betroffen
Von der Frage der Zulässigkeit der dokumentierten Äußerungen zu trennen ist die Frage, ob deren Veröffentlichung in der konkreten Art und Weise zulässig ist. Das überlegte auch Jan Böhmermann: Immerhin werden die Kommentare von Facebook nicht nur mit dem Nutzernamen, sondern auch zusammen mit dem Profilbild des Äußernden abgebildet.
Wenn diese Posts jedoch bereits öffentlich sichtbar sind beziehungsweise waren (wovon auszugehen ist, da der Betreiber des Twitter-Accounts sie sonst nicht hätte einsehen und veröffentlichen können), kommen Eingriffe in die Intim- und Privatsphäre der Facebooknutzer grundsätzlich nicht in Betracht.
Vielmehr ist die sogenannte Sozialsphäre der Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht. Bei der Kundgabe einer politischen Meinung auf Facebook ist die Sozialsphäre betroffen, wenn der Verfasser sie sämtlichen Nutzern des Netzwerks (und nicht nur seinen Freunden) sichtbar macht (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2011, Az. VI ZR 261/10). Die Twitter-Veröffentlichungen wären danach zulässig.
Ganz unumstritten ist diese Ansicht in der Rechtsprechung allerdings nicht. Bereits Anfang März 2016 schieden sich in Bezug auf den "Bild-Pranger", auf dem die Bild-Zeitung Hetz-Postings gegen Flüchtlinge auf ihrer Titelseite abgebildet hatte, die juristischen Geister über die Frage, ob eine Publikation dieser Art zulässig sei oder nicht.
Von München bis Saarbrücken – es kommt drauf an
Nachdem diverse Medienrechtler die Berichterstattung damals als zulässig bewertetet und das Landgericht München I einen Antrag auf einstweilige Verfügung einer auf dem Bild-Pranger Abgebildeten abgewiesen hatte, verbot das OLG München in der zweiten Instanz die Veröffentlichung schließlich überraschend mit der – zweifelhaften – Begründung, dass die Zeitung das Foto der Frau ebenso gut hätte weglassen beziehungsweise in verpixelter Form zeigen können.
Demgegenüber hielt es das Landgericht Saarbrücken Ende November 2017 nicht für beanstandungswürdig, dass Til Schweiger eine sogar private – und damit nicht-öffentliche – Nachricht einer Facebooknutzerin über den Facebook-Messenger nebst Namen und Bild auf seinem mit über 1,4 Millionen Fans ausgestatteten Facebookprofil öffentlich gemacht hatte.
Vor diesem Hintergrund könnte man sich somit hinsichtlich des @GegenJudenhass-Accounts auf den für Juristen bequemen und häufig eingenommen Standpunkt stellen und behaupten, "es käme darauf an" - nämlich darauf, ob der Fall beispielsweise dem Landgericht Saarbrücken oder dem OLG München zur Entscheidung vorliegt. So einfach ist es aber nicht in allen Fällen.
Bei zusätzlichen Angaben wird es kritisch
Im Fall des kürzlich gegründeten Twitter-Prangers gibt es allerdings eine Besonderheit, die für die rechtliche Bewertung den Ausschlag geben dürfte. Denn neben dem bloßen Screenshot, der naturgemäß sowohl (Facebook-)Namen und eine Abbildung enthält, werden in den Tweets zusätzliche Informationen zu dem Betroffenen öffentlich gemacht.
Die Betreiber des Twitter-Accounts machen sich offenbar die Mühe und recherchieren anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen zu den Facebooknutzern weitere Daten – wie zum Bespiel den Wohnort –, die das Auffinden der angeprangerten Personen erleichtern. Die Veröffentlichung geht damit über die Wiedergabe der Facebook-Posts hinaus, auch wenn damit beispielsweise nur eine grundsätzlich für jeden mögliche Recherche über eine Suchmaschine vorweggenommen worden sein sollte.
Durch diese ganz bewusst gewählte Art und Weise der Präsentation erfahren die Betroffenen eine zusätzliche Anprangerung und Stigmatisierung, was die grundsätzlich zulässige Veröffentlichung der aus der Sozialsphäre stammenden Äußerungen der Betroffenen unzulässig macht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.2.2010, Az. 1 BvR 2477/08).
Unabhängig von den Meinungsverschiedenheiten, die zur Zulässigkeit der Weiterverbreitung von Facebook-Posts in der Rechtssprechung bestehen, könnten sich jedenfalls diejenigen der angeprangerten Personen rechtlich eine Veröffentlichung verbitten, bei denen die Informationen über das konkrete Facebook-Posting hinausgehen.
Der Autor Arno Lampmann ist Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum in Köln. Er ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und spezialisiert auf Urheberrecht, Wettbewerbsrecht und Markenrecht.
Arno Lampmann, Twitter-Account macht antisemitische Facebook-Posts öffentlich: . In: Legal Tribune Online, 20.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26113 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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