Hertha-Profi Kalou hat im Livestream auf Facebook darüber informiert, wie wenig ernst es Spieler mit den Corona-Hygieneregeln nehmen und wie sehr sie sich über Gehaltskürzungen aufregen. Die rechtlichen Folgen erläutert Robert Golz.
LTO: Herr Golz, Sie sind nicht nur Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, sondern auch Sportrechtler. An welches Rechtsgebiet haben Sie zuerst gedacht, als Sie das Video von Salomon Kalou gesehen haben, in dem dieser mehrere Minuten live aus der Kabine eines Fußball-Bundesligisten filmt und interne Vereinsvorgänge preisgibt?
Robert Golz: Da haben gleich mehrere Herzen in meiner Brust gepocht. Das von Salomon Kalou gestreamte Dokument ist auf so vielen Ebenen rechtlich daneben und könnte daher auch eine Reihe von juristischen Konsequenzen nach sich ziehen. Und zwar sowohl für den Spieler als auch für den Verein Hertha BSC. Ganz abgesehen davon dürfte das Video, das belegt, wie leichtfertig man in Bundesligaclubs offenbar mit der Pandemie umgeht, die allgemeine Akzeptanz für die von der DFL und einigen Ministerpräsidenten angestrebten Geisterspiele der Fußball-Bundesliga nachhaltig erschüttern.
Hertha BSC Berlin hat den Spieler noch am Tag der Veröffentlichung vom Trainings- und "Spielbetrieb", obwohl es den ja noch gar nicht gibt, "suspendiert". Dabei dürfte es sich um eine arbeitsrechtliche Maßnahme handeln?
Richtig. Das Filmen aus der Kabine, einem Bereich, der als absolut geschützt gilt und wo die Öffentlichkeit nichts zu suchen hat, verletzt das arbeitsrechtliche Vertrauensverhältnis eklatant.
Darüber hinaus verstößt Kalou vermutlich auch gegen die Social-Media Guidelines, die es sicher auch bei Hertha BSC gibt und die in der einen oder anderen Form zum Bestandteil seines Arbeitsvertrages gemacht worden sein werden. Schließlich befindet sich bei Hertha mit Paul Keuter immerhin der ehemalige Twitter-Sportchef in der Geschäftsführung und ist dort für die digitale Transformation des Vereins zuständig. Ich bin mir daher sicher, dass Kalous Verhalten auch eine Geldstrafe des Vereins nach sich ziehen wird. Der Verein muss hier mit klarer Kante agieren und ein Exempel statuieren, damit so etwas ein einmaliger Tabubruch bleibt und keine Nachahmer findet. Die Hertha hat sich zudem ja gerade erst von der Causa Klinsmann rund um die Preisgabe von vermeintlichen Interna erholt.
Das Video hat Salomon Kalou ein paar Stunden nach Veröffentlichung von seiner Facebook-Seite genommen. Auf diversen Seiten, unter anderem auf YouTube aber auch einiger Medien, ist es aber weiterhin – oder zumindest die maßgeblichen Passagen – zu sehen. Würden Sie dem Verein oder dem Spieler empfehlen, gegen die Verbreitung rechtlich vorzugehen?
Nun, rechtlich gäbe es dafür durchaus vielversprechende Ansätze, aber Herthas Imageschaden ist natürlich schon jetzt enorm. Ein Ansatz für Hertha wäre das Urheberrecht, indem sie sich die Nutzungsrechte und das Recht zur deren gerichtlicher Durchsetzung an dem Video von Kalou einräumen lassen. So insbesondere das Recht der öffentlichen Wiedergabe und der Vervielfältigung (§§ 15 Abs. 2, 16 Urhebergesetz), um hieraus dann gegen unliebsame Veröffentlichungen vorzugehen und Dritte auf Löschung zu drängen.
Ein solches Vorgehen dürfte sich aber schwieriger gestalten, wenn das Video im Rahmen einer Berichterstattung auf Verlags- oder sonstigen Medienseiten zum Abruf bereitgehalten wird. Denn nach § 50 UrhG können urheberrechtliche geschützte Werke auch ohne Einwilligung der Rechteinhaber verwendet werden, wenn sie Gegenstand einer Berichterstattung über Tagesereignisse sind. Das hat der BGH übrigens kürzlich noch einmal klargestellt.
Zu bedenken ist aber auch: Nicht alles, was rechtlich möglich ist, sollte auch unbedingt durchgesetzt werden. Hier ist auf den sogenannten Streisand-Effekt zu verweisen: Der Versuch der, wenn auch berechtigten, Rechtsdurchsetzung kann unter Umständen dazu führen, dass der medial eintretende Schaden durch diese Maßnahmen größer ist als der Stein des Anstoßes. Hier konkret bestünde für Hertha die Gefahr, man würde das Gezeigte, was ja der eigentliche Aufreger zu Corona-Zeiten war, vertuschen wollen. In punkto Image-Wahrung hat Hertha BSC daher mit seiner Stellungnahme, in der bis auf die arbeitsrechtliche Suspendierung Kalous nicht von weiteren rechtlichen Konsequenzen die Rede ist, wohl schadensbegrenzend und richtig gehandelt.
In einem Tweet haben Sie auch andere Twitter-Nutzer davor gewarnt, das Kalou-Video weiterzuverbreiten?
Ich wäre da in der Tat etwas vorsichtig. Während die Medien mit ihrem rechtlich geschützten Berichterstattungsauftrag aus § 50 UrhG argumentieren können, ist das beim "normalen" Twitter-Nutzer nicht so ohne weiteres der Fall. Zudem stellen sich auch Fragen nach den Persönlichkeitsrechten der Abgebildeten.
Wer ist da alles betroffen und was folgt daraus?
Kalou filmt seine Mannschaftskollegen und unterhält sich etwa mit Sturmpartner Vedad Ibišević über recht brisante Gehaltsabrechnungen des Vereins. Erkennbar geht er nicht davon aus, dass die Aufnahme live ins Internet übertragen wird, sonst hätte er sich zu solch brisanten und kritischen Äußerungen zu seinem Arbeitgeber nicht hinreißen lassen. Auch wird ein ärztlicher Mitarbeiter dabei gefilmt, wie er den Mannschaftskollegen Jordan Torunarigha – vielleicht auch nicht ganz vorschriftsgemäß – gerade einen Corona-Test unterzieht. In beiden Fällen ist es auch nicht gänzlich abwegig, an Strafvorschriften, insbesondere an die §§ 201, 201a Strafgesetzbuch zu denken, wenn den Gefilmten nicht bekannt war, dass die Kamera weiterläuft und sogar live gestreamt wird.
Klar aber ist: Durch die Aufnahmen und insbesondere deren öffentliche Zurschaustellung werden die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, nämlich das Recht am eigenen Bildnis nach § 22 Kunsturhebergesetzes und das Recht an der eigenen Stimme, nicht unerheblich verletzt; vieles spricht dafür, dass die vorzunehmende Abwägung im Rahmen der praktischen Konkordanz für die Gefilmten ausfällt. Daraus folgt zumindest ein Unterlassungsanspruch gegenüber Kalou, aber unter Umständen auch gegen Dritte, die das Video nach seiner Löschung von der Ausgangsquelle selber weiter zum Abruf bereithalten oder unter Umständen darauf auch nur verlinken. Weitergehend könnte er auch verpflichtet werden, darauf hinzuwirken, dass Versionen seines Videos aus dem Netz verschwinden.
Und schließlich ist wohl auch Hertha BSC in seinem Unternehmens-Persönlichkeitsrecht betroffen. Aus meiner Sicht könnte der Verein– ob medial empfehlenswert mal beiseite lassend – auch deshalb gegen die öffentliche Abrufbarkeit der Aufnahme vorgehen.
Die Deutsche Fußballliga DFL hat noch vor der Hertha am Montag ein Statement abgegeben und die Aufnahmen aus der Kabine als "absolut inakzeptabel" bezeichnet. Wie sehr wackelt jetzt das Vorhaben "Geisterspiele"?
Nun, Hertha hat sich ja bemüht, Kalous Verhalten als unglücklichen Einzelfall darzustellen. Die Aufnahmen zeigen jedoch, dass das Hygienekonzept, das die DFL den Vereinen zur Umsetzung aufgetragen hat, jedenfalls bei der Hertha nicht eingehalten wird. Das sieht eher nach strukturellen Problemen aus. In jedem Fall scheint jede Form der Sensibilisierung der Spieler und Mitarbeiter für dieses Thema zu fehlen. Ich halte es deshalb für wahrscheinlich und wohl auch erforderlich, dass die DFL Hertha BSC die mangelhafte Umsetzung zum Vorwurf machen und vielleicht sogar mit Sanktionen reagieren wird. Ansonsten macht sich der Ligaverband unglaubwürdig bei dem ohnehin nur noch schwer zu vermittelnden Konzept um die "Geisterspiele".
Rechtsanwalt Robert Golz LL.M. ist seit 2012 Partner bei HÄRTING Rechtsanwälte. Er ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Mitglied in der ARGE Sportrecht des Deutschen Anwaltvereins.
Interview zum Kabinen-Video von Salomon Kalou: . In: Legal Tribune Online, 05.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41515 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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