Minderheitsaktionäre müssen sich beim Squeeze-Out künftig auf niedrigere Barabfindungen einstellen. Der BGH hat entschieden, dass die Barabfindung sich nach dem dreimonatigen Zeitraum vor der Bekanntmachung des Strukturmaßnahme richtet. Was sich damit für die Aktionäre bei einem Squeeze-Out ändert, erläutern Dr. Nikolaos Paschos und Lars Maritzen.
Der Squeeze-Out ermöglicht es dem Hauptaktionär gemäß § 327a Abs. 1 HGB, ab einer Beteiligung von 95 Prozent am Grundkapital die Minderheitsaktionäre gegen eine "angemessene Barabfindung" auszuschließen. Man muss kein Prophet sein, um sich vorzustellen, dass die Frage, ob eine Barabfindung für den Minderheitsaktionär angemessen ist oder nicht, gewissen juristischen Zündstoff bietet.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Beschluss DAT/Altana (Beschl. v. 12.03.2001, Az. II ZB 15/00) festgelegt, dass Untergrenze der Barabfindung der durchschnittliche Börsenkurs der letzten drei Monate (so genannter Referenzzeitraum) ist. Die Untergrenze ist über Art. 14 Grundgesetz (GG) determiniert.
Daran halten die Bundesrichter auch im Beschluss "Stollwerck" vom 19. Juli 2010 (Az. II ZB 18/09) fest.
Unklarheit bestand jedoch fortan, ab welchem Zeitpunkt die Drei-Monats-Frist zu berechnen ist. Der BGH gibt mit dem Beschluss Stollwerk seine Auffassung auf, dass es auf die drei Monate vor dem Tag der Hauptversammlung ankommt. Es sollen nun die 3 Monate vor der Bekanntmachung der Strukturmaßnahme maßgeblich sein.
Stichtag Hauptversammlung oder Bekanntmachung
Hintergrund der Rechtsprechungsänderung sind vor allem zwei Probleme der Praxis. Zunächst wird, stellt man auf den Tag der Hauptversammlung ab, der Börsenwert durch die Bekanntgabe der Strukturmaßnahme verfälscht. An die Stelle der Markterwartung bezüglich des Unternehmenswertes tritt die Markterwartung hinsichtlich der Abfindung. Das hängt damit zusammen, dass das Angebot zur Barabfindung in aller Regel weit über dem Börsenkurs im Zeitpunkt der Bekanntgabe liegt und sich diese Erwartung auch wiederum im Börsenkurs niederschlägt. Der Zeitraum der drei Monate vor der Hauptversammlung ist daher für diese Zwecke ungeeignet.
Das zweites Problem ist die Vorlage des Berichtes vor der Hauptversammlung i.S.d. § 327c Abs. 2 S. 1 HGB. Demnach soll mit der Einberufung der Hauptversammlung, also regelmäßig sechs Monate, bevor sie stattfindet, ein Bericht vorgelegt werden, in dem die Angemessenheit der Barabfindung erläutert wird. Diese Verpflichtung scheint unerfüllbar, will man doch den Zeitraum nicht unberücksichtigt lassen, der danach bis zur Hauptversammlung noch folgt. Man müsste demnach sechs Wochen vor der Hauptversammlung prognostizieren, wie sich der Kurs in den sechs Wochen danach bis zur Hauptversammlung entwickelt.
Diese beiden Probleme wurden nun gelöst. Das ist zu begrüßen, wenn auch der Börsenkurs vor der Bekanntgabe regelmäßig niedriger ist und sich der Aktionär auf eine niedrigere Abfindung wird einstellen müssen. Dies erscheint jedoch nur konsequent.
Hochrechnung
Nun kann es manchmal sein, dass zwischen der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme und dem Tag der Hauptversammlung einige Zeit vergeht. § 327 Abs. 1 S. 1 HGB verlangt aber, dass die Barabfindung die Verhältnisse der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung berücksichtigt. Wie will man das in Einklang bringen?
Für diese Situation, im Fall Stollwerck reden wir immerhin von einem Zeitraum von rund acht Monaten, hat der BGH beschlossen, dass eine Anpassung des Börsenwertes entsprechend der allgemeinen und branchenspezifischen Wertentwicklung notwendig sei und eine Hochrechnung zu erfolgen habe.
Wie genau diese Hochrechnung aussehen soll, dazu verhält sich der Beschluss jedoch nicht. Man darf also gespannt sein, wie das OLG Düsseldorf, an das der BGH die Sache zur weiteren Aufklärung zurückgegeben hat, diese Hochrechnung vornimmt.
Die geänderte Rechtsprechung dürfte neben dem Squeeze-out auch für sonstige Strukturmaßnahmen maßgeblich sein, in denen eine Barabfindung zu zahlen oder eine Verschmelzungswertrelation zu bilden ist. Die Entscheidung der Karlsruher Richter ist also von weit reichender Bedeutung - für alle Fälle, in denen die grundsätzlich fortgeltende DAT/Altana-Rechtsprechung des BGH Anwendung findet.
Der Autor Dr. Nikolaos Paschos ist Partner bei Linklaters LLP am Standort Düsseldorf. Der Autor Lars Maritzen ist Rechtsreferendar am Landgericht Duisburg und ehemaliger Mitarbeiter von Linklaters LLP in Düsseldorf.
Lars Maritzen, LL.B MLE, Squeeze-Out: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1881 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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