Ein No-Spy-Abkommen mit der Bundesrepublik werden die USA aller Voraussicht nach nicht schließen. Sowohl Bevölkerung als auch Politiker sollen weiter überwacht werden, einzige Ausnahme: Angela Merkel. Das ist nicht nur eine diplomatische Grobheit, sondern die offene Ankündigung eines fortwährenden Rechtsbruchs. Doch die Bundesanwaltschaft weigert sich bislang, ihre Arbeit zu machen. Ein Kommentar.
Eine Schlagzeile, auf die man vergeblich wartet: "Bundesanwaltschaft nimmt Ermittlungen wegen amerikanischer Spionagetätigkeiten auf". Stattdessen gibt es dieser Tage eine andere zu lesen: Unter "Keiner wird gewinnen" kündigt das Nachrichtenmagazin Der Spiegel an, dass Generalbundesanwalt Harald Range die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens für möglich halte. Bereits diese Ankündigung wird als brisant eingestuft, dabei ist sie eigentlich überfällig, und nebenbei mit der Formulierung, ein Anfangsverdacht sei "begründbar", noch reichlich vage. Natürlich hält Range die Verfahrenseröffnung für möglich, schließlich ist die Position seiner Behörde seit etwa einem halben Jahr, dass man die in den Medien erhobenen Vorwürfe und die Eröffnung eines Verfahrens prüfe. Solange diese Prüfung nicht abgeschlossen und in die eine oder andere Richtung entschieden wurde, ist die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens also per Definition möglich.
Sehr viel erstaunlicher ist, dass man eine Eröffnung nach wie vor nur für möglich, aber eben nicht für nötig, ja geradezu für zwingend hält. Während die Überwachung von Bürgern und Politikern durch die NSA in der Öffentlichkeit bereits den Weg von Befürchtung über Gewissheit und Bestürzung bis zu Resignation beschritten hat, hegt man in Karlsruhe bislang offenbar keinen konkreten Verdacht, dass hier strafrechtlich Relevantes vonstattengehen könnte. Wenn die Bundesanwaltschaft nämlich den bereits bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten zu bejahenden Anfangsverdacht hätte, dass Straftaten verübt wurden, für deren Verfolgung sie zuständig ist – namentlich etwa Geheimdienstliche Agententätigkeit nach § 99 Strafgesetzbuch – dann müsste sie ein Ermittlungsverfahren einleiten. Das ist nicht von ihrem Gutdünken abhängig, als Strafverfolgungsbehörde ist sie nach dem Legalitätsprinzip dazu verpflichtet.
Einstellen kann man nur, was man sonst durchführen würde
Nun ist die echte Welt kein StPO-Skript, und die Entscheidung, gegen einen alliierten Staat zu ermitteln, kann politisch hochproblematisch sein. Diesem Umstand trägt § 153d der Strafprozessordnung (StPO) Rechnung, indem er dem Generalbundesanwalt die Möglichkeit einräumt, von der Strafverfolgung abzusehen, wenn diese "die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen". Die Vorschrift kann jedoch erst dann zur Anwendung gelangen, wenn zunächst ein Anfangsverdacht bejaht wurde. Genau das hat die Bundesanwaltschaft aber bisher nicht getan. Ihre Position über Monate: Einen Anfangsverdacht gibt es nicht, daher stellt sich auch die Frage nach der Anwendung des § 153d StPO nicht.
Die Bundesanwaltschaft steht vor einer schwierigen Entscheidung: Nimmt sie die Ermittlungen auf, könnte das die Beziehungen zu den USA belasten, und ob am Ende tatsächlich eine Verurteilung und gar ein Strafvollzug gegenüber einzelnen Personen stünden, erscheint ungewiss. Ein Vorgehen nach §153d StPO käme hingegen einem Freibrief an die USA gleich, des Inhalts: Seht her, wir wissen zwar, dass ihr unsere Gesetze brecht, aber wir unternehmen nichts dagegen, also macht ruhig weiter. Doch die Entscheidung wird erst dann schwierig, wenn man sie – freilich ohne dies öffentlich einzuräumen – mit politischen Erwägungen verknüpft. Würde man schlicht der StPO folgen, wäre die Frage im ersten Schritt nur "Anfangsverdacht oder nicht?", und die Antwort müsste eindeutig ausfallen.
Constantin Baron van Lijnden, Nichtermittlung in der NSA-Affäre: . In: Legal Tribune Online, 20.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10717 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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