OLG Schleswig-Holstein zum TTDSG: Sch­nel­lere Aus­kunft von Ins­ta­gram & Co.?

Gastbeitrag von Dr. Martin Gerecke

19.04.2022

Früher hat es oft lange gedauert, bis das Opfer eines Instagram-Hacks von der Plattform Auskunft über den Täter bekam. Martin Gerecke analysiert anhand eines OLG-Urteils, ob das mit dem neuen § 21 TTDSG nun schneller klappt.  

Betroffene von Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Netz stehen seit Jahren vor Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung. Grund hierfür war ein schwerfälliges, mehrstufiges Auskunftsverfahren nach dem Telemediengesetz (TMG). Nun hat mit dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (OLG) erstmals ein Gericht einen Auskunftsanspruch unter dem neu eingeführten § 21 TTDSG gegen das soziale Netzwerk Instagram bejaht. Beschleunigt die Norm nun den Rechtsschutz? 

Instagram-Hack einer Minderjährigen 

In dem vom OLG entschiedenen Fall hatte ein unbekannter Täter ein Fake-Profil einer minderjährigen Nutzerin auf Instagram mit dem Nutzernamen „X_wurde_gehackt“ veröffentlicht. In einem mit „Nudes“ bezeichneten Ordner stellte der Täter Fotos ein, die eine lediglich mit Unterwäsche bekleidete junge Frau zeigten, deren Gesicht jeweils von einem Smartphone verdeckt war. Auf den Fotos fanden sich auch despektierliche Äußerungen, die eine Einladung der Abgebildeten zu sexuellen Handlungen darstellten. Nachdem die junge Frau das Profil bei Instagram anzeigte, löschte die Plattform das Profil. Da die Frau zusätzlich noch gegen den Ersteller des Accounts vorgehen wollte, begehrte sie Auskunft über die Bestands- und Nutzungsdaten des Täters, das heißt unter anderem über seinen Namen, seine E-Mail-Adresse und seine IP-Adresse. 

Schaffung des Accounts und Veröffentlichung der Fotos war Beleidigung 

Das OLG Schleswig gab dem Anspruch statt - allerdings begrenzt auf die Bestandsdaten.  
 
Das OLG stützte sich dabei auf den am 1. Dezember 2021 neu eingeführten § 21 TTDSG. Diese Norm verpflichtet Anbieter von Telemedien, Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte erforderlich ist. 
 
Durch den Inhalt des Nutzeraccounts „X_wurde_gehackt“ würden absolut geschützte Rechte der antragstellenden Frau rechtswidrig verletzt, so das OLG. Dies erfordere allerdings eine strafrechtlich relevante Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Frau, weil § 21 TTDSG auf § 1 Abs. 3 NetzDG verweise, der auf Straftatbestände Bezug nehme.  
 
Im konkreten Fall erfülle die Schaffung eines Fake-Accounts und das Einstellen von Fotos mit Kommentaren, die den Eindruck hervorriefen, die Antragstellerin sei an sexuellen Kontakten interessiert, den Tatbestand der Beleidigung im Sinne des § 185 StGB. Durch den Zusatz „X_wurde_gehackt“ suggeriere der Täter, das Nutzerprofil der Antragstellerin sei dem Zugriff fremder Dritter ausgesetzt gewesen, die dort entsprechende Fotos gefunden und nun veröffentlicht hätten, so das OLG.  
 
Auf diese Weise stelle es der Täter so dar, als wolle die Frau sich zur Schau stellen und den Besuchern der Seite ihr sexuelles Interesse mitteilen. Darin liege eine Beleidigung, die umso schwerer wiege, weil die Frau noch minderjährig sei und einen stärkeren Schutz als Erwachsene in ihrer Persönlichkeitsentwicklung bedürfe. Sie werde durch die Fotos verächtlich gemacht und ihr sozialer Geltungswert gemindert. 

War die Frau überhaupt erkennbar? 

Allerdings blieb im Prozess bis zuletzt unklar, ob die antragstellende Frau tatsächlich auf den Fotos abgebildet war – schließlich war ihr Kopf von einem Handy verdeckt. Die Frau hatte behauptet, die Fotos zeigten ihren Kopf auf einem anderen Körper. Ihr (verdecktes) Gesicht sei von ihren ehemaligen Mitschülern erkannt worden. Dazu legte sie Chatprotokolle vor, aus denen hervorging, dass die Mitschüler den Account gefunden und ihr zugeordnet hätten und dass dies Gesprächsthema unter den Mitschülern war.  
 
Dem OLG genügte das zur Erkennbarkeit der Frau als Betroffene der Beleidigung. Eine Erkennbarkeit setze nämlich nicht die vollständige oder auch nur abgekürzte Namensnennung voraus. Es sei ausreichend, wenn Betroffene begründeten Anlass hätten anzunehmen, sie könnten innerhalb eines mehr oder minder großen Bekanntenkreises erkannt werden. Hier sei die Antragstellerin nicht nur erkennbar gewesen, sie wurde auch tatsächlich „erkannt“. Das tatsächliche (auch falsche) „Erkanntwerden“ stelle gegenüber einer bloßen Erkennbarkeit einen deutlich stärkeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen dar. 

Auskunft umfasst nicht die IP-Adressen des Täters 

Das OLG beschränkte die Auskunft jedoch auf die bei Instagram vorhandenen Bestandsdaten, das heißt Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Täters. Seine Nutzungsdaten, die IP-Adressen, seien nicht vom Anspruch umfasst. § 21 TTDSG spreche ausdrücklich von Bestandsdaten, die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG als personenbezogene Daten, deren Verarbeitung zum Zweck der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anbieter von Telemedien und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien legaldefiniert seien. Dazu zählten nicht die beim Zugriff auf den Account genutzten IP-Adressen. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor, denn das Auskunftsverfahren in Bezug auf Nutzungsdaten sei in § 24 TTDSG geregelt.  
 
Hier bleibt dem Betroffenen nur die Strafanzeige, die aber häufig ins Leere läuft. 

Beschleunigt § 21 TTDSG den Rechtsschutz? 

Auskunftspflichten gegenüber Social-Media Netzwerken sind ein wesentlicher Baustein effektiver Rechtsdurchsetzung gegen Hate Speech und Straftaten im Internet. Die Frage, ob Verletzte Anspruch auf Herausgabe von Bestandsdaten des Täters haben, musste vor dem neuen § 21 TTDSG in einem schwerfälligen zweistufigen Verfahren des § 14 Abs. 2-5 a.F. TMG (Fassung vor Juni 2021) geklärt werden, das unterschiedliche Verfahrensordnungen und häufig unterschiedliche Gerichte betraf.  
 
Danach bedurfte die Erteilung der Auskunft einer vorherigen gerichtlichen Entscheidung im Gestattungsverfahren nach dem FamFG. Wenn der Verletzte in diesem Verfahren erfolgreich war, musste er den Anspruch, damals nach § 242 BGB, aber noch – wenn die Plattform die Erfüllung des Anspruchs verweigerte – nach den Verfahrensregeln der ZPO klären lassen. Dieses Verfahren erschwerte die schnelle Rechtsdurchsetzung erheblich.  
 
§ 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG stellt nun klar – und so entschied auch das OLG Schleswig-Holstein –, dass Verletzte einen Anspruch auf Auskunftserteilung haben,  über den ein Gericht nach einer Verfahrensordnung (FamFG) entscheidet.  
 
Das neue Verfahren unter dem § 21 TTDSG wird die Rechtsdurchsetzung beschleunigen. Noch immer dauern die Verfahren aber zu lange. Die Rechtsverletzung trat hier im Januar 2021 ein, die erstinstanzliche Entscheidung folgte erst im September 2021, wobei die Plattform – gut für die antragstellende Frau – den Post schon kurz nach Veröffentlichung löschte. Hinzu kommt, dass auch nach dem Urteil des BGH vom 27. Januar 2022 in Sachen Facebook noch immer völlig unklar ist, ob Plattformen die Klarnamenpflicht in ihren AGB umsetzen müssen oder ob eine solche Umsetzung überhaupt datenschutzkonform wäre. Gegebenenfalls läuft also der Anspruch aus § 21 TTDSG dann doch ins Leere, weil die Plattform die begehrten Daten gar nicht hat.  
 
Der wirksamen Bekämpfung von Hate Speech stehen damit immer noch nicht unerhebliche Hürden entgegen. 
 
Dr. Martin Gerecke ist Partner und Rechtsanwalt bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie für Urheber- und Medienrecht und ist auf das Recht der neuen Medien sowie auf den Bereich E-Commerce spezialisiert. 
 

Zitiervorschlag

OLG Schleswig-Holstein zum TTDSG: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48149 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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