Die SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig geht juristisch gegen den CDU-Vorsitzenden Hamburgs Christoph Ploß vor. Es geht um vermeintliche Aussagen zu Nord Stream 2. Wie schätzen Medienrechtler Schwesigs Erfolgsaussichten ein?
In der ZDF Talkshow "Lanz" vom 8. Februar hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß kritisiert, dass SPD-Politiker die Gasleitung Nord Stream 2 trotz des russischen Truppenaufmarschs und möglicher Invasion in der Ukraine nicht infrage stellen würden. Über die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig sagte er: "Und dann haben Sie weitere Personen in der SPD-Spitze wie Manuela Schwesig, die klar sagt, also diese Völkerrechtsverletzungen, die interessieren mich nicht. Hauptsache, die Pipeline kommt in Betrieb. Sie hat das ziemlich deutlich gesagt."
Manuela Schwesig schaltete daraufhin auf Staatskosten Anwälte ein. Die forderten in einer Abmahnung den Hamburger CDU-Vorsitzenden unter Androhung gerichtlicher Schritte zur Unterlassung der Äußerung auf. Ein ungewöhnlicher Schritt im politischen Meinungskampf. In der Abmahnung der Kanzlei Nesselhauf vom 11. Februar, die LTO vorliegt, wird der Unterlassungsanspruch vom RA Michael Nesselhauf mit genau einem Satz begründet. Ploß wird mitgeteilt: "Ihre Behauptung ist unwahr, sie [Schwesig; Anm. d. Red.] hat nichts Derartiges gesagt."
Ploß will Unterlassungserklärung nicht abgegeben
Gegenüber LTO äußerte Ploß, er werde sich von dem "juristischen Einschüchterungsversuch nicht davon abhalten lassen, weiterhin auf das Haltungsproblem der SPD in Sachen Russland hinzuweisen". Statt juristisch auf Kritiker loszugehen, sollten Schwesig und die SPD endlich klarmachen, dass es im Fall eines russischen Einmarschs in die Ukraine keine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 geben könne. Er lasse es auf Gerichtsverfahren ankommen, in dem er anwaltlich von Dr. Patrica Cronemeyer (Blueport Legal) vertreten werde.
Im nun wahrscheinlichen Rechtsstreit wird es unter anderem um die Frage gehen, ob Zuschauer:innen die Aussage von Ploß so verstehen, dass er Manuela Schwesig ein entsprechendes Zitat unterstellt oder die Zuschauer:innen seine Aussage nur als Bewertung der Haltung von Frau Schwesig verstehen. Im ersteren Fall gelten im Äußerungsrecht die strengen Maßstäbe des Zitatschutzes. Frau Schwesig müsste die Aussage, ihr seien "Völkerrechtsverletzungen egal, Hauptsache die Pipeline kommt", zumindest sinngemäß unzweideutig getroffen haben. Sollte ein Gericht hingegen von einer bloßen Bewertung der Haltung von Frau Schwesig und nicht von der Wiedergabe eines vermeintlichen Zitats ausgehen, gelten die Grundsätze der Meinungsfreiheit. Sofern irgendein tatsächlicher Anknüpfungspunkt für die Meinung besteht, ist diese grundsätzlich zulässig.
Rechtsanwalt Conrad: Offensichtlich zulässige Meinungsäußerung
LTO hat Presse- und Medienanwälte um Ihre Einschätzung zu den Erfolgsaussichten Schwesigs gebeten. Rechtsanwalt Dr. Christian Conrad (Höcker Rechtsanwälte) hält die Aussage von Ploß für offensichtlich zulässig. Niemand würde diese dahingehend verstehen, dass er Schwesig wörtlich zitiere. Kern der Aussage von Ploß sei, dass Schwesig NordStream2 auf jeden Fall haben wolle und selbst der drohende Einmarsch von Russland sie hiervon nicht abbringe. Dies sei eine politische Wertung, die auf Tatsachen basiere.
Conrad verweist auf einen NDR-Bericht, in dem Schwesig mit der Äußerung zitiert wird, sie halte "ohne Einschränkungen an Nord Stream 2 fest, da die Pipeline dringend gebraucht werde". Auf Nachfrage von LTO bestreitet indes der Regierungssprecher von Mecklenburg-Vorpommern, Andreas Timm, dass sich Schwesig so geäußert habe.
Rechtsanwalt Gorski: Falschzitat liegt vor
Dass man die Aussage von Ploß mit Blick auf den Kontext auch anders sehen kann, zeigt die Analyse von Rechtsanwalt Dr. Sebastian Gorski (von Have Fey Rechtsanwälte). Er verweist darauf, dass Ploß seine Aussage nicht nur mit den Worten einleite, "Schwesig, die klar sagt…", sondern auch mit den Worten abschließe. "Sie hat das ziemlich klar gesagt." Ploß’ Aussage sei entsprechend nicht anders als dahin zu verstehen, dass er für sich in Anspruch nimmt, eine solche Aussage von Schwesig zwar nicht wörtlich, aber ihrem Sinngehalt nach zutreffend wiederzugeben.
Bei der Frage, ob ein Falschzitat vorliegt, komme es, so Gorski, nur noch darauf an, ob Frau Schwesig sich so geäußert hat. Schwesig bestreitet das. Gorski betont zudem, dass selbst wenn Schwesig eine Äußerung getätigt hätte, die man so wie Ploß interpretieren könne, Ploß nach der Rechtsprechung des BGH "jedenfalls verpflichtet gewesen wäre, die vermeintliche Wiedergabe der Aussage von Schwesig als seine Interpretation kenntlich zu machen, was nicht erfolgt ist." Somit stellt sich die Aussage von Ploß für Gorski klar als Falschzitat und damit als eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Schwesig dar. Denn auch die potenzielle Einstufung der Aussage als Teil des politischen Meinungskampfes ermögliche kein Recht zu unwahren Behauptungen über den politischen Gegner.
Rechtsanwalt Brost: Ploß muss wahren Tatsachenkern nachweisen
Ebenso erkennt auch Rechtsanwalt Dr. Lucas Brost (Brost Claßen Rechtsanwälte) keine reine Meinungsäußerung in der Aussage von Ploß. "Sie beinhaltet einen Tatsachenkern, wonach Schwesig sich über die Völkerrechtsverletzungen zumindest beschwichtigend geäußert hat, was durch das Wort 'klar' hervorgehoben wird ('die klar sagt')." Dies müsse Ploß belegen. Wenn er dies nachweisen kann, dürfte die Aussage auch in dieser scharfen, pointierten Form zulässig sein."
Ob Manuela Schwesig der anwaltlichen Drohung entsprechend tatsächlich gerichtliche Schritte einleitet, ist noch nicht bekannt. Regierungssprecher Andreas Timm konnte darüber gegenüber LTO noch keine Angaben machen.
Schwesig vs. Ploß zu Nord-Stream-2-Aussage bei "Lanz": . In: Legal Tribune Online, 16.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47559 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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