"Mehr Effektivität im Strafprozess". Das ist das Fazit nach dem bundesweiten Strafkammertag. Eine der Forderungen von 70 Strafrichtern: die Konzentration von Wirtschaftsstrafkammern mit einem eigenen Fachkräftepool.
Es ging um Befangenheitsanträge, um die Besetzung von Strafkammern und die Rüge ihrer Fehlerhaftigkeit. Neu aber ist nach dem Strafkammertag in Hannover eine andere Forderung: Wirtschaftliches Know-How soll in speziellen Strafkammern konzentriert und ein Fachkräftepool mit gerichtseigenen Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern geschaffen werden. Rund 70 Richter aus dem gesamten Bundesgebiet haben sich am Dienstag getroffen, um ihre Erfahrungen und Anregungen aus der täglichen Arbeit in die aktuelle Diskussion über die Reform der Strafprozessordnung (StPO) einzubringen.
Ihr Fokus lag dabei auf einer effizienteren Gestaltung der Hauptverhandlung. Und viele der Forderungen, welche die Strafrichter aus allen Instanzen nun formulieren, haben die Präsidenten der Oberlandesgerichts (OLG) schon mehrfach geäußert. So wünschen sie sich etwa, dass über die Rüge der falschen Besetzung des Gerichts verbindlich zu Beginn eines Prozesses entschieden wird und nicht - wie bisher - erst nach dessen Abschluss. Dies sei eine der Veränderungen, mit denen die Effizienz im Strafverfahren erhöht werden könnte.
Auch die Forderung, dass Einwendungen - wie zum Beispiel die mögliche Unverwertbarkeit einer Zeugenaussage etwa wegen falscher Belehrung - schon im Zwischenverfahren zwischen Anklageerhebung und Eröffnung der Hauptverhandlung geltend gemacht werden sollten, würde nach Einschätzung der Richter eine Beschleunigung des Verfahrens bewirken. In der gemeinsamen Erklärung bekräftigten die Richter zudem ihre Forderung nach "mehr Flexibilität bei der Verteilung der Strafverfahren innerhalb eines Gerichts, um die Bearbeitung zu beschleunigen und die Verfahrensdauer zu verkürzen".
Konzentrierte Kompetenz für Wirtschaftsstrafsachen
In dem Forderungskatalog findet sich zudem der Wunsch nach einer Fristsetzung für Beweisanträge, die nach Abschluss der von Amts wegen durchgeführten Beweisaufnahme gestellt werden sowie der nach einer Behandlung von Befangenheitsanträgen außerhalb der Hauptverhandlung. Dabei solle die Verhandlung fortgesetzt, gleichzeitig aber spätestens binnen drei Wochen über das Befangenheitsgesuch entschieden werden. Die Richter könnten sich zudem mehr Möglichkeiten zum Verlesen von Zeugenantworten in Fragebögen in gleichgelagerten Masseverfahren vorstellen, um die Hauptverhandlung effektiver zu gestalten.
Ganz neu ist eine Forderung aus einer der fünf für den Strafkammertag gegründeten Arbeitsgruppen "Wirtschaftsstrafsachen": Die Teilnehmer entwickelten den Vorschlag, zur Beschleunigung der Verfahren auch eine deutlich stärkere Konzentration von Wirtschaftsstrafverfahren herbeizuführen. . Dazu fordern die Richter festgelegte Wirtschaftsstrafkammerstandorte in den Ländern und länderübergreifend. Sie sollen auf einen Fachkräftepool aus Sachbearbeitern, Wirtschaftsreferenten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern zurückgreifen können.
"Eine länderübergreifende Konzentration ist nach § 120 Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nach geltendem Recht bereits bei Staatsschutzsachen möglich", sagt Dr. Peter Götz von Olenhusen, Präsident des OLG Celle. Götz von Olenhusen hat gemeinsam mit der Präsidentin und den Präsidenten der Oberlandesgerichte Bamberg, Braunschweig, Frankfurt, Köln, Schleswig und Stuttgart den Strafkammertag organisiert und gestaltet. "Für Wirtschaftsstrafsachen können in den Ländern bereits Wirtschaftsstrafkammerstandorte eingerichtet werden."
Es bedürfte also lediglich einer Erweiterung der Norm im GVG und entsprechender Staatsverträge der Landesjustizminister. Dann könnten die Länder über eine Organisationsverordnung regeln, an welchen Standorten sich eine Wirtschaftsstrafkammer anbiete. Für Staatsschutzverfahren hätten bereits Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein entsprechende Vereinbarungen getroffen.
Fachkräftepool für mehr Professionalität
Von einer – auch länderübergreifenden - Konzentration der Wirtschaftsstrafsachen versprechen sich die Richter neben "mehr Effektivität" auch eine Professionalisierung der Verfahren. Oft sei es den Richtern aus Zeitgründen nicht möglich, an Fortbildungen teilzunehmen. An anderen, kleineren Standorten mit einer geringen Anzahl an Wirtschaftsstrafsachen müssen Richter oft zusätzlich allgemeine Strafsachen bearbeiten. Sinnvolle Personalpolitik zu betreiben, sei dann nicht möglich.
Ergänzt haben die Strafrichter ihre Forderung in Bezug auf die Wirtschaftsstrafkammern um die Idee, einen Fachkräftepool zu bilden. "Bisher können die Wirtschaftsstrafkammern nach der StPO Sachverständige beauftragen", so Götz von Olenhusen. Das sei aber kostenintensiv und zudem sei es herausfordernd, die passenden Berufsträger zu finden. "Die Kammern wären deutlich flexibler, wenn diese Berufsgruppen bei den Gerichten angestellt wären. Das wäre eine Entlastung der Richterschaft und eine Professionalisierung der Gerichte." Schon jetzt würden die Gerichte trotz der erheblich geringeren Verdienstmöglichkeiten im Vergleich zu Kanzleien hervorragende Juristen für die Justiz gewinnen. "Die Möglichkeit sehe ich auch für sehr gute Wirtschaftsprüfer und Steuerberater."
In fünf Arbeitsgruppen haben die Teilnehmer des Strafkammertags diskutiert, wie der Strafprozess reformiert und praxistauglicher gestaltet werden könnte. Sie wollen ihre Erfahrungen einbringen, um vor allem die Hauptverhandlung zu vereinfachen und die Gerichte zu entlasten.
Dadurch wollen sie nach eigenen Angaben auch verhindern, dass in umfangreichen Strafverfahren wegen der langen Verfahrensdauer ein Strafrabatt gewährt werden muss. Denn der Rechtsstaat werde, so die Organisatoren in ihrer gemeinsamen Abschlusserklärung, seine Akzeptanz nur bewahren können, wenn die Strafjustiz schnell und konsequent handeln kann.
Tanja Podolski, Forderungen nach Strafkammertag: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18498 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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