Ein symbolkräftiges Zeichen des ukrainischen Widerstandes beschäftigt derzeit das EuG: Kann der Slogan "Russian warship, go f**k yourself" als Marke geschützt werden? Weshalb das kompliziert ist, schildern Robert Taeger und Nico Kuhlmann.
Am ersten Tag des Krieges versuchten russische Kräfte, eine kleine ukrainische Insel im Schwarzen Meer einzunehmen. Die Schlangeninsel ist ein nur etwa 20 Fußballfelder großer karger Fels vor der südukrainischen Küste, jedoch geopolitisch und strategisch bedeutsam und daher von einigen ukrainischen Grenzsoldaten bewacht.
Die russische Militäraktion auf die Schlangeninsel wurde mit einem eindeutigen Widerstandswillen der ukrainischen Soldaten beantwortet, der insbesondere in einem prägnanten Funkspruch seinen Ausdruck fand. Als die Besatzung des Flaggschiffes der russischen Schwarzmeerflotte die ukrainischen Soldaten dazu aufforderte, die Waffen niederzulegen, antworteten diese mit den mittlerweile ikonischen Worten sinngemäß: "Russian warship, go fuck yourself". Die russischen Kräfte überzogen die Insel daraufhin mit einem Bombenteppich.
Sonderbriefmarke zeigt ukrainischen Heldenmut
Berichte über die Geschehnisse verbreiteten sich schnell und der Funkspruch avancierte nicht nur in der Ukraine zum geflügelten Wort. Eine willkommene Geschichte: Tapfere Soldaten auf verlorenem Posten, die sich nicht ergeben und dem Aggressor den verbalen Mittelfinger zeigen. Russland möge militärisch überlegen sein, aber das heißt nicht, dass die Ukraine auch nur einen Zentimeter kampflos aufgeben wird.
Zwischenzeitlich wurde die Szene auch auf einer von der ukrainischen Postbehörde ausgestellten Sonderbriefmarke verewigt, mit der Gelder zur finanziellen Unterstützung des Widerstandes gesammelt werden sollten. Berichten zufolge bildeten sich vor den ukrainischen Postfilialen lange Schlangen.
Der Funkspruch gelangte zu internationaler Bekanntheit; Ein Umstand, der aus Sicht der Ukraine nicht ausschließlich positiv ist. Zwar wird er von Unterstützern weltweit auf Plakaten als Zeichen der Solidaritätsbekundung verwendet. Gleichzeitig findet er sich jedoch auch als Slogan auf Memes und auf T-Shirts. Für Kleidung und Getränke wurde der Spruch in den USA und in Litauen sogar durch Markenanmeldungen von Unternehmen zu monopolisieren versucht. Eine Kapitalisierung des Widerstandszeichens durch Dritte ganz zum Missfallen der Ukraine.
Markenschutz, Krieg und die Vulgarität des Lebens
Im März 2022 – also nur wenige Tage nach dem Angriff auf die Schlangeninsel – wurde auch beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsbildmarke des in russischer und englischer Sprache gehaltenen Slogans "RUSSIAN WARSHIP, GO F**K YOURSELF" (EUTM 18672791) angemeldet. Der Anmelder war hier allerdings der Soldat von der Schlangeninsel, der diese Worte zurückgefunkt hatte und der trotz ursprünglicher gegenteiliger Berichte das Bombardement überlebte. Geschützt werden sollten hauptsächlich typische Merchandising-Artikel: Schlüsselanhänger, Taschen, Spielzeug und Klamotten.
Das Amt äußerte jedoch aufgrund eines vermeintlichen Verstoßes gegen die guten Sitten Bedenken gegen die Schutzfähigkeit der Anmeldung. Die Anmeldung wurde in der Zwischenzeit auf die Verwaltung des staatlichen Grenzschutzdienstes der Ukraine übertragen, die gegenüber dem Amt argumentierte, dass der Slogan von "bösgläubigen Kriegsprofiteuren" verwendet werde und dass der Ukraine dadurch das Fundraising erschwert werde.
Auf diversen Online-Plattformen gebe es schließlich bereits zahlreiche Produkte mit dem Slogan, was die Attraktivität des Ausdrucks belege. Statt eines Sittenverstoßes und einer Verbraucherverunsicherung stehe er für Mut und Tapferkeit. Absurd sei das Argument des Verstoßes dieser Anmeldung gegen die guten Sitten aus Sicht der Anmelderin auch deshalb, weil das EU-Markenamt die durch eine russische Privatperson im Jahr 2022 unter anderem für (Kriegs-)Waffen angemeldete Marke "Mother Russia" (EUTM 18620962) beanstandungslos akzeptiert hatte.
Beeindrucken ließ sich das Amt von all dem jedoch nicht. Mit Entscheidung aus Dezember 2022 wies das EUIPO die Anmeldung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten zurück (Art. 7 Abs. 1 lit. f Unionsmarkenverordnung). Das Zeichen sei beleidigend, verwende vulgäre Sprache und habe eine sexuelle Konnotation. Allein das Wort "Fuck" sei ausreichend, um die Anmeldung als vulgär einzustufen – losgelöst von "der weit verbreiteten Verwendung dieses Wortes in verschiedenen Segmenten der Gesellschaft".
"Fuck" beim EUIPO traditionell unbeliebt
Diese Begründung hat beim EUIPO Tradition. In jüngster Vergangenheit wies das EUIPO Anmeldungen wie "FUCK ME SILLY", "FUCKSUGAR", "IRON FUCK", und "Fucking awesome" erstinstanzlich konsequent zurück. Die Schutzunfähigkeit der zuletzt genannten wurde schließlich vom Gericht der Europäischen Union (EuG) bestätigt. Wenngleich das EuG feststellte, dass die Schutzfähigkeit nicht an der Vulgarität des Ausdruckes, sondern dessen fehlender Unterscheidungskraft scheiterte. Auch die Markenanmeldung für "Fack Ju Göhte" wurde übrigens zunächst vom Amt zurückgewiesen, später aber vom EuGH durchgewunken.
Die Praxis zeigt, dass der (abgewandelte) Wortbestandteil "Fuck" nicht zwangsläufig zur Schutzunfähigkeit führt. Auch in anderen Ländern hadert man mit diesem Wort. Mit einem 6:3-Votum entschied der US Supreme Court 2019 im Fall "FUCT", dass das US-Markenamt nicht in das First Amendment Right to Free Speech eingreifen dürfe, indem es eine lediglich für Teile der Gesellschaft möglicherweise anstößige Marke zurückweise.
Laut Amt bezwecke die Anmeldung außerdem lediglich finanzielle Gewinne aus der Tragödie des russischen Einmarsches in die Ukraine. Beanspruchung von Markenschutz für Spielzeug und Schmuck sei überdies eine nicht schutzwürdige Banalisierung der russischen Invasion.
EUIPO ändert Argumentation
Wenig überraschend fand sich der ukrainische Grenzschutz nicht mit der Zurückweisung der Anmeldung ab und legte gegen die Ablehnung Beschwerde ein.
Überraschenderweise änderte das EUIPO jedoch im Beschwerdeverfahren die Argumentation. Da es der Anmeldemarke bereits an der Unterscheidungskraft fehle und das Vorliegen eines Schutzhindernisses ausreiche, ging die Beschwerdekammer des EUIPO nicht näher auf die Sittenwidrigkeit ein. Mit Entscheidung vom 1. Dezember 2023 wies sie die Beschwerde zurück. Ein Zeichen, das sehr intensiv in einem nicht handelsbezogenen sondern politischen oder historischen Kontext verwendet wird, werde zwangsläufig mit diesem Kontext in Verbindung gebracht und besitze von sich aus keine Unterscheidungskraft.
Der Slogan sei ein Symbol des ukrainischen Freiheitskampfes gegen die russische Besatzung, der in der ganzen Welt aufgegriffen wurde, um etwa bei Protesten die Unterstützung der Ukraine zu demonstrieren. Er werde mit einem Soldaten, der ukrainischen Armee und dem Land der Ukraine assoziiert, sei jedoch kein betrieblicher Herkunftshinweis. Vielmehr werde der Slogan nur mit einem "traurigen historischen Moment und dem heldenhaften Kampf eines Landes gegen einen - völkerrechtlich gesehen - illegalen Angriff in Verbindung gebracht". "Russian warship, go fuck yourself" sei schlicht kein Hinweis auf den kommerziellen Ursprung bestimmter Waren oder Dienstleistungen – und nur auf diese Hauptfunktion der Marke komme es zur Begründung ihrer Schutzwürdigkeit an.
Ähnlich argumentierte das Amt auch bereits zuvor in ähnlich gelagerten Fällen. So wies die Große Beschwerdekammer des EUIPO beispielsweise auch bereits die Markenanmeldung "BREXIT" zurück, da diese ausschließlich mit dem gleichnamigen zeitgeschichtlichen Ereignis assoziiert werde und der Verkehr kein konkretes Unternehmen dahinter vermute. Ähnlich erging es den Anmeldungen "Black lives matter" und "Slava Ukraini Vodka".
Erfolgsaussichten der Klage eher gering
Der Streit um den Markenschutz des Slogans ist noch nicht vorbei. Der ukrainische Grenzschutz erhob inzwischen Klage gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer vor dem EuG (Rechtssache T-82/24). Ein Blick auf die Entscheidungspraxis der Unionsgerichte lässt jedoch vermuten, dass die Ukraine jedenfalls bei diesem Widerstand schlechte Karten hat.
Während gewisse Erfolgsaussichten gegen eine ausschließlich auf Sittenwidrigkeit gestützte Zurückweisung bestanden hätten, ist nicht davon auszugehen, dass es der Anmelderin gelingt, das Gericht von einer Unterscheidungskraft des Zeichens zu überzeugen. Bereits die von der Anmelderin bislang vorgebrachten Argumente scheinen hierfür wenig hilfreich. Schließlich machte sie zwecks Widerlegung der Sittenwidrigkeit selbst geltend, dass das Zeichen weltweit bei Protesten als Zeichen der Solidarität benutzt werde.
Dass der Verkehr das Zeichen für die beanspruchten Waren einem bestimmten Unternehmen zuordnet, erscheint vor diesem Hintergrund tatsächlich eher unwahrscheinlich. Vielmehr wird der Verkehr darin – wie von der Beschwerdekammer angenommen – eine abstrakte Referenz auf ein geschichtlich-politisches Ereignis erkennen.
Die Autoren arbeiten bei Hogan Lovells International LLP in der Praxisgruppe Intellectual Property, Media & Technology in Hamburg. Robert Taeger, LL.M. (Alicante) promotionsbegleitend als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Nico Kuhlmann als Senior Associate.
"Russian warship, go fuck yourself": . In: Legal Tribune Online, 19.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54369 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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