Der Dauerniedrigzins führt dazu, dass Pensionskassen ihre Versorgungszusagen nicht halten können. Arbeitgeber müssen notfalls einspringen, doch nur, wenn sie das leisten können. Alles weitere erklärt Tobias Neufeld.
Arbeitgeber, die über Pensionskassen die betriebliche Altersversorgung (bAV) Ihrer Mitarbeiter durchführen, haben sich subjektiv für den sorglosen Durchführungsweg entschieden. Sie zahlen regelmäßige Beiträge an die Pensionskasse, diese legt das Geld an, administriert die bAV und zahlt im Versorgungsfall die vom Arbeitgeber versprochenen Leistungen an die Mitarbeiter aus. "Pay & Forget" (bezahle und vergiss), so wurde es dem Arbeitgeber von Maklern, Beratern und Experten häufig versprochen.
Für die großen, deregulierten Pensionskassen im Markt trifft das insgesamt auch noch zu. Regulierte Pensionskassen hingegen sind in der wirtschaftlichen Krise. Zahlreiche dieser Kassen können aufgrund der andauernden Niedrigzinsphase die von ihnen einst versprochenen Garantiezinsen nun nicht mehr erwirtschaften und zehren ihre Substanz auf. Als Reaktion müssen Pensionsleistungen gekürzt oder Kapital nachgeschossen werden. Was können Arbeitgeber in dieser Situation tun?
Millionen Fehlbetrag bei der Deutsche Steuerberater-Pensionskasse
Betroffen ist seit diesem Jahr auch die Deutsche Steuerberater-Versicherung aus Bonn, seit 1967 die Pensionskasse für die steuerberatenden Berufe in der Rechtsform eines Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG), in der ca. 8.000 versicherte Personen aus dem Kreis der steuerberatenden Berufe Rentenversicherungsverträge abgeschlossen haben. Im Juni 2019 teilte die Kasse die Nichtbedeckung der Mindestkapitalanforderung sowie den Verbrauch sämtlicher Eigenmittel und den erwarteten Fehlbetrag zum Bilanzstichtag Ende 2018 mit. Der nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag betrage 158 Millionen Euro.
Am 13. September 2019 dann der nächste Schock: Die Pensionskasse teilt mit, fällige Zinszahlungen an die Gläubiger von ihr begebener nachrangiger Schuldverschreibungen nicht zu leisten. Und was ist mit den durch die Kasse versorgten Mitarbeitern und Rentnern? Hier stellt die Deutsche Steuerberater-Versicherung Leistungskürzungen und/oder Beitragsnachforderungen in Aussicht, um sich zu sanieren. Selbst laufende Renten sollen betroffen sein. Ende 2019 soll ein Sanierungskonzept vorliegen. Ein Horrorszenario für alle Beteiligten.
Versprochen ist (nicht) versprochen
Regulierte Pensionskassen in der Rechtsform des VVaG haben tatsächlich in ihren Satzungen eine Sanierungsklausel gemäß § 233 Abs. 1 Nr. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) vorzusehen, auf deren Grundlage zugesagte Versicherungsansprüche gekürzt werden können. Betroffen ist hier aber nur das direkte Leistungsverhältnis bzw. die vertragliche Beziehung zwischen Arbeitgeber (soweit Trägerunternehmen der Kasse) und Pensionskasse. Das Betriebsrentenversprechen des Arbeitgebers an seine Mitarbeiter bleibt von der Sanierung unberührt.
Das war nicht immer klar, denn regelmäßig verweisen die Betriebsrentenversprechen dynamisch auf die Bedingungen und die Satzung der Pensionskasse und somit auch auf deren Sanierungsklausel. Das gibt aber das dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) inhärente Garantieprinzip nicht her und entsprechend hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits im Jahre 2012 dem Argument einer leistungsreduzierenden Dynamik der Pensionskassenzusage eine Absage erteilt (vgl. BAG Urt. v. 19.06.2012, Az. 3 AZR 408/10 u. BAG Urt. v. 15.03.2016 Az. 3 AZR 827/14).
Die in der Satzung einer Pensionskasse vorgesehene Möglichkeit der Leistungskürzung ist nach Auffassung des BAG nicht Bestandteil der dem Mitarbeiter erteilten Versorgungszusage, sondern regele nur, ob und in welchem Umfang die Pensionskasse gegenüber dem Arbeitgeber zu einer Abweichung von den mit diesem ursprünglich getroffenen Abreden zur Versorgung seiner Mitarbeiter befugt ist. Der Arbeitgeber kann sich damit von seiner Einstandspflicht für die ursprünglich zugesagte Leistung nicht durch vertragliche Abreden zu Lasten der Arbeitnehmer befreien (BAG 19.6.2012 – 3 AZR 408/10).
Arbeitgeber bleibt auf dem Schaden sitzen
Führt der Arbeitgeber die Altersversorgung nicht selbst als Direktzusage durch (und haftet dann auch selbst vollumfänglich für die versprochenen Leistungen), sondern über externe Versorgungsträger wie Pensionskassen, sieht § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG eine Subsidiärhaftung bzw. Einstandspflicht des Arbeitgebers vor. Der Arbeitgeber steht danach für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn, sondern über einen externen Versorgungsträger erfolgt.
Diese Einstandspflicht stellt sicher, dass bei Schwierigkeiten im Durchführungsweg gleichwohl der Versorgungszusage entsprechende Leistungen erbracht werden, stellte das BAG in seiner Entscheidung von Juni 2012 klar. Dem Arbeitnehmer stehe deshalb ein Verschaffungsanspruch aus dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis gegen den Arbeitgeber zu (BAG Urt. v. 18.9.2001, Az. 3 AZR 689/00).
Diesen Anspruch kann bzw. muss der Arbeitgeber auf drei Wegen erfüllen: Nachdotierung oder Zusatzbeiträge an die Kasse oder direkte Zahlung des Leistungsdeltas an den Mitarbeiter im Versorgungsfall. Wenn die Pensionskasse die versprochenen Leistungen rechtlich nicht mehr leisten muss, etwa nach Leistungsreduzierung aufgrund der Sanierungsklausel, dann muss der Arbeitgeber in Höhe des Fehlbetrages seine Einstandspflicht zudem bilanzieren als wäre es eine unmittelbare Versorgungszusage.
Arbeitgeber müssen betriebliche Renten überprüfen
Für die Arbeitgeber bedeutet das nun, die Pflicht aktiv zu werden, das gebietet bereits die HR Compliance. Die Auswahl und ständige Überprüfung der gewählten Pensionskasse insbesondere auf ihre wirtschaftliche Situation erfordern die unmittelbare und ständige Aufmerksamkeit des Arbeitgebers und einen konkreten, im Unternehmen hinterlegten Überprüfungsprozess als Workflow. Das gilt auch bei der Übernahme von Pensionskassenzusagen einzelner Mitarbeiter oder größerer Mitarbeitergruppen, zum Beispiel im Rahmen von Akquisitionen oder Betriebsübergängen.
Blindes Vertrauen auf eine lückenlose Beitragshistorie gehört der Vergangenheit an. Es bedarf einer professionellen bAV Due Diligence oder jedenfalls eines bAV Quickchecks, um Risiken zu erkennen. Gibt es ein Pensionskassenrisiko bei einem neuen Mitarbeiter, muss der Arbeitgeber die Portabilität der Pensionskassenzusage ablehnen und den Mitarbeiter auf das eigene, sichere Versorgungswerk verweisen. Im Rahmen von Entgeltumwandlungszusagen bedarf dies einiger Vorbereitung, um Ansprüche neuer Mitarbeiter gemäß § 1a Abs. 1 und Abs. 3 BetrAVG abwehren zu können.
Ist der Arbeitgeber Träger- oder Mitgliedsunternehmen einer Pensionskasse, muss er bestehende Auskunfts- und Teilhaberechte regelmäßig nutzen und zwar nicht erst bei den jährlichen Mitgliederversammlungen der Kasse. Geschäftsberichte und weitere Unterlagen müssen angefordert und analysiert werden. Auch die Verträge mit der Pensionskasse, z.B. die Beteiligungsvereinbarung müssen Arbeitgeber einer sofortigen Prüfung unterziehen. Was ist dort geschuldet? Kann die Pensionskasse eine Nachdotierung einfordern? Muss ich zusätzliche Beiträge leisten?
Womöglich Ende mit Schrecken einleiten
Statt zusätzlicher Beiträge an die Pensionskasse als Lösung sollten Arbeitgeber eine Beendigung der Versorgung über ihre kriselnde Pensionskassenversorgung und deren Ersetzung durch ein neues System prüfen. Eine neue Versorgung kann ebenfalls über eine Pensionskasse organisiert werden oder als Direktzusage des Arbeitgebers.
Dazu muss der Arbeitgeber drei Dinge prüfen: 1. Kann die Mitgliedschaft oder Beteiligung an der kriselnden Pensionskasse gekündigt werden und mit welchen (finanziellen) Auswirkungen? 2. Kann die betriebliche Versorgungsordnung mit Wirkung gegenüber den Mitarbeitern geändert werden. 3. Kann eine (wirtschaftlich) sinnvolle Altersversorgung für die Zukunft gefunden werden?
Eine Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Pensionskasse ist in der Regel möglich. Die Versorgungsordnung gegenüber den Mitarbeitern kann aber nur mit den begrenzten Mitteln des BetrAVG werden, denn hier gilt als Grundsatz: "Versprochen ist versprochen!". Bei einzelvertraglichen Pensionszusagen bedarf es der Zustimmung eines jeden Mitarbeiters, um die Änderung einheitlich umzusetzen. Das klappt selten.
Einfacher ist es bei kollektiv geprägten Pensionsversprechen wie Gesamtzusagen, vertraglichen Einheitsregelungen, bei Ansprüchen aus betrieblicher Übung sowie Betriebsvereinbarungen. Diese können durch eine neue Betriebsvereinbarung abgelöst und damit geändert werden. Allerdings muss die neue Versorgung in diesem Fall mindestens gleichwertig sein. Nur ausnahmsweise sind nach der Drei-Stufen-Theorie des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Verschlechterungen rechtlich gestattet. Die Krise der Pensionskasse ist keine ausreichende Rechtfertigung, wenn den Arbeitgeber nicht selbst eine wirtschaftliche vergleichbare Krise trifft.
Der Autor Tobias Neufeld, LL.M. ist Rechtsanwalt, Solicitor (England & Wales), Fachanwalt für Arbeitsrecht, Datenschutzspezialist (CIPP/E, CIPM) und Gründer von neufeld Recht. Beratung. in Düs-seldorf, einer Spezialkanzlei für den Bereich Human Resources. Er berät nationale und internationale Unternehmen an den Schnittstellen von Arbeitsrecht, Benefits und Datenschutzrecht.
Pensionskassen in der Krise: . In: Legal Tribune Online, 02.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37899 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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