2/2: Was Liberland vom Vorgarten unterscheidet: Der Gebietsanspruch
Aber wie steht es um das neue Liberland? Droht dem vermeintlich neuen Zwergstaat inmitten Europas nach einer zweckentsprechenden Subsumtion der Tatsachen unter die skizzierten drei Elemente dasselbe Schicksal wie Sealand? An einem Staatsgebiet dürfte es im Falle Liberlands jedenfalls nicht mangeln. Anders als bei einer im Meer installierten Flakstellung handelt es sich beim bisherigen Niemandsland um lupenreinste "terra", rechts begrenzt durch die Donau. Übrigens sei an dieser Stelle unterstellt, es handele sich tatsächlich um einen gänzlich unbeanspruchten Fleck Erde. Ob dem so ist, wird die ausstehende Reaktion der Staaten Kroatien und Serbien zeigen. Was den geneigten Bürger in seiner Machtfülle daran hindert, in seinem Vorgarten einen Staat auszurufen ist übrigens genau dieser feine Unterschied: Das Eigentum am Grundstück verdrängt den Staat nicht. Letzterer schafft durch die Eigentumsordnung sowie das Kataster- und Grundstückswesen gerade erst die Möglichkeit der Eigentümerschaft.
Weiter im Subsumtionsschema: Das liberländische Staatsvolk dürfte jedenfalls quantitativ recht überschaubar sein, existiert der Staat doch erst seit wenigen Tagen. Das ist aber – wie gesagt – nicht entscheidend. Außerdem spricht Staatsgründer Jedlicka von bereits jetzt schon mehr als 20.000 Anfragen für eine Staatsbürgerschaft. Das Gebiet ist bis dato allerdings noch unbesiedelt. Neben viel Wald ist von einer Siedlung, geschweige denn von einer funktionierenden Infrastruktur, wenig zu sehen. Das muss aber kein Dauerzustand bleiben. In der Netzgemeinde ist das Interesse nicht unbeachtlich; mehr als 109.000 Personen haben sich bereits jetzt via Facebook zusammengeschlossen. Ein "Ministry of Justice" arbeitet unter der offiziellen Flagge Liberlands eifrig an einem Verfassungsentwurf, erste crowdfunding-Aktionen wurden gestartet. In Tschechien ist das Medieninteresse enorm. Auch das TIME Magazine veröffentlichte kürzlich ein Online-Interview mit "Präsident" Jedlicka.
In die Köpfe der Initiatoren lässt sich nicht schauen. Gewiss kann alles ein großer Scherz sein, glaubt man jedoch den "offiziellen" Verlautbarungen, gibt es bereits erste Siedlungspläne. Das Staatsmotto "To live and let live" (zu Deutsch: Leben und Leben lassen) zielt auf eine dauerhafte Gemeinschaft. Auch wenn von einem Staatsvolk im Sinne einer Schicksalsgemeinschaft bisher noch nicht die Rede sein kann, so mag sich dieser Befund mittelfristig ändern. Man installiere sodann einen Leitungsstab und, voilà: fertig ist die Staatsgewalt.
Was nicht ist, kann noch werden
Gut, ganz so einfach ist es nicht, aber was die "Qualität" der Herrschaft anbelangt, lässt sich diese auf keine einfache Definition bringen. Lässt man die faktische Fähigkeit der Herrschaftsausübung genügen, die die Staatsgewalt tatsächlich durchzusetzen imstande ist (Jellinek), dürfte dieses Ziel für einen Zwergstaat mit sieben Quadratkilometern Größe nicht allzu unrealistisch sein. Praktisch relevant wurden diese Fragen in der bisherigen deutschen Gerichtspraxis nur hinsichtlich des damaligen Mandatsgebiets Palästina. Das BVerwG stellte dahingehend fest, dass allein Großbritannien als Mandatar Staatsgewalt über das palästinensische Gebiet ausübte; dem Gebiet mangelte es deshalb an einer eigenen Staatsgewalt (Urt. v. 28.09.1993, Az. 1 C 25.92).
Ein erster Befund lässt die übersiedlungsfreudigen Liberland-Fans also aufhorchen. Momentan kann von einem Staat zwar nicht die Rede sein, seine (beantragte) Anerkennung durch die Nachbarländer und die UNO scheint daher ausgeschlossen. Seine Entstehung aber scheint zumindest theoretisch möglich.
Doch was hätte das für Konsequenzen? Ein Blick in das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) zeigt, dass vor der vorschnellen Passbeantragung die Folgen bedacht werden sollten. § 25 des StAG regelt, dass ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit grundsätzlich mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit verliert, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgt. Der Verlust tritt "ipso jure" ein, ohne dass man seine Entlassung förmlich beantragen müsste. Die bewusste Entscheidung für eine fremde Staatsangehörigkeit wird gleichzeitig als bewusste Entscheidung gegen die deutsche Staatsangehörigkeit verstanden. Pass sowie Personalausweis verlieren ihre Gültigkeit, sie können nach § 12 PaßG, § 28 Abs. 1 PersonalausweisG eingezogen werden (Ziff. 12.1.1 PassVwV). Aber falls sich diese Frage jemals stellen sollte, bleibt bis dahin jedenfalls noch viel Zeit zum nachdenken.
Der Autor Patric Urbaneck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Öffentliches Recht bei Prof. Dr. Ulli F. H. Rühl an der Universität Bremen.
Patric Urbaneck, Sealand, Liberland & Co: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15346 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag