Die Innenminister werden u. a. über schärfere Gesetze gegen Fußballfans beraten. Wer im Stadion stört, soll künftig ggf. mit Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen müssen. Das Abbrennen von Pyrotechnik wird vielleicht auch härter bestraft.
Randalierende oder mit Pyrotechnik zündelnde Stadionbesucher stehen erneut im Fokus der Innenminister. Auf ihrer anstehenden Konferenz (IMK) vom 4. bis 6. Dezember in Lübeck sollen Strafverschärfungen im Strafgesetzbuch (StGB) oder im Sprengstoffgesetz (SprengG) beschlossen werden. Das geht aus einem Entwurf der Tagesordnung für das Treffen hervor, die LTO (mit Stand vom 20. November) vorliegt.
Maßnahmen gegen störende Fußballfans sind auf der IMK traditionell ein Dauerbrenner. Seit Jahren wird etwa darüber diskutiert, ob die Schaffung eines neuen Straftatbestandes bei Einsatz von Pyrotechnik Sinn ergibt. Während sich die Innenminister insoweit bislang nicht zu konkreten Gesetzesänderungen durchringen konnten, beauftragten sie nach der vergangenen Herbst-IMK vor gut einem Jahr in Magdeburg eine Arbeitsgruppe damit, "geeignete Maßnahmen zu erarbeiten, die sich sowohl im Bereich des Strafrechts als auch im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts bewegen können."
Die Arbeitsgruppe hat nun offenbar geliefert. Im Beschlussvorschlag für die anstehende IMK in Lübeck heißt es: "Die IMK ist der Auffassung, dass eine Reform des § 125 StGB 'Landfriedensbruch' und eine Gesetzesinitiative zur Änderung des § 40 SprengG geeignete Mittel darstellen, einerseits den anonymen Schutz einer Menschenmenge aufzuheben und zum anderen der gesellschaftlichen Missbilligung wie auch der tatsächlichen Gefährlichkeit des Umgangs mit Pyrotechnik Ausdruck zu verleihen. Die IMK sieht darüber hinaus eine Möglichkeit, durch eine Änderung des § 69 StGB eine Entziehung der Fahrerlaubnis bei Störern Sport einzuführen."
Im Sprengstoffgesetz dürfte es den Innministern darum gehen, den Anwendungsbereich auf zugelassene Pyrotechnik-Mittel auszudehnen. Heute scheidet eine Strafbarkeit des nicht gewerbsmäßigen Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände nach dem Sprengstoffgesetz (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG, der eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vorsieht) bereits dann aus, wenn durch die Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM) konformitätsbewertete oder zugelassene Gegenstände verwendet werden.
Strafverteidiger: "Effekthascherei, die nichts mit geltenden Strafzwecken zu tun hat"
Haupt-Aufreger der IMK-Vorschläge ist jedoch nicht eine mögliche Neuregelung im Sprengstoffgesetz, sondern eher die angestrebte Änderung des § 69 StGB (Entziehung der Fahrerlaubnis) und die Überarbeitung des Tatbestands des Landfriedensbruchs.
Dass Störer in Fußballstadien künftig mit der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB rechnen sollen, sorgt bei Anwälten für Kopfschütteln. Der Hannoveraner Strafverteidiger Andreas Hüttl, zu dessen Mandanten seit Jahren auch viele Fußballfans zählen, nannte im Gespräch mit LTO den Vorschlag "vollkommen absurd". Die Entziehung der Fahrerlaubnis diene allein präventiv der Verkehrssicherheit. Zweck der Maßregel sei nicht die Bekämpfung der allgemeinen Kriminalität. Eine weitergehende, großzügigere Auslegung sei auch nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2005 nicht mehr zulässig.
Der Große Senat hatte damals zum einen den präventiven Verkehrssicherheitscharakter der Vorschrift beton sowie angemahnt, dass die Anlasstat "tragfähige Rückschlüsse darauf zulässt, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen" (Beschl. v.27.04.2005, Az. GSSt 2/04).
Wie Hüttl lehnt auch sein Bochumer Kollege Rechtsanwalt Matthias Düllberg den Vorschlag der Innenminister zur Fahrerlaubnisentziehung ab. Düllberg, der sich seit Jahren mit strafrechtlichen Aspekten rund um den Fußball beschäftigt, macht der Vorschlag der Innenminister ein Stück weit ratlos: "Neben der Ungleichbehandlung von Menschen mit und ohne Fahrerlaubnis erschließt sich nicht, weshalb die Verhängung dieser Maßregel zu einer erhöhten Sicherheit gerade im Stadion führen soll. Für mich ist das Effekthascherei, die allein auf einer diffusen Hoffnung auf Abschreckung getragen wird", so Düllberg. Mit den geltenden Strafzwecken habe das jedenfalls nichts zu tun.
Landfriedensbruch durch bloße Anwesenheit im Fanblock?
Erhebliche Bauchschmerzen bereitet den Anwälten auch die von den Innenministern anvisierte Reform des Landfriedensbruchs nach § 125 StGB. Dadurch soll wohl erreicht werden, "dass das bloße 'Dabeisein' in einer unfriedlichen Menge, ohne jegliche eigene kriminelle Handlung, bestraft werden soll", mutmaßt Strafverteidiger Hüttl. Dies sei im Hinblick auf das Demonstrationsrecht "mehr als bedenklich und deutlich zu weit gefasst."
Düllberg hält die Ausweitung der Strafbarkeit auf die Beteiligung an einer Gruppe für äußerst problematisch: "Im Bereich einer Fankurve umso mehr, als dass die Gruppe selbst oft unüberschaubar ist und es an konkreten Handlungen vollkommen Unbeteiligten meines Erachtens nicht zugemutet werden kann, allein durch die Anwesenheit in einem Block bzw. die Zugehörigkeit zu einer Fangruppe pauschal in Verdacht zu geraten."
Düllberg hält Gesetzesverschärfungen rund um den Stadionbesuch für unnötig, die vorhandenen Instrumentarien und Gesetze reichten zur angemessenen Sanktionierung vollkommen aus. "Sobald es zu Verletzungen kommt, greifen die Vorschriften über die Körperverletzung unzweifelhaft ein. Bei entsprechend gefährlichen Verhalten liegt diese oftmals zumindest im Versuch vor", so der Fachanwalt für Strafrecht.
Fußballstadien: "Der sicherste Ort in der Republik"
Ähnlich sieht es auch Strafverteidiger Hüttl: Aus den vergangenen Jahresberichten der Zentralen Informationsstelle Sport (ZIS) sei "deutlich" zu entnehmen, dass die Anzahl der Verletzten im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen auf niedrigem Niveau liege, teilweise sogar zurückgehe." In Anbetracht der objektiven Zahlen lasse sich feststellen, dass ein Stadion tatsächlich "der sicherste Ort in der gesamten Republik ist", so Hüttl.
Sein Berliner Anwaltskollege Rene Lau, Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte, interpretiert das Ansinnen der Innenminister deshalb so: "Offensichtlich geht wieder mal eine Profilierungswelle der Innenminister durchs Land, wer der beste Law-and-Order-Politiker ist."
Ob sich die Innenminister am Ende auf alle diese Maßnahmen werden einigen können, bleibt abzuwarten. Schließlich herrscht bei einer IMK stets das Prinzip der Einstimmigkeit. Die Hoffnung der Anwälte könnten insbesondere auf Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) ruhen. Dieser hatte sich bereits im vergangenen Jahr auf der IMK gegen härtere Strafen für Pyrotechnik-Sünder ausgesprochen. Statt härterer Strafen sollten lieber die Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen im Stadion verstärkt werden, sagte er damals.
Viel Kritik bei seinen Ministerkollegen hatte Pistorius seinerzeit auch sein Vorschlag eingebracht, das Abbrennen von Pyrotechnik in bestimmten, abgesperrten Bereichen kontrolliert zuzulassen. Diese Maßnahme, die etwa Rechtsanwalt Düllberg für sinnvoll erachtet, ist allerdings auf der IMK in Lübeck nach aktuellem Stand kein Thema.
Innenministerkonferenz in Lübeck im Dezember: . In: Legal Tribune Online, 22.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38851 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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