Eine Journalistin klagt gegen das ZDF wegen Geschlechterdiskriminierung bei der Höhe des Gehalts. Der Fall zeigt, wie schwierig der Nachweis einer Ungleichbehandlung in der Praxis ist, sagen Robert von Steinau-Steinrück und Paul Gooren.
Birte Meier ist Redakteurin des ZDF-Fernsehmagazins Frontal21. Sie hat ihren Arbeitgeber nun auf Entschädigung in Höhe von 70.000 Euro verklagt, weil sie weniger verdient als ihre männlichen Kollegen. Am 7. Dezember 2016 wurde hierzu vor dem Arbeitsgericht (AG) Berlin verhandelt. Kommt zwischen den Parteien kein Vergleich zustande, wird das Gericht Anfang 2017 Recht sprechen (müssen).
Die für ihre Beiträge mehrfach mit Filmpreisen ausgezeichnete Meier hatte nur zufällig bei einem Gespräch mit einem inzwischen pensionierten Kollegen erfahren, dass sie brutto weniger verdiente als er netto, hatte der Anwalt der Journalisten mitgeteilt. Über Jahre soll sie versucht haben, sich gütlich mit dem ZDF zu einigen – und erhob schließlich Klage. Der Fall illustriert deutlich, warum Deutschland beim Thema Lohngerechtigkeit im internationalen Vergleich nach wie vor hinterherhinkt.
Diskriminierung und Diskriminierungsschutz
Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen soll in Deutschland bis zu 21 Prozent betragen. Bereinigt man dies um strukturelle Unterschiede wie die Berufswahl etc., verbleibt eine Differenz zwischen zwei und sieben Prozent. Die Gründe für diesen Unterschied sind vielschichtig. So soll es Frauen etwa schwerer als Männern fallen, ihre Gehaltsvorstellungen erfolgreich in Verhandlungen durchzusetzen. Des Weiteren wird vermutet, dass Arbeitgeber bei Vorstellungsgesprächen die zu erwartenden Kosten für Mutterschutz und andere Familienleistungen in ihr Gehaltsangebot "einpreisen".
Vertragsfreiheit und Marktwirtschaft nehmen dies grundsätzlich in Kauf. Als Korrektiv zu solchen gesellschaftlich unerwünschten Auswüchsen dient das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das seinerseits verschiedene EU-Richtlinien umsetzt. Es verbietet Arbeitgebern insbesondere in § 1 AGG, ihre Angestellten aus Gründen des Geschlechts zu benachteiligen. Bei einem Verstoß haftet der Arbeitgeber auf Schadensersatz und Entschädigung. Liegt eine Entgeltdiskriminierung vor, ist als Rechtsfolge sowohl die Lohndifferenz zu zahlen als auch eine Kompensation der immateriellen Nachteile zu leisten. Letztere kann nach dem Präventionsgedanken des EU-Rechts durchaus abschreckend hoch sein.
Eine Frage der Beweislast
Soweit die Theorie. In der Praxis kommt es jedoch entscheidend darauf an, die Entgeltdiskriminierung auch zu beweisen. Die Arbeitnehmerin trägt dafür nach allgemeinen Prozessregeln die Darlegungs- und Beweislast. Da dies häufig einer unüberwindbaren Hürde gleichkommt, sieht § 22 AGG eine Beweiserleichterung vor. Gelingt ihr der Nachweis konkreter Indizien für eine Diskriminierung, wird das Vorliegen einer solchen vermutet und es obliegt dem Anspruchsgegner, also ihrem Arbeitgeber, das Gegenteil zu beweisen.
Gerichtliche Entscheidungen zur Entgeltdiskriminierung sind nach wie vor selten. Für derartige Fälle kann es jedoch ggf. ausreichen, anhand von Statistiken nachzuweisen, dass Kollegen des anderen Geschlechts im Durchschnitt deutlich mehr verdienen (EuGH, Urt. v. 27.10.1993, Az. C-127/92). Der so ermittelte Lohnunterschied ist jedoch nur dann Ausdruck einer Diskriminierung, wenn die Vergleichspersonen gleichwertige Tätigkeiten ausüben. Auch dies muss die Arbeitnehmerin darlegen und beweisen. Hierbei verlangt die Rechtsprechung einen Gesamtvergleich der Tätigkeiten, wozu es einer Gegenüberstellung der einzelnen Arbeitsvorgänge bedarf (BAG, Urt. v. 23.08.1995, Az. 5 AZR 942/93; BAG, Urt. v. 26.01.2005, Az. 4 AZR 171/03). Der Streit um Details ist hier also programmiert.
Im Fall Birte Meier wird es entscheidend darauf ankommen, wie die Tätigkeiten ihrer besser bezahlten männlichen Kollegen zu bewerten sind. Ferner sind auch die persönliche Qualifikation und die bisherige Berufserfahrung der Journalistin zu berücksichtigen.
2/2: Auswirkungen des geplanten Entgelttransparenzgesetzes
Dem Problem des sog. "Gender Pay Gap" begegnet der Entwurf zum Entgelttransparenzgesetz (EntgTransG-E) aus der Feder des Bundesfamilienministeriums. Nach den Plänen der Bundesregierung soll das Gesetz im Sommer 2017 in Kraft treten – im Dezember ist es indes noch einmal von der Tagesordnung des Bundestags genommen worden.
Der Gesetzesentwurf verfolgt das Ziel, "Entgelttransparenz durch Verfahren" zu schaffen. Beschäftigte von Arbeitgebern mit mehr als 200 Arbeitnehmern erhalten einen individuellen Auskunftsanspruch. Dieser bezieht sich auf das Durchschnittsgehalt ihrer Kollegen anderen Geschlechts mit vergleichbarer Tätigkeit (§ 10 EntgTransG-E). Erfüllt der Arbeitgeber den Auskunftsanspruch nicht, soll dies nach § 15 Abs. 5 EntgTransG-E ein Indiz für das Vorliegen einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung sein. Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten haben zudem regelmäßig ihre Entgeltsysteme zu überprüfen und dazu entsprechende Berichte zu erstellen (§§ 17 ff. EntgTransG-E).
Die Crux der Vergleichbarkeit
Das geplante Gesetz soll auf existierende Lohnunterschiede aufmerksam machen und Informationsasymmetrien beheben. Künftig wird es zumindest in größeren Unternehmen leichter möglich sein, den Verdacht einer Entgeltdiskriminierung zu erhärten.
Birte Meier etwa hat anscheinend nur durch Zufall vom Lohngefälle beim ZDF erfahren. Der im EntgTransG-E vorgesehene Auskunftsanspruch und die Beweislastumkehr im Falle seiner Nichterfüllung sind geeignet, derartige Diskriminierungen vor Gericht einfacher geltend zu machen. Da sich der Auskunftsanspruch jedoch nur auf vergleichbare Tätigkeiten bezieht, wird hierzu in Zukunft ebenfalls regelmäßig darüber Streit entstehen, was als vergleichbare Tätigkeit im jeweiligen Unternehmen anzusehen ist. Damit ist im Vergleich zur bisherigen Rechtslage nicht viel gewonnen.
Kurzfristig wird das Gesetz jedenfalls Signalwirkung entfalten. Ob es aber auch langfristig seinen verfolgten Zweck der Schließung des "Gender Pay Gap" erreichen wird, muss sich erst noch zeigen. Denn auch weiterhin ist nicht jeder Lohnunterschied immer gleich auch Ausdruck einer Diskriminierung.
Die Autoren Professsor Dr. Robert von Steinau-Steinrück und Dr. Paul Gooren, LL.M. sind Rechtsanwälte bei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Berlin. Sie beraten Unternehmen in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.
Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück und Dr. Paul Gooren, LL.M., Journalistin verklagt ZDF wegen Diskriminierung: Ich will, was er bekommt . In: Legal Tribune Online, 22.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21551/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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