Nach einem etwas holprigen Start hat der Gesetzgeber vergangene Woche die Weichen für das Mediationsgesetz gestellt. Die Erleichterung war spürbar, hatte man doch zwischenzeitlich bereits geargwöhnt, ein Ergebnis vor der Sommerpause sei nicht mehr zu erwarten. Was aus dem Zankapfel der gerichtsinternen Mediation wurde, erklärt André Niedostadek.
Bereits im August 2010 hatte das Bundesministerium der Justiz (BMJ) den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorgelegt. Damit sollten insbesondere die Vorgaben der Europäischen Mediationsrichtlinie umgesetzt und erstmals ein verbindlicher Rahmen für die Mediation hierzulande geschaffen werden. Der ursprüngliche Entwurf sah neben der außergerichtlichen auch die gerichtsinterne Mediation vor. Gerade letztere sollte die Praxis in einzelnen Bundeländern aufgreifen. In unterschiedlichen Bereichen, angefangen von der arbeitsgerichtlichen bis hin zur verwaltungsgerichtlichen Mediation, hatten sich dort erfolgreiche Pilotprojekte etabliert.
Nachdem sich dann im weiteren Verlauf der Rechtsausschuss mit dem Entwurf befasste, beschloss der Bundestag das Gesetz im Dezember 2011 einstimmig. Die gerichtsinterne Mediation warfen die Abgeordneten jedoch kurzerhand über Bord. An deren Stelle sollte ein erweitertes Güterichtermodell treten. Es folgten kontroverse Reaktionen einzelner Bundesländer: Ein Güterichter sei etwas anderes als ein Mediator, so die kritische Rückmeldung. Der Bundesrat bemühte daraufhin den Vermittlungsausschluss mit dem Ziel, die gerichtsinterne Mediation beizubehalten.
Ganz im Sinne einer erfolgreichen Mediation scheint das jetzige Resultat alle Seiten weitgehend zufrieden zu stellen. So lesen sich jedenfalls die ersten Stellungnahmen. Tatsächlich ist das vom Vermittlungsausschuss erarbeitete und anschließend zügig vom Gesetzgeber verabschiedete Ergebnis eine Win-Win-Lösung. Zwar bleibt die gerichtsinterne Mediation gestrichen. Mediiert werden darf vor Gericht aber weiterhin.
Verschwiegen, vertraulich, vollstreckbar?
Was bietet das neue Gesetz der Praxis? Zunächst einmal regelt es, was eine "Mediation" und was ein "Mediator" ist. Ersteres ist ein strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien von einem Mediator unterstützt eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Der Mediator ist unabhängig, neutral und nur für den Ablauf des Verfahrens verantwortlich. In der Sache selbst hat er keine Entscheidungskompetenz. Verantwortlich für den Inhalt einer einvernehmlichen Streitbelegung sind damit allein die Parteien. Insoweit betont das Gesetz zunächst einmal die Grundlagen einer jeden Mediation. Neu ist das nicht.
Allerdings schafft das Gesetz in anderen Punkten Klarheit. Das gilt etwa für die Vertraulichkeit der Mediation. Zentrales Element ist eine in den Prozessordnungen verankerte Verschwiegenheitspflicht, die durch Zeugnisverweigerungsrechte für die Mediatoren gestärkt wird. Darüber hinaus regelt das Gesetz weitere Grundzüge des Mediationsverfahrens sowie die wesentlichen Rechte und Pflichten der Mediatoren, insbesondere für den Fall einer Interessenkollision.
Was im Mediationsgesetz fehlt, sind Regelungen, welche die Ergebnisse einer Mediation für verbindlich erklären. Insofern sieht der deutsche Gesetzgeber die Vorschriften zur Vollstreckbarkeit der Zivilprozessordnung als ausreichend an.
Auch der Güterichter darf mediieren
Vollständig entfallen ist die gerichtsinterne Mediation – zumindest auf den ersten Blick. Der Gesetzgeber bleibt bei seiner politischen Entscheidung, sie durch ein erweitertes Güterichtermodell zu ersetzen.
Die Bundesjustizministerin betonte in diesem Zusammenhang, dass ein Güterichter zuallererst Richter und damit an die Vorgaben der jeweiligen Prozessordnungen gebunden sei. Man wolle dem Eindruck entgegentreten, er sei Mediator im Sinne des Mediationsgesetzes.
Dennoch bleibt die Mediation auch im gerichtlichen Verfahren erhalten. Denn ein Gericht kann die Parteien vor einen nicht entscheidungsbefugten Güterichter verweisen, der sich nun ausdrücklich aller Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation bedienen kann. Dieses Ergebnis der Vermittlungsbemühungen als großen Durchbruch verkaufen zu wollen, überrascht. Im Grunde steht im Gesetz jetzt nichts anderes als das, was bereits der Rechtsausschuss ausgearbeitet und seiner Beschlussempfehlung zugrunde gelegt hatte.
Kostenanreize und der nächste vorprogrammierte Streit
Freuen wird sich jedenfalls die Praxis außerhalb des Gerichts. Denn die Bezeichnung "Mediator" bleibt künftig ausschließlich außergerichtlichen Mediatoren vorbehalten. Um einem Wildwuchs vorzubeugen und mit Blick auf den Verbraucherschutz die Qualität der Mediation zu sichern, setzt das neue Gesetz zugleich auf Qualifikationsstandards. Dazu werden bestimmte Aus- und Fortbildungsinhalte festgelegt. Wer diese erfüllt, wird sich künftig sogar als "zertifizierter Mediator" bezeichnen dürfen.
Eine Überraschung hatte der Vermittlungsausschuss allerdings noch in petto: Kostenanreize sollen eine einvernehmliche Streitbeilegung fördern. So erhalten die Länder die Möglichkeit, Gerichtsgebühren im Falle einer außergerichtlichen Streitbeilegung zu ermäßigen oder sogar zu erlassen. Streitende Parteien mögen tatsächlich am besten wissen, wie ihre Konflikte zu lösen sind. Ob sie davon Gebrauch machen, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Hier sind die Länder gefordert, die Kostenanreize tatsächlich zu schaffen. Die Weichen für die Mediation sind jetzt jedenfalls gestellt.
Möglicherweise droht aber schon neuer Zündstoff. Denn mit der Verabschiedung des Mediationsgesetzes ist zwar den europäischen Vorgaben genüge getan, allerdings sind die Anstrengungen damit noch nicht abgeschlossen. Gerade im Zusammenhang mit der Zertifizierung von Mediatoren sind die einschlägigen Verbände und berufsständischen Kammern aufgefordert, sich auf eine Stelle der Zertifizierung der Ausbildungsträger zu einigen. In der Vergangenheit gelang ein abgestimmtes Vorgehen der unterschiedlichen Organisationen nicht immer reibungslos. Gerade das ist aber ein wichtiges Signal, um eine einheitliche Linie zu entwickeln und so dem gemeinsamen Anliegen mehr Geltung zu verschaffen.
Der Autor Prof. Dr. André Niedostadek, LL.M. lehrt Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz und ist unter anderem Herausgeber eines Praxishandbuchs Mediation.
André Niedostadek, Außergerichtliche Konfliktlösung: . In: Legal Tribune Online, 05.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6547 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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