Finanzbetrug in Milliardenhöhe?: Was hinter der neuen Zivil­klage gegen Ex-Prä­si­dent Trump steckt

Gastbeitrag von Benedikt Gremminger

24.09.2022

Mitte der Woche hat die New Yorker Generalstaatsanwältin wegen umfassender Betrugsvorwürfe eine Zivilklage gegen die Trump-Familie erhoben. Was es damit auf sich hat und was es für die Trumps bedeuten könnte, ordnet Benedikt Gremminger ein.

Letitia James, Attorney General des Bundesstaats New York, hat am Mittwoch eine Zivilklage gegen Donald Trump, seine drei ältesten Kinder Ivanka, Donald Jr. und Eric, die Trump Organization und zwei ihrer Vorstandsmitglieder wegen umfassender Betrugsvorwürfe erhoben. Der Ex-Präsident, seine Kinder und seine Unternehmen sollen über mehr als zehn Jahre im großen Maße Trumps tatsächliche Vermögenswerte falsch angegeben haben, um so niedrigere Steuern bezahlen zu müssen und gleichzeitig von günstigeren Konditionen für Kredite und Versicherungsleistungen zu profitieren.

In ihrer 229-seitigen Anklageschrift wirft James, als Attorney General gleichzeitig Justizministerin und Generalstaatsanwältin von New York, Trump vor, in über 200 Fällen seine Vermögenswerte in falscher oder irreführender Weise angegeben zu haben.  Insgesamt soll im Laufe von zehn Jahren um Milliarden von Dollar betrogen worden sein. Trump, so James während ihrer Pressekonferenz am Mittwoch, habe mit diesen Unternehmenspraktiken im Laufe der Zeit die “Kunst der ungerechtfertigten Wegnahme“ (“Art of the Steal“) perfektioniert, eine unzweideutige Anspielung auf Trumps berühmten Lebensratgeber The Art of the Deal.

Die Anklageerhebung ist dabei der neueste Höhepunkt eines mehrjährigen Verfahrens gegen Trump und seine Unternehmen, das potenziell illegale Praktiken des Unternehmens vor und während der Amtszeit von Trump untersuchte. So soll Trump seine Unternehmensbeteiligungen, Golfclubs und sonstige Immobilien in offiziellen Angaben wiederholt überbewertet haben - trotz widersprechenden externen Überprüfungen. Unter andere soll er sein berühmtes Luxusressort in Mar-a-Lago (Florida) mit über 730 Millionen US-Dollar valutiert haben, obwohl dieses “nur” etwa 75 Millionen wert sei.  

Die Klage der New Yorker Staatsanwaltschaft vor dem New York State Supreme Court beantragt daher, Trump zur (Rück-)Zahlung von etwa 250 Millionen US-Dollar zu verpflichten, ihm und seinen Kindern ein umfassendes persönliches Geschäftsverbot aufzuerlegen und sein Unternehmen für fünf Jahre einer unabhängigen Finanzaufsicht zu unterstellen. Da die Klage einen Zivilprozess eröffnet, drohen Trump und seinen Kindern hieraus aber keine Haftstrafen.

Daneben hat die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren – soweit diese zuständig sind – an die lokalen Bezirksstaatsanwälte und die Bundessteuerbehörde weitergeleitet.

Trump sieht das Verfahren als politisch motivierte Hexenjagd

Trump selber bezeichnete die Vorwürfe in einem Statement auf der Medienplattform Truth Social als unbegründete “Hexenjagd“ gegen ihn und unterstellte James unsubstantiiert rassistische Motive. Daneben behauptete er, die Generalstaatsanwältin betreibe das Verfahren vor allem aus politischer Voreingenommenheit, auch weil im November ihre Wiederwahl anstehe. Donald Trump Jr., der älteste Sohn des Ex-Präsidenten, warf der Generalstaatsanwältin sogar schwerwiegenden Amtsmissbrauch vor und verglich sie mit kommunistischen und faschistischen Regimes.

Der Ausgang des Verfahrens ist dabei noch unklar. Viele der ersten Einschätzungen halten zwar eine Verurteilung zulasten von Trump für wahrscheinlich. Dies deckt sich auch mit einer umfassenden rechtlichen Analyse, die das liberale Brookings Institute nahezu zeitgleich veröffentlicht hat. Gleichzeitig gibt es aber auch Zweifel, ob die Beweislast gegen Trump für eine Verurteilung im Sinne der Klageschrift ausreicht. So hat Trump viele der möglicherweise unrechtmäßig erlangten Kredite bereits vollständig zurückgezahlt, womit es bereits an einem Schaden fehlen könnte. Darüber hinaus dürfte es dem Team von James schwerfallen, Trump bei der oft stark subjektiven Bewertung von Vermögensgegenständen ein missbräuchliches Täuschungsverhalten nachzuweisen.

Andererseits gibt die zivilrechtliche Natur des Verfahrens der Generalstaatsanwaltschaft auch einige Trümpfe in die Hand. Nicht nur ist die Beweislast im Zivilprozess niedriger als in strafrechtlichen Verfahren. Zudem kann James dort die Berufung von Trump auf sein verfassungsrechtliches Zeugnisverweigerungsrecht (5. Verfassungszusatzartikel)  im Verfahren gegen ihn fruchtbar machen.

Eine Zivilklage von der Staatsanwaltschaft

Das Instrument der Zivilklage durch Bundes- oder Generalstaatsanwälte ist dabei eine Besonderheit des US-Rechtssystems. Sie ermächtigt Staatsanwaltschaften bei bestimmten nichtstrafrechtlichen Verletzungen – der genaue Umfang ihrer Kompetenzen ist je nach Bundesstaat unterschiedlich – gegen Privatpersonen und Unternehmen vor den Zivilgerichten vorzugehen. Insbesondere bei umfangreichen Verfahren und Klagen gegen große Unternehmen bietet es sich für die Generalstaatsanwaltschaften an, auch ein zivilrechtliches Verfahren anzustrengen. Diese Prozesse können dann im Ergebnis zu Schadensersatzzahlungen oder weiteren Sanktionen für die unterlegene Seite führen. Für strafrechtliche Sanktionierungen ist dagegen ein separates Verfahren zu führen.

Das von James initiierte Zivilverfahren ist dabei nur eine der rechtlichen Sturmwolken, die aktuell über Ex-Präsident Trump schweben. Allein im Bundesstaat New York betreibt der Bezirksstaatsanwalt von New York City, Alvin Bragg, weitere (strafrechtliche) Verfahren gegen Trump und seine Unternehmen, die im August bereits zu einem Geständnis von Trumps Chief Financial Officer Allen Weisselberg führten .

Das US-Justizministerium ermittelt zudem wegen unzulässigen Gebrauchs vertraulicher Dokumente (dazu bei LTO) und untersucht weiterhin Trumps Verantwortung für den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Parallel dazu ermittelt die lokale Staatsanwaltschaft in Georgia wegen Trumps gescheiterter Versuche, die dortigen offiziellen Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahl 2020 annullieren zu lassen.

Benedikt Gremminger studiert Jura an der Universität Bonn, zwischenzeitlich auch an der Université de Fribourg (Schweiz). Er schreibt regelmäßig für The New Federalist und The Brussels Times.

Zitiervorschlag

Finanzbetrug in Milliardenhöhe?: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49725 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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