Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen: Keine Angst vor TiSA

von Alina Nowosjolowa und Dr. Christian Hamann

15.03.2016

2/2: Privatisierung der Daseinsvorsorge?

TiSA zielt darauf ab, den Markt für Dienstleistungen grundlegend zu liberalisieren und für Anbieter aus allen Vertragsstaaten zu gleichen Bedingungen zu öffnen. Eine einmal vollzogene Marktöffnung soll grundsätzlich unumkehrbar sein. Das wird durch sogenannte "Standstill- und Ratchet-Klauseln" im TiSA-Abkommen gewährleistet. Bedeutet das, wie Skeptiker befürchten, dass für die Versorgung der Bevölkerung zentrale Leistungen der Daseinsvorsorge in naher Zukunft von internationalen Konzernen übernommen werden, die sich lediglich dem Wohl ihrer Aktionäre verpflichtet fühlen? Müssen Staat und Gesellschaft bald ohnmächtig zusehen, wenn die Qualität z.B. der Trinkwasserversorgung in den Kommunen sich drastisch verschlechtert, während die Preise in den Himmel schießen?

Wohl kaum. In den TiSA-Verhandlungen kann jede Vertragspartei individuell entscheiden, welche Dienstleistungen in welchem Umfang liberalisiert werden sollen. Die EU-Kommission hat bereits angekündigt, den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge von ihren Verpflichtungen unter dem TiSA-Abkommen ausnehmen zu wollen. Auch sollen die Standstill- und Ratchet-Klauseln nur beschränkt Anwendung finden. Eine vollzogene Marktöffnung im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen könnte also wohl auch wieder zurückgenommen werden, wenn Fehlentwicklungen erkennbar werden.

Datenschutz: Keine Abschaffung durch die Hintertür

Wie steht es schließlich um den Datenschutz, dem in Europa bekanntlich eine ganz andere Bedeutung beigemessen wird als in vielen anderen Teilen der Welt? Die bisher bekannt gewordenen TiSA-Entwürfe scheinen schlimmste Befürchtungen zu bestätigen. So heißt es in einem viel zitierten Anhang des Abkommens zu Finanzdienstleistungen, es seien Maßnahmen untersagt, die eine Übermittlung oder Verarbeitung von Finanzdaten behindern. Teils wird deshalb befürchtet, dass im Finanzsektor die europäischen Datenschutzregeln zukünftig nicht mehr gelten und sensible Daten europäischer Bürger unreguliert in die USA und andere "unsichere" Drittstaaten fließen werden.

Doch auch diese Passage muss man im Kontext lesen. Denn das Abkommen stellt an anderer Stelle ausdrücklich klar, dass Vorschriften der Vertragsstaaten zum Schutz von personenbezogenen Daten "unberührt" bleiben sollen. Speziell für den Bereich der Finanzdienstleistungen betont der Entwurf, die Vertragsparteien seien nicht daran gehindert, personenbezogene Daten zu schützen. Das europäische Datenschutzrecht wird also nach menschlichem Ermessen auch in Zukunft auf grenzüberschreitende Datenflüsse Anwendung finden. Eine Abschaffung des Datenschutzes durch die Hintertür steht nicht zu befürchten.

Dr. Christian Hamann ist Counsel, Alina Nowosjolowa ist Associate bei Gleiss Lutz.

Zitiervorschlag

Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen: . In: Legal Tribune Online, 15.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18787 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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