Städte und Gemeinden verbieten bei Volksfesten vermehrt das Mitführen und den Verzehr mitgebrachter alkoholischer Getränke, um insbesondere jugendlichem Alkoholkonsum zu begegnen. Dabei erklärten bereits mehrere Gerichte solche Sperrzonen für rechtswidrig. Florian Albrecht hält das Vorglüh-Verbot für nicht mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vereinbar.
Nach weit verbreiteter Auffassung soll es eine Zeiterscheinung sein, dass sich Jugendliche im Zusammenhang mit Straßen- und Volksfesten im öffentlichen Raum treffen, um sich mit im Vorfeld billig erworbenen alkoholischen Getränken auf die Veranstaltung einzustimmen. Dieses so genannte Vorglühen soll nicht selten alkoholbedingte Körperverletzungen und Sachbeschädigungen zur Folge haben.
Vor allem in Baden-Württemberg wird in Städten und Gemeinden aus diesem Grunde ein gesteigerter Bedarf gesehen, diesem öffentlichen Alkoholkonsum mit rechtlichen Mitteln zu begegnen. Mit Sperrzonen für das Mitführen und den Verzehr alkoholischer Getränke versuchen Städte und Gemeinden, dem übermäßigen Alkoholkonsum von Jugendlichen im Zusammenhang mit Volks- und Straßenfesten zu begegnen.
Als positiver Nebeneffekt wird eine Umsatzsteigerung der konzessionierten Standbetreiber erwartet.
Was die Gerichte dazu sagen
Bereits vor zwei Jahren hatte das VG Karlsruhe (Beschl. v. 12.09.2008, Az. 1 K 2593/08) im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass eine Allgemeinverfügung, die ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum während der Dauer eines Straßenfestes statuiert, mit polizeirechtlichen Ermächtigungsgrundlagen nicht vereinbar ist.
Der Entscheidung folgten zwei Urteile des VGH Baden-Württemberg (Urt. v. 28.07.2009, Az. 1 S 2200/08 und Urt. v. 28.07.2009, Az. 1 S 2340/08), welche die Regelung des Alkoholkonsums mittels einer Polizeiverordnung ebenfalls untersagten.
Mit einer neuen Entscheidung des VG Karlsruhe vom 27. August 2010 wird diese Rechtsprechung fortgeführt und der spürbaren Tendenz einer Verschiebung der Grenzen zwischen Störern und Nichtstörern Einhalt geboten.
Kein Störer, keine Allgemeinverfügung
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes stellte das VG Karlsruhe (Az. 5 K 2156/10) fest, dass sich Alkoholverbote im öffentlichen Raum nicht mittels einer Allgemeinverfügung begründen lassen.
#§§ 1 Abs. 1 S. 1, 3, 5 Abs. 2 PolG BW ist zu entnehmen, dass der Erlass von Allgemeinverfügungen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung fordert. Dies setzt eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führt.
Eine solche Gefährdungslage ist indes nicht gegeben: Es ist keineswegs wahrscheinlich, dass sich alle Personen, die in der Verbotsphase mitgebrachte alkoholische Getränke mit sich führen und konsumieren, gesetzeswidrig verhalten wollen und demnach als Störer ausgemacht werden können. Auch Verweise auf negative Erfahrungen der Vergangenheit sind insoweit wenig zielführend. Der aktuelle Einzelfall entscheidet.
Keine abstrakte Gefahr, keine Polizeiverordnung
Gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG BW können die Polizeibehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben neben den Allgemeinverfügungen Polizeiverordnungen erlassen. Voraussetzung ist, dass diese geeignet sind, Gefahren abzuwehren oder Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit dies im öffentlichen Interesse geboten ist (vgl. § 1 Abs. 1 PolG BW). Erforderlich ist somit eine abstrakte Gefahr.
Eine solche ist grundsätzlich dann gegeben, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall einzutreten pflegt. Mittels der behaupteten Ursachenzusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Straftaten lässt sich allerdings lediglich ein Gefahrenverdacht begründen, der zudem auf tönernen Füßen steht.
Einerseits sind empirische Nachweise der kausalen Beziehung nicht vorhanden. Andererseits hält es der VGH Baden-Württemberg für möglich, dass alkoholisierte Täter einfach nur leichter überführt werden können und deswegen in den polizeilichen Tätigkeitsberichten überrepräsentiert sind (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 28.07.2009, Az. 1 S 2200/08).
Prävention statt rechtswidriger Verbote
Aus Sicht der politischen Entscheidungsträger ist diese Rechtslage unbefriedigend: So forderten jüngst zehn Bürgermeister aus dem Rhein-Neckar-Kreis die Landesregierung Baden-Württemberg in einem offenen Brief - ungeachtet verfassungsrechtlicher Bedenken - auf, eine Änderung des Polizeigesetzes voranzutreiben, damit dem Alkoholmissbrauch an örtlichen Brennpunkten künftig präventiv begegnet werden könne.
Hierbei verkennen die Akteure, dass sich eine wirksame Sucht- und Kriminalprävention mit Verboten nicht bewerkstelligen lässt. Vielmehr sind zu diesem Zwecke vielschichtige Präventionsmodelle erforderlich, deren Realisierung einer Auseinandersetzung mit den sozialen Krisenherden unserer Gesellschaft bedarf. Eine transparente und bürgernahe Politik sollte sich dem nicht verschließen.
Gerade vor dem Hintergrund der eindeutigen Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg und des VG Karlsruhe sollten umsichtige Polizei- und Ordnungsbehörden von der Implementierung und Vollziehung der Alkoholverbote im öffentlichen Raum, wie sie sich gegenwärtig in Baden-Württemberg abzeichnet, Abstand nehmen.
Der Autor Florian Albrecht, M.A., ist Akademischer Rat a.Z. und Geschäftsführer der Forschungsstelle für Rechtsfragen der Hochschul- und Verwaltungsmodernisierung (ReH..Mo) an der Universität Passau. Er ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Landshut und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.
Florian Albrecht, Streit um Alkoholverbote : . In: Legal Tribune Online, 15.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1464 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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