Ohne eine effektive Ahndung von Verstößen büßen die Russlandsanktionen ihre Wirkung ein. Die Europäische Staatsanwaltschaft soll daher übernehmen, fordern die Justizminister von Frankreich und Deutschland in einem Gastbeitrag auf LTO.
Der russische Angriff auf die Ukraine ist von der Europäischen Union mit harten Sanktionen beantwortet worden. Sie zeigen die Entschlossenheit der europäischen Institutionen, den Konflikt zu beenden, und spiegeln die Erschütterung wider, die die europäischen Bürgerinnen und Bürger angesichts der Rückkehr des Krieges auf unseren Kontinent empfinden.
Diese Sanktionen, wie das Einfrieren von Vermögenswerten und Bankkonten, sind Antworten auf die eklatante Verletzung des Völkerrechts durch Russland. Sie richten sich gegen eine stetig wachsende Zahl russischer und belarussischer Personen, Unternehmen und Organisationen. Vergleichbare Sanktionen gelten für Länder wie Nordkorea oder Iran.
Von zentraler Bedeutung ist, dass diese Maßnahmen ihre volle Wirkung entfalten können. Auf direkte oder indirekte Verstöße gegen die verhängten Sanktionen muss in ganz Europa entschlossen und einheitlich reagiert werden. Die Mitgliedstaaten haben auf Vorschlag der Europäischen Kommission ihren politischen Willen bekräftigt, die Liste der EU-Straftatbestände um Verstöße gegen restriktive Maßnahmen dieser Art zu erweitern. Sie sollen künftig im gesamten Hoheitsgebiet der Europäischen Union auf vergleichbare Weise als Straftatbestände bestimmt und als solche geahndet werden.
Europäische Staatsanwaltschaft für Aufgabe prädestiniert
Als Justizminister Frankreichs und Deutschlands sind wir der Ansicht, dass wir darüber noch hinausgehen und Sanktionsverstöße nicht nur gemeinsam bestrafen, sondern auch gemeinsam verfolgen müssen. Deshalb sprechen wir uns dafür aus, dass die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft auf Verstöße gegen restriktive Maßnahmen der Europäischen Union ausgeweitet wird.
Etwas mehr als ein Jahr nach Aufnahme der operativen Arbeit hat die Europäische Staatsanwaltschaft, die in bislang 22 Mitgliedstaaten tätig ist, bereits einige Erfolge vorzuweisen. In knapp 1.200 eingeleiteten Ermittlungsverfahren hat sie Beschlüsse erwirkt, mit denen Vermögenswerte aus Straftaten in Höhe von 259 Millionen Euro sichergestellt werden können. Auch beim Kampf gegen Mehrwertsteuerbetrug ermittelt sie bereits in einer Vielzahl von Fällen, deren Gesamtschaden auf über fünf Milliarden Euro geschätzt wird. Da sie im gesamten Hoheitsgebiet der Europäischen Union unmittelbar und zeitgleich tätig werden kann, verfügt sie über eine einzigartige operative Leistungsfähigkeit in internationalen Betrugsfällen.
Zusammen mit der Europäischen Kommission haben Frankreich und Deutschland die Schaffung der Europäischen Staatsanwaltschaft von Beginn an unterstützt.
Gemeinsame Werte, gemeinsames Vorgehen
Wir leben in einer Zeit, in der Europa angesichts neuer Bedrohungen auch beweisen muss, dass es verhängten Sanktionen gemeinsam Geltung verschaffen kann. Deshalb dient für uns die Ausweitung der Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft auf Sanktionsverstöße zum einen der nötigen Effizienz der Maßnahmen. Sie ist aber auch Ausdruck des Willens, gemeinsam für europäische Entscheidungen auch einzustehen – wie für die Werte, die wir teilen. Wir dringen darauf, dass die Europäische Kommission bald entsprechende Vorschläge vorlegt und rufen unsere Freunde aus den anderen Mitgliedstaaten, die an der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligt sind, dazu auf, sich uns anzuschließen.
Éric Dupond-Moretti ist seit 2020 Justizminister und Siegelbewahrer von Frankreich. Marco Buschmann ist seit 2021 Bundesjustizminister in Deutschland. Für den 28. und 29. November 2022 hat Buschmann zu einem Treffen der G-7-Justizministerinnen und -minister in Berlin eingeladen, an dem auch Dupond-Moretti teilnimmt.
Die Zeitung Le Monde hat den Gastbeitrag in französischer Spracher publiziert. Er ist hier abrufbar.
Verstöße gegen EU-Sanktionen im Russlandkontext: . In: Legal Tribune Online, 28.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50299 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag