Im "Beewashing"-Streit erleidet Jan Böhmermann eine Niederlage. Imker Rico Heinzig darf einen Honig weiter mit Böhmermanns Namen und Gesicht bewerben. Der Satiriker setzt seine Hoffnung in die Berufungsinstanz.
Ein Glas Bio-Honig, auf dem Etikett gelabelt als "Beewashing Honey", vermarktet in einer sächsischen Edeka-Filiale mit einem großen Plakat, auf dem in Großbuchstaben steht: "Führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt." Das Gesicht des vermeintlichen Insektologen war auch abgedruckt: Es handelt sich um keinen Geringeren als Jan Böhmermann.
Bei der Werbeaktion der Meißener Imkerei "MyHoney" von Rico Heinzig handelt es sich um einen humorvollen Racheakt: Böhmermann hatte Heinzig in einer November-Sendung des "ZDF Magazin Royale" des Greenwashings mit Bienenpatenschaften bezichtigt – "Beewashing" nannte der Satiriker das. Darauf hatte der Imker nicht mit einer Klage reagiert, sondern mit werbender Gegensatire: Heinzig hatte zum einen das beschriebene Werbeplakat erstellt und in einem lokalen Edeka-Markt aufhängen lassen. Zum anderen hatte er den Beewashing Honey auf der Imkerei-Website als "Böhmermann-Honig" beworben; dazu finden sich dort die Worte: "Der Honig zur ZDF Magazin Royale Sendung – auf Wunsch mit eigenem Firmenbranding."
Beides fand Berufskomiker Böhmermann nicht witzig und wehrte sich mit einem Unterlassungsantrag vor dem Landgericht (LG) Dresden. Damit scheiterte er am Donnerstag in erster Instanz: Das LG hält die Werbeaktion für zulässig (Urt. v. 08.02.2024, Az. EV 3 O 2529/23t). Das Gericht berücksichtigte dabei, dass Heinzigs Imkerei das "geschützte Recht der freien Meinungsäußerung zusteht und sie damit das lnformationsinteresse der Allgemeinheit bedient hat", wie es in einer Pressemitteilung des LG heißt. Böhmermanns Persönlichkeitsrechte seien nicht höher zu bewerten.
Satire und Gegensatire oder "Satire gegen Wirtschaft"?
Der Satiriker sieht in dem Konter keine Gegensatire, sondern Werbung auf seine Kosten: Heinzig nutze Böhmermanns Namen, Bild und Reputation aus, um damit Geld zu machen – eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, insbesondere der Namens- und Bildnisrechte.
Heinzig sieht das anders. Sein Rechtsanwalt Dr. Markus Hoffmann (Lippert Stachow) argumentierte vor dem LG, dass Personen, die im "ZDF Magazin Royale" in humoristischer Form kritisiert werden, keine andere Möglichkeit hätten, als sich mit Gegensatire zu wehren. "Ihr Mandant macht das perfekt. Das macht es so schwer, gegen ihn vorzugehen", hatte Hoffmann in der mündlichen Verhandlung vor drei Wochen in Richtung von Böhmermanns Rechtsanwalt Dr. Torben Düsing (Preu Bohlig) gesagt. Heinzigs Werbeaktion sei der "Versuch, sich zu rehabilitieren".
Dass das Gericht Sympathie für Heinzigs Werbeaktion hat, hatte sich ebenfalls schon in der Verhandlung angedeutet. LG-Richterin Heike Kremz hatte das Werbeplakat mehrfach als Satire bezeichnet, obwohl die Böhmermann-Seite dieses Attribut gerade ablehnt. "Der rechtswidrige Verkauf von Waren zum Zweck der unternehmerischen Gewinnmaximierung ist keine Satire", betonte Düsing auf LTO-Anfrage. Böhmermanns Beewashing-Vorwurf im "ZDF Magazin Royale" und Heinzigs Werbung für den entsprechenden "Honig zur Sendung" stünden nicht im Verhältnis Satire und Gegensatire; vielmehr handele es sich bei dem Rechtsstreit um "Satire gegen Wirtschaft".
Böhmermann-Foto ist Bildnis der Zeitgeschichte
Ein juristischer Hauptstreitpunkt ist in diesem Fall, ob die Aktion für den durchschnittlichen Imkerei-Kunden als Satire erkennbar ist. Ist sie das nicht, wirkt es so, als würde Böhmermann den Honig tatsächlich empfehlen. Das nennt man im Fachjargon "Imagetransfer": Der Werbende macht sich dann die Reputation einer bekannten Person zunutze, um einen höheren Umsatz zu erzielen. Wie war es also hier? War der satirische Charakter der Werbung vorliegend erkennbar?
Böhmermann verneint das. Wer die Sendung des "ZDF Magazin Royale" zum Bienensterben nicht gesehen hat, verstehe den Kontext nicht – weder auf dem Werbeplakat noch auf der Homepage. Heinzig hingegen argumentiert, die Online-Werbung ("der Honig zur Sendung") nehme klar Bezug auf die Sendung des ZDF-Magazins, die Folge sei dort auch verlinkt. Auch das Werbeplakat sei offenkundig Satire. Dieser Auffassung schien auch Richterin Kremz schon in der Verhandlung zuzuneigen. Denn: "Natürlich ist Jan Böhmermann kein führender Bienen- und Käferexperte", sagte sie zum Amüsement der Zuschauer im Saal.
Persönlichkeitsrechte könnten auch unabhängig davon verletzt sein, ob die Satire als solche erkennbar ist. Hinsichtlich des Rechts am eigenen Bild ist zudem § 22 Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) zu beachten, wonach die Veröffentlichung von Bildnissen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten geschehen darf. Das Gericht wies in seiner Mitteilung vom Donnerstag insofern aber auf die in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG geregelte Ausnahme für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte hin. Dessen Abs. 2 stellt die zusätzliche Anforderung auf, dass keine berechtigten Interessen des Abgebildeten verletzt werden. "Hiervon ist das Gericht bei Herrn Böhmermann ausgegangen."
Showdown in Karlsruhe?
Dass das für das Werbeplakat verwendete Bild – das augenscheinlich aus einer Sendung des "ZDF Magazin Royale" herausgeschnitten wurde – in den Bereich der Zeitgeschichte fällt, dürfte unstreitig sein. Knackpunkt bleibt aber die Frage, ob durch die zweifellos auch wirtschaftliche Zwecke verfolgende Aktion nicht doch berechtigte Interessen verletzt sind.
Damit wird sich wohl zeitnah das Dresdner Oberlandesgericht (OLG) befassen, denn Böhmermanns Anwalt hat bereits Berufung angekündigt. "In der Sache 'Satire gegen Wirtschaft' geht die Satire natürlich in Berufung", so Düsing gegenüber LTO. Auch die Gegenseite ist gewappnet: "Wir freuen uns, dass das Landgericht Dresden unserer Argumentation in allen wesentlichen Punkten gefolgt ist. Selbstverständlich werden wir die Interessen unserer Mandantschaft auch in etwa folgenden Prozessetappen engagiert und entschlossen verteidigen", teilte Hoffmanns Kanzlei Lippert Stachow am Donnerstag mit.
Im Eilverfahren wird der Fall nicht weiter als bis zum OLG gehen. Wollen die Parteien die Rechtsfrage, inwiefern sich ein von Investigativsatire Betroffener mit werbender Gegensatire wehren darf, vor dem Bundesgerichtshof klären lassen, ginge dies nur im Hauptsacheverfahren.
Halten die Parteien an ihren Rechtsauffassungen fest, kommt es in der Sache "Satire gegen Wirtschaft" in ein paar Jahren noch zum Showdown in Karlsruhe. Ob das dann der eigentliche "unerbittlichste Showdown aller Zeiten" ist? So hatte Böhmermann die dem "Kampf Biene gegen Borkenkäfer" gewidmeten Folge anmoderiert, die Anlass zu Heinzigs süßer Rache gab.
Jan Böhmermann verliert Honig-Streit: . In: Legal Tribune Online, 08.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53838 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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