Eine Grundgesetzänderung mit dem Kugelschreiber, Katzencontent und Cannabis – Justizminister Marco Buschmann war zu Gast in der TV-Sendung "Chez Krömer". Und er schlug sich nüchtern und nerdig durchs Verhör.
Wer zu Kurt Krömer kommt, kann nie genau wissen, was auf ihn zukommt. Der Komiker und Gastgeber der RBB-Sendung "Chez Krömer" lädt seine Gäste ein in einen schummrigen Studio-Verhörraum. Man sitzt sich an einem schmucklosen Behördentisch gegenüber, dahinter eine Aktenablage, ein Radiator, auf dem Tisch ein Telefon mit Wählscheibe, im Aschenbecher brennt eine Zigarette runter. In einer Akte vor Krömer sind Fragen vorbereitet. Die Zuschauer müssen in der Regel nicht allzu lange warten, um den ungefähren Ausgang des 30-minütigen Formats vorauszuahnen. Es gibt Gäste, die mag Krömer, und es gibt Gäste, die mag er nicht. Ein Auftritt, bei dem die Gäste ins Risiko gehen.
In der aktuellen Folge sitzt der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Verhörraum. Und man ahnt als Zuschauer nicht sofort, wo die Reise hingehen wird. Eine halbe Stunde später, nach dem Ende des Verhörs, wird Krömer halbernst sagen: "Warum bin ich fix und alle?" Was ist passiert?
Buschmann: "Ich fühle mich im Recht, egal wo ich am Tisch sitze"
Bevor es richtig zur Sache geht mit seinem ersten Gast aus einem Bundesministerium, erinnert Krömer ihn nochmal: "Sie wissen schon, es geht um Remmi-Demmi hier", ganz so, als ahne er da bereits, dass er mit diesem Gast kein allzu leichtes Spiel haben wird. Buschmann stellt sich selbst als "Büroklammer" vor und tut verwundert über die Einladung in die Sendung. Juristen seien ja bekanntlich nüchtern und kontrolliert – und genau so will es der Minister wohl auch bei Krömer angehen lassen.
Krömer – der eigentlich Alexander Bojcan heißt – ist bekannt für seine berlinernde Mischung aus naiv überdrehten, dann überraschend treffsicheren und originell recherchierten Fragen. Besonders berüchtigt: Seine bissigen Nachfragen, sein gespieltes Missverständnis. Und sein vielleicht wichtigstes Markenzeichen: Krömer verbreitet Unruhe bei den Gästen und strahlt gleichzeitig die allergrößte Ruhe aus.
Die meisten Gäste der Sendung scheinen sich vorher eine Strategie überlegt zu haben, wie sie dem angriffslustigen Komiker begegnen wollen. Der Linken-Politiker Gregor Gysi versucht in einer Folge, die Regie selbst zu übernehmen, serviert in Krömers Verhörstudio das Wasser und überhäuft den Gastgeber mit eigenen Fragen. Der Modedesigner Harald Glööckler beginnt abweisend und korrigiert den Komiker bei jeder Gelegenheit, bevor die beiden in ein offenes Gespräch hineinfinden. Beim PEN-Präsidenten Deniz Yücel eskaliert es schlichtweg.
Justizminister Buschmann wirkt bei seinem Auftritt offen, neugierig, vor allem ruhig, und bleibt in der Defensive. Er bringt aber gleich am Anfang schon mal eine Antwort unter, die sogar den Komiker kurz schmunzeln lässt. Krömer mit der leicht schiefen Frage: "Herr Justizminister, was ist das für ein Gefühl, mal auf der anderen Seite des Gesetzes zu sitzen? Buschmann: "Ich fühle mich im Recht, egal wo ich am Tisch sitze"
Ein Hauch von cringe
Es folgt eine typische Krömer-Frage an einen Justizminister: "Was machen Sie beruflich?" Buschmann erzählt von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium, der Arbeit an Gesetzen, Mehrheiten, dem Bundesgesetzblatt – und wird gleich von Krömer unterbrochen, der ihn erinnert: Bitte nur kurze Antworten. Buschmann überlegt einen Moment: "Es ist schon viel zu tun". Und in diesem Stil geht es weiter. Nerdig, aber nicht unsympathisch.
Das Jugendwort des Jahres 2021 war "cringe". Das bedeutet, aus dem Englischen übersetzt, so viel wie "schamvolles Erschaudern", und ein Hauch von cringe weht manchmal durch den Verhörraum. Aber egal, ob Krömer ihm eine Taschenbuchausgabe des Grundgesetzes und Kugelschreiber anbietet mit der Bitte, doch einfach die 100-Milliarden für die Bundeswehr direkt hineinzuschreiben: "Sie sind doch der Justizminister", oder ihn fragt: "Hammse wat zum Kiffen bei?" oder "Sind Sie nicht so der Schlägertyp?", der Minister hält durch. Man kann noch nicht einmal sagen, die Fragen prallten an ihm ab, vielmehr pariert er sie nüchtern und kontrolliert.
Buschmann erklärt, wie man das Grundgesetz ändert, dass sein Parteikollege Wolfgang Kubicki seinen ganz eigenen Kopf habe und dass er keinen Katzen-Content auf Social Media verbreite. Zwischendurch schafft er es sogar, das rechtspolitische Konzept der "Verantwortungsgemeinschaft" auszubreiten, das wirklich kein Remmi-Demmi-Thema ist. Und es wirkt ganz so, als finde auch Krömer nach und nach Gefallen an dem Verlauf. Oder er lässt sich jedenfalls zufrieden einwickeln.
Eingestreut werden noch ein paar Details zu Buschmanns Biografie: Warum der gebürtige Gelsenkirchener in die FDP statt in die SPD eingetreten ist, mit welcher Waffe er bei der Bundeswehr einen Schützen-Pokal gewonnen hat, und was er jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit ins Regierungsviertel macht.
Noch etwas hat Krömer für das Finale vorbereitet: "Die Redaktion hat nen Troll gefunden, der tut so als wäre er Sie, der postet sowas …" Lauter Elektrosound setzt ein, und der Account von "MBSounds" auf Soundcloud wird eingeblendet, ein Elektroproducer. "Das ist kein Troll, das bin ich", sagt Buschmann und darf noch einmal erzählen, wie er seit seiner Jugend an Elektro-Tracks bastelt.
Der Minister findet schnell in eine abgeklärte Rolle, die ihn durch die 30 Minuten tragen wird. Und sie entfaltet offenbar Wirkung. Auf der Video-Plattform Youtube finden sich unter den mehr als 1.000 Kommentaren nicht wenige mit der Grundaussage: "Bin kein Fan der FDP, aber das hat der sehr gut gemacht. Guter Typ." Auch Krömer kommt in den Kommentaren gut weg. Sieht ganz so aus, als hätte sich die Folge für beide gelohnt.
Justizminister Buschmann bei Komiker Krömer: . In: Legal Tribune Online, 14.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48171 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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