Demonstranten dürfen Polizisten filmen. Allerdings müssen sie dann damit rechnen, sich ausweisen zu müssen. Die Bilder dürfen nämlich nicht ohne Einwilligung veröffentlicht werden. Das stellte das OVG Lüneburg vergangene Woche auf die Klage eines Demonstranten fest. Zu Recht, meint Klaus Weber, besonders gravierend sei der Eingriff im Übrigen nicht.
Es gehört mittlerweile zum Standard, dass Polizisten eine Demonstration filmen – ob sich die Teilnehmer friedlich verhalten oder gewalttätig, macht keinen Unterschied. Demonstranten gehen deshalb zum Gegenangriff über. Sie fordern nicht nur, dass Polizisten im Einsatz Namensschilder tragen, sondern greifen selbst zu Fotoapparat und Videokamera.
"BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz", stand auch auf den Buttons, die die Demonstranten in Göttingen an ihre Jacken geheftet hatten, und zumindest manche von ihnen erweckten wohl den Anschein, die umstehenden Polizisten zu filmen. Das führte dazu, dass es am Ende die Demonstranten – und nicht die Beamten – waren, die ihre Namen offenlegen mussten. Und zwar zu Recht, wie nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg auf die Klage eines Demonstranten hin feststellte. Wer Polizisten fotografiert, muss seine Identität preisgeben (Beschl. v. 19.06.2013, Az. 11 LA 1/13).
Kein gravierender Eingriff
Eine Identitätsfeststellung ist eine Maßnahme der Gefahrerforschung, die Polizeigesetze der Länder regeln die Voraussetzungen, unter denen sie zulässig ist. Ohne Grund muss niemand der Polizei seinen Namen nennen. Anders als häufig angenommen, ist man auch nicht dazu verpflichtet seinen Personalausweis bei sich zu führen.
Die an einem Geschehen beteiligten Personen namhaft zu machen, soll der Polizei helfen, eine potentielle Gefahr weiter aufzuklären und festzustellen, ob jemand ein Störer ist, also für die Gefahr verantwortlich ist. Die Identitätsfeststellung ist dabei nur Mittel zum Zweck – sie ist Voraussetzung dafür, dass die Polizei nachfolgende Maßnahmen gegenüber der richtigen Person trifft.
Der Eingriff in die Rechte der Betroffenen ist dabei nicht gravierend, auch im alltäglichen Leben muss man sich immer wieder ausweisen, wenngleich nicht unbedingt gegenüber der Polizei. Es braucht daher keine besonderen Voraussetzungen, um die Polizei zu einem solchen Eingriff zu ermächtigen – die Einschreitschwelle kann der Gesetzgeber niedrig ansetzen.
Keine Vorverurteilung der Bürgerrechtsgruppe
Zwar hatte der Kläger bestritten, selbst Aufnahmen von den Polizisten gemacht zu haben. Seine Begleiterin, mit der er als "Beobachtungsteam" aufgetreten war, hatte aber zumindest den Anschein erweckt, die Polizisten zu filmen. Dieses Verhalten war dem Kläger zuzurechnen, wie das OVG zu Recht entschied.
Polizeiliche Einsätze zu filmen und zu fotografieren, ist grundsätzlich zulässig. Nach §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) i.V.m. § 33 KUG macht man sich erst dann strafbar, wenn man Bilder ohne Einwilligung der Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.
Dass der Kläger gegenüber den Polizisten erklärt haben will, die Aufnahmen nicht zu veröffentlichen, ändert nichts daran, dass die Beamten einen Gefahrenverdacht annehmen durften. Sie sahen sich mit einer ihnen unbekannten Person konfrontiert, die den Eindruck erweckte, aus unmittelbarer Nähe Aufnahmen von ihnen zu machen. Der Kläger und seine Begleiterin hatten angegeben, für die Interessengemeinschaft "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" tätig zu sein, und die Aufnahmen dort verwenden zu wollen. Die Polizisten durften deshalb davon ausgehen, dass durchaus die Gefahr bestand, dass die Nahaufnahmen von ihnen veröffentlicht werden – im Internet oder zumindest innerhalb der Gruppe.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Polizisten die Personalien des Klägers feststellten, um weitere Maßnahmen ergreifen oder einen möglichen späteren Rechtsverstoß verfolgen zu können. Die Maßnahme ist auch nicht, wie der Kläger meint, mit einer Vorverurteilung der Bürgerrechtsgruppe gleichzusetzen. Es ging auch nicht um die Sicherstellung von Foto- und Filmmaterial oder gar ein Fotografier- und Filmverbot, sondern nur um eine Identitätsfeststellung.
Der Autor Klaus Weber hat zahlreiche Beiträge zum Versammlungsrecht in Fachzeitschriften veröffentlicht und 2010 das Werk "Sächsisches Versammlungsrecht" verfasst.
Klaus Weber, Aufnahmen von Polizisten bei Demo: . In: Legal Tribune Online, 25.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9007 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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