2/2: Fristlose Kündigung bei Unternehmensbezug möglich
Im Bereich des Arbeitsrechts sehen sich die Unternehmen mit zwei Ebenen von Hatespeech konfrontiert. Auf der einen Seite handelt es sich um betriebsinterne Vorgänge, die über Kommentare auf Sozialen Netzwerken bekannt werden. Beschäftigte äußern sich dabei beleidigend über Kollegen oder Vorgesetzte (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 10.10.2012, Az. 3 Sa 644/12; LAG Hessen, Urt. v. 28.01.2013, Az. 21 Sa 715/12). Die zweite Ebene betrifft Fälle, in denen Arbeitnehmer beleidigende oder volksverhetzende Kommentare über betriebsfremde Umstände auf Sozialen Netzwerken verfassen (vgl. ArbG Gelsenkirchen, Urt. v. 24.11.2015, Az. 5 Ca 1444/15; ArbG Mannheim, Urt. v. 19.02.2016, Az. 6 Ca 190/15).
Für die Beurteilung möglicher arbeitsrechtlicher Konsequenzen, dabei vor allem der außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), ist diese Unterscheidung von erheblicher Bedeutung, denn es gilt das Prinzip der Trennung von Geschäftlichem und Privaten: Was ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit tut, geht den Arbeitgeber nichts an. Außerdienstliches Verhalten kann nur dann einen Grund für eine fristlose Kündigung bieten, wenn ein Unternehmensbezug vorliegt. Ein solcher Bezug ist bei der Beleidigung von Kollegen oder Vorgesetzten in Sozialen Netzwerken in der Regel gegeben: Es reicht aus, wenn im Unternehmen beschäftigte Facebook-"Freunde" einen beleidigenden Kommentar lesen. Unerheblich ist, ob der Beschäftigte den Kommentar während oder außerhalb seiner Arbeitszeit verfasst hat.
Bei fremdenfeindlichen Facebook-Beiträgen, die sich nicht auf Unternehmensangehörige beziehen, wird es schwieriger. In jedem Fall ist der Unternehmensbezug gegeben, wenn der Beschäftigte auf seinem öffentlichen Facebook-Profil seinen Arbeitgeber angibt oder Fotos von sich in Dienstkleidung postet (vgl. ArbG Mannheim, Urt. v.19.02.2016, Az. 6 Ca 190/15; ArbG Herne, Urt. v. 22.03.2016, Az. 5 Ca 2806/15).
Verstoß muss schwer genug wiegen
In einem weiteren Schritt ist dann zu klären, ob die inkriminierte Aussage an sich einen Grund für eine fristlose Kündigung bieten kann. Grobe Beleidigungen zum Nachteil des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen sind grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urt. v. 8.12.2014, Az. 2 AZR 265/14). Gleiches gilt für volksverhetzende Äußerungen (BAG, Urteil vom 14.02.1996, Az. 2 AZR 274/95). Es handelt sich dabei um die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht.
Wenn danach ein wichtiger Grund für eine Kündigung vorliegt, hat der Arbeitgeber im Rahmen des § 626 Abs.1 BGB eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei sind das Interesse des Unternehmens an der Beendigung und das Interesse des Beschäftigten an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses gegenüber zu stellen. Ein erhebliches Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist gegeben, wenn durch volksverhetzende Äußerungen der Ruf des Unternehmens beschädigt wird oder ein solcher Schaden droht. Dabei kommt es auf die Stellung des Beschäftigten und auf die Form des Unternehmens an. Fremdenfeindliche Äußerungen eines Leitenden Angestellten werden dem Unternehmen eher zugerechnet als solche eines Lagerarbeiters.
Wer im öffentlichen Dienst beschäftigt oder gar Beamter ist, muss besonders vorsichtig sein, da an solche Beschäftigte höhere Anforderungen in Bezug auf Verfassungstreue gestellt werden (vgl. BAG, Urt. v. 06.09.2012, Az. 2 AZR 372/11; ArbG Gelsenkirchen, Urt. vom 24.11.2015, Az. 5 Ca 1444/15). In die Interessenabwägung ist zugunsten des Arbeitnehmers sein Verhalten nach Abgabe des Kommentars zu berücksichtigen. Löscht er den Post sofort und entschuldigt er sich, so rechnen die Gerichte dies dem Beschäftigten positiv an. Eine weitere Rolle spielen die Dauer der Beschäftigung, ob das Arbeitsverhältnis bisher unbelastet war sowie die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers.
Unternehmen sollten sich vor Ausspruch einer Kündigung die Frage stellen, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der richtige Weg ist. Ein einmaliger Ausrutscher sollte dann nicht überbewertet werden, wenn es sich um einen ansonsten integren Mitarbeiter handelt, der Beschäftigte sich einsichtig zeigt und ein Reputationsschaden des Unternehmens nicht anzunehmen ist. Bei dieser kann auch die strafrechtliche Würdigung entscheidend sein. Die Geschäftsführung kann den Beschäftigten auch durch eine Abmahnung wieder zu vertragskonformen Verhalten bewegen.
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