Uli Hoeneß verkündete 2007 lautstark, dass es die VIP-Logen-Besucher seien, die das Geld in den Fußball bringen. Doch Einladungen von Politikern und Geschäftsleuten in Stadien haben spätestens seit der WM 2006 einen faden Beigeschmack. Ein aktueller Leitfaden soll Richtschnur sein und Korruption verhindern. Erfolgversprechend, finden Hauke Hansen und Oliver Wolff-Rojczyk.
Die vier Jahre alte Wutrede von Uli Hoeneß bei der Mitgliederversammlung des FC Bayern München ist legendär. Der damalige Manager und heutige Präsident warf kritischen Fans während der Hauptversammlung auf den Vorwurf hin, die Stimmung im Stadion sei (auch aufgrund zu vieler VIP-Plätze) zu schlecht,mit hochrotem Kopf entgegen: "Was glaubt Ihr eigentlich, wer Euch alle finanziert? Die Leute in den Logen, denen wir die Gelder aus der Tasche ziehen!" Doch die deutschen Sport-Sponsoren – und damit auch die Sportvereine – haben ein Problem: Wo hören Kontaktpflege und Gastfreundschaft auf, und wo fängt Vorteilsnahme und Korruption an?
Nun haben sowohl die Sponsorenvereinigung S20 gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium und dem Deutschen Olympischen Sportbund einen Leitfaden "Hospitality und Strafrecht" als auch die DFL, der DFB und der Ligaverband eine Selbstverpflichtungserklärung mit Memorandum "Handhabung von Hospitality-Paketen" vorgestellt, die Antworten auf diese Fragen geben sollen. Erklärtes Ziel der Papiere ist es, den unter Umständen drohenden Rückzug der Geldgeber aus dem Sponsoring zu verhindern und den Unternehmen als – so DFL-Geschäftsführer Seifert – "Leitplanken" zu dienen.
Das Thema Hospitality (englisch für Gastfreundschaft) ist der Öffentlichkeit durch den Fall Utz Claassen bekannt, der als Vorstandsvorsitzender der EnBW politische Repräsentanten zu Spielen der Fußball-WM 2006 in Deutschland eingeladen hatte. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte Claassen wegen Vorteilsgewährung angeklagt, das Landgericht Karlsruhe sprach Claassen allerdings frei. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte in seinem Urteil vom 14. Oktober 2008 (Az. 1 StR 260/08) zwar den Freispruch des Landgerichts im Ergebnis, machte aber deutlich, dass man durchaus anders hätte entscheiden können. Letztlich sei die Beweiswürdigung jedoch "revisionsrechtlich nicht zu beanstanden". Insofern handelt es sich allenfalls um einen Freispruch zweiter Klasse, der zudem den Bereich Hospitality in einer rechtlichen Grauzone zurücklässt.
Gastgeber und Gast – beide spielen mit dem Feuer
Sofern Amtsträger – Beamte und andere Mitarbeiter im öffentlichen Sektor – eingeladen werden sollen, kommen für die Einladenden die Straftatbestände der Vorteilsgewährung (§ 333 Strafgesetzbuch [StGB]) und Bestechlichkeit (§ 334 StGB) und für die Eingeladenen die Tatbestände der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) und der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) in Betracht. Der Grat zwischen erlaubter Kontaktpflege und strafrechtlich sanktionierter Klimapflege ist schmal. Da Einladungen zu Veranstaltungen nach Ansicht der obersten deutschen Richter einen Vorteil im Sinne des Korruptionsstrafrechts darstellen, kommt es entscheidend darauf an, ob in der Offerte eine Unrechtsvereinbarung zwischen dem Sponsor und dem Eingeladenen liegt. Eine solche liegt bereits dann vor, wenn mit der Zuwendung das allgemeine Wohlwollen des Amtsträgers gefördert werden soll.
Während nach der alten Rechtslage für die Strafbarkeit erforderlich war, dass die Einladung für eine konkrete Diensthandlung ausgesprochen wurde, genügt es heute, den Vorteil ganz allgemein für irgendeine Dienstausübung zu gewähren. Ob das Motiv der Einladung das unter Strafe gestellte "anfüttern" oder vielmehr strafrechtlich unbedenklich ist, muss anhand von Indizien beurteilt werden. Hier kommen etwa die Stellung des Amtsträgers, dienstliche Berührungspunkte zum Gastgeber oder der zeitliche Zusammenhang zwischen Einladung und Diensthandlung in Betracht. Aber auch die Transparenz der Einladungen, Art und Wert des Geschenks oder Vorhandensein eines plausiblen lauteren Motivs sind maßgebliche Faktoren zur Beurteilung der Strafbarkeit.
Strafrechtlich unbedenklich sind dagegen etwa Einladungen von Amtsträgern, mit denen gegenwärtig und zukünftig keine dienstlichen Berührungspunkte bestehen. Richtet sich die Einladung jedoch an Mitarbeiter, die mit dem einladenden Sponsor dienstlichen Kontakt haben, kann die Rechtmäßigkeit der Offerte dadurch gesichert werden, dass nicht nur diese gezielt einzuladen werden, sondern allgemein hochrangige Amtsträger aufgrund ihrer protokollarischen Wertigkeit und Bekanntheit.
Familienangehörige bitte nur beim Opernball
Um den Anschein von Käuflichkeit zu vermeiden, sollte der Sponsor offen kommunizieren, welches Einladungskonzept er verfolgt. Zudem sollte er die Einladung an die Dienstadresse verschicken und unter den Vorbehalt einer Genehmigung stellen. Transparenz spricht gegen eine Unrechtsvereinbarung. Zuletzt sollte der Wert der Einladung subjektiv, das heißt in Relation zu Status und Lebenszuschnitt des konkret bedachten Amtsträgers, angemessen sein. Maßgeblich ist, ob die Zuwendung geeignet ist, den Amtsträger bei der Dienstausübung zu beeinflussen. Partner und Familienangehörige sollten grundsätzlich nicht eingeladen werden, es sei denn es handelt sich um einen Opernball.
Das Verschenken der Tickets an Vertreter der Privatwirtschaft ist weniger kritisch zu bewerten, denn unter den Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) wird nur die Zuwendung für eine konkrete Gegenleistung, nicht aber die allgemeine Klimapflege erfasst. Zudem gelten Schenkungen an Privatpersonen in weiterem Ausmaß als sozialadäquat als dies etwa in Bezug auf Vertreter der öffentlichen Hand der Fall ist. Bei Einladungen an den Unternehmensinhaber gelten sogar überhaupt keine Beschränkungen.
Letztlich ist es zu begrüßen, dass Politik, Wirtschaft und Sport sich des Themas "Hospitality und Strafrecht" angenommen haben. Wenn sich alle Beteiligten an die in den Leitfäden genannten Grundsätze halten, dürften dem Sport-Sponsoring auch zukünftig keine Strafgerichte im Wege stehen. So kann der VIP beim Besuch eines Fußballspiels entspannen, während ihm "adrette Servicekräfte Prosecco und Scampi reichen, bei deren Verzehr er anregende Gespräche über Fußball, Privates und Geschäftliches führt" (Die Zeit). Den Staatsanwalt in zivil muss er nicht mehr hinter jedem Sitznachbarn fürchten.
Dr. Hauke Hansen, LL.M. und Dr. Oliver Wolff-Rojczyk sind Rechtsanwälte der Kanzlei FPS Rechtsanwälte & Notare in Frankfurt/Main. Zu ihren Tätigkeitsschwerpunkten gehören der gewerbliche Rechtsschutz, das IT- und das Wirtschaftsstrafrecht.
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Hauke Hansen, Leitfaden "Hospitality und Strafrecht": . In: Legal Tribune Online, 25.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4646 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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