Neues Mediationsgesetz: "Güte­rich­ter­mo­dell ist ein guter Kom­pro­miss"

von Andreas Schmitt / LTO-Redaktion

21.12.2011

Der Bundestag hat Mitte Dezember das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung angenommen. Im LTO-Interview erklärt der Rechtsanwalt und Mediator Michael Plassmann, wie Güterichterverfahren und zertifizierte Mediatoren dazu beitragen sollen, lange Streitigkeiten vor Gericht zu vermeiden.

LTO: Herr Plassmann, der Gesetzesentwurf zum neuen Mediationsgesetz sieht vor, dass künftig die gerichtsinterne Mediation entfällt. Stattdessen wird das so genannte Güterichtermodell flächendeckend eingeführt. Welche Vorteile bringt dies für die Parteien?

Plassmann: Der Vorteil des Güterichtermodells besteht darin, dass es eine Rollenklarheit und Vereinheitlichung der konsensualen Streitbeilegung vor Gericht bewirkt. Das Konzept der gerichtsinternen Mediation litt bisher vor allem unter drei Dingen: Zum einen gab es keine einheitliche Ausbildung der Richter. Auch der Faktor Zeit spielte eine große Rolle. Gerade die Interessenklärung bei einer seriösen Mediation nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, die den Richtern bisher nicht zur Verfügung stand. Schließlich stellt die Anzeigepflicht des Richters, die aus seiner Stellung als Amtsträger folgt, eine Belastung für das Vertrauensverhältnis dar. Dieses ist für eine einvernehmliche Konfliktbeilegung aber unabdingbar.

Im Gegensatz zu einem Richter als gerichtsinternem Mediator kann der Güterichter zum Beispiel rechtliche Bewertungen vornehmen und den Parteien Lösungen für den Konflikt vorschlagen. Das neue Konzept führt dadurch auch zu einer klaren gesetzlichen Abgrenzung der güterichterlichen Streitschlichtung von der außergerichtlichen Mediation.

LTO: In welchen Fällen kann es zu einem solchen Güterichterverfahren kommen?

Plassmann: Sobald ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wurde, steht es im Ermessen des Richters, die Streitigkeit an einen Güterichter zu verweisen, die Zustimmung der Parteien vorausgesetzt. Außerdem steht es den Parteien frei, selbst auf einen Güterichtereinsatz hinzuwirken.

Diese Möglichkeit wird zusätzlich zur ordentlichen Gerichtsbarkeit nun auch gesetzlich in den Verfahrensordnungen der Fachgerichtsbarkeit verankert.

"Mediation geht nur als außergerichtliches Verfahren"

LTO: Ist es dabei nicht wahrscheinlich, dass eine Ausweitung von Güterichterverfahren auf Kosten der außergerichtlichen Mediation stattfindet?

Plassmann: Diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Die Alternative zum Güterichtermodell wäre aber eine ausschließliche Verweisung an den außergerichtlichen Mediator gewesen. Diese Lösung hätte allerdings außer Acht gelassen, dass es häufig dem Parteiwillen entspricht, auch im gerichtlichen Verfahren noch zu einer Konfliktlösung im Rahmen eines Güterichterverfahrens zu kommen.

Die Neuregelung ist deshalb ein guter Kompromiss, da er einerseits die konsensualen Erfahrungen der Richter im Sinne der Bürger sichert. Zum anderen stellt das neue Mediationsgesetz unmissverständlich klar, dass die Mediation ein Verfahren ist, das aufgrund seiner besonderen Anforderungen nur als außergerichtliches Verfahren angeboten werden kann.

LTO: Wie fördert das neue Gesetz die außergerichtliche Mediation noch?

Plassmann: Positiv auswirken wird sich, dass die Parteien sich zukünftig schon früh mit der Möglichkeit einer außergerichtlichen Streitbeilegung befassen müssen. Die Prozessordnungen werden dahingehend geändert, dass bereits in der Klageschrift angegeben werden muss, ob vor Klageerhebung der Versuch einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung stattgefunden hat oder ob einer solchen Hinderungsgründe entgegenstehen.

Dies kann ein Hebel sein, die Mediation stärker im Bewusstsein der Bevölkerung und in der Beratungspraxis der Anwälte zu etablieren und dadurch einen Beitrag dazu zu leisten, Konflikte möglichst frühzeitig zu deeskalieren und ohne langjähriges Gerichtsverfahren durch Mediation zu lösen.

LTO: Die Forderung nach einer Mediationskostenhilfe scheiterte hingegen am Widerstand einiger Bundesländer.

Plassmann: Das ist schade, wenn man bedenkt, dass durchschnittlich drei von vier Mediationen erfolgreich sind. Kosten für Gerichtsverfahren könnten mit Hilfe einer Mediationskostenhilfe schon im Vorfeld eingespart werden. Die Fälle, in denen es trotz einer gescheiterten Mediation zu einem streitigen Verfahren kommt, würden von den erfolgreichen Versuchen - und damit ersparten Gerichtsverfahren - refinanziert. Ohne Mediationskostenhilfe ist zu befürchten, dass die Mediation ein Privileg für diejenigen bleibt, dies es sich finanziell leisten können.

"Streitbeilegung kann in allen Rechtsgebieten erfolgreich sein"

LTO: Die konsensuale Konfliktlösung im Arbeits- und Sozialrecht, bei Familiensachen, Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie im Patent- und Markenrecht wird durch das neue Gesetz gefördert. Warum macht aus Ihrer Sicht eine Mediation gerade in diesen Bereichen Sinn?

Plassmann: Der Ausweitung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine Streitbeilegung in allen Rechtsgebieten erfolgreich sein kann. Das heißt zwar nicht, dass alle Konflikte auf diese Weise gelöst werden können. Insbesondere im Bereich der Finanzgerichtsbarkeit mit der Beteiligung von Hoheitsträgern ist der Spielraum für Lösungen in der Mediation manchmal einfach begrenzt - aber es ist ein sinnvoller Versuch zu befriedenden und befriedigenden Lösungen zu kommen.

Gerade schwierige und komplexe Fälle lassen sich so häufig zu einem besseren Ende bringen. Das Ziel der Mediation ist es gerade, erst eine Störung auf der häufig emotional belasteten Beziehungsebene zu beheben. Erst dann lassen sich die Probleme auf der Sachebene lösen. Insbesondere Familiensachen sind hierfür ein gutes Beispiel.

LTO: Eine weitere Neuerung des Gesetzes ist, dass die Anforderungen an die Grundkenntnisse und Kernkompetenzen eines Mediators präzisiert werden. Welche Qualifikation muss ein Mediator nach dem Gesetz mitbringen? Und welche Verbesserungen erhoffen Sie sich dadurch?

Plassmann: Der erste Gesetzesentwurf war noch vergleichsweise liberal und setzte auf die Eigenverantwortung des Mediators, um der Entwicklung der Mediation Raum zu geben. Das Problem für den Verbraucher wäre nur gewesen, dass sich bislang - außer der Anwaltschaft - im Grunde genommen jeder als Mediator bezeichnen durfte.

Durch das Stufenmodell, für das sich der Gesetzgeber nun entschieden hat, werden zum einen verbindlich Kompetenzen festgelegt, die eine Ausbildung zum Mediator vermitteln muss. Ein Mediator muss Kenntnisse über Grundlagen der Mediation, Verhandlungs- und Kommunikationstechniken, Konfliktkompetenz und Kenntnisse über das Recht der Mediation sowie über die Rolle des Rechts in der Mediation nachweisen. Dabei ist es nicht entscheidend, bei welcher Institution diese Qualifikationen erlangt wurden.

Zum anderen wird die Bezeichnung des zertifizierten Mediators eingeführt, die nur führen darf, wer eine Ausbildung zum Mediator abgeschlossen hat, die den besonderen Anforderungen einer entsprechenden Rechtsverordnung entspricht, die allerdings erst noch erlassen werden muss.

Insgesamt wird so der Verbraucherschutz konkretisiert und zugleich die Akzeptanz der Mediation als Alternative zum streitigen Verfahren gestärkt.

LTO: Herr Plassmann, wir danken Ihnen für dieses Interview.

Michael Plassmann ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin. Der Mediationsexperte ist Vorsitzender des Ausschusses Außergerichtliche Streitbeilegung der Bundesrechtsanwaltskammer BRAK und wurde vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages als Sachverständiger zu den abschließenden Beratungen des Mediationsgesetzes angehört.

Das Interview führte Andreas Schmitt.

 

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Zitiervorschlag

Neues Mediationsgesetz: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5150 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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