Der Foreign Account Tax Compliance Act soll dem US-Fiskus helfen, Schwarzgelder aufzuspüren und betrifft jeden, der Zahlungen aus US-Quellen erhält. Warum das US-Steuergesetz, das zum 1. Januar 2013 in Kraft tritt, die weltweite Finanzwirtschaft in Aufruhr versetzt, erklärt Andreas Ruckes im LTO-Interview.
LTO: Was ist Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) und was regelt er?
Ruckes: Am 18. März 2010 trat FATCA als ein Teil des HIRE Act in Kraft. Der HIRE Act regelt als US-amerikanisches Gesetz steuerliche Entlastungen für Arbeitgeber hinsichtlich des Lohnsteuerabzugs. Zur Gegenfinanzierung dieser Entlastungen enthält der HIRE Act auch neue Regelungen zur Meldung von Konten von US-Personen außerhalb der USA. Diese neuen Regelungen werden als FATCA bezeichnet. Ihr Ziel ist die Vermeidung von Steuerhinterziehung weltweit. Da FATCA keine unmittelbare Wirkung für ausländische Banken entfalten kann, ist für die Durchsetzung ein Druckmittel vorgesehen: Auf alle Zahlungen, die aus den USA kommen und an eine ausländische Bank geleitet werden, behalten die USA 30 Prozent Quellensteuer ein. Dies können die Banken nur vermeiden, indem sie kooperieren.
LTO: Wie haben die USA denn bislang ihre Steuern eingetrieben?
Ruckes: Als Vorläufer von FATCA kann man das QI-System bezeichnen. Dabei wurde bereits ein Steuerabzug auf bestimmte Einnahmen aus US-Wertpapieren vorgenommen. Allerdings haben Untersuchungen gezeigt, dass der Großteil von US-Erträgen vom QI-System nicht erfasst wurde. Daher sahen die USA die Notwendigkeit, ein umfangreicheres System, eben FATCA, auf den Weg zu bringen. Im Übrigen ist zu beobachten, dass sich die Zahl der Tax Information Exchange Agreements weltweit zwischen 2008 und 2011 von ca. 44 auf ca. 660 erhöht hat. Allgemein ist der Trend zu beobachten, dass immer weniger darauf vertraut wird, der Einzelne werde schon seine Steuererklärung abgeben; vielmehr werden verstärkt Dritte – wie Finanzinstitute – als verlängerter Arm der Steuerbehörden in die Pflicht genommen.
LTO: Betrifft FATCA ausschließlich die Banken oder sind die neuen Regelungen sehr viel weitreichender?
Ruckes: FATCA richtet sich an so genannte Financial Institutions, also Finanzinstitute im Allgemeinen. Der Anwendungsbereich ist somit sehr weit gefasst. Zwar sind in erster Linie Banken angesprochen. Jedoch können auch Versicherungen, offene und geschlossene Investmentfonds, Börsenmakler und andere betroffen sein. Sie müssen ihren Kundenbestand auf US-Steuerpflichtige untersuchen und diese Kunden der amerikanischen Bundessteuerbehörde IRS melden. Für Banken und Versicherungen ist dies in der Regel möglich – allerdings mit großem Aufwand verbunden. Für Investmentfonds ist es dagegen fast unmöglich, denn diese kennen in der Regel ihre Anteilseigner nicht.
"Informationsbedürfnis des IRS ist nicht mit deutschem Datenschutzrecht zu vereinbaren"
LTO: Welche konkreten Daten müssen die Finanzinstitute also 2013 jährlich abliefern?
Ruckes: Für die Jahre 2013 und 2014 müssen die Finanzinstitute bis zum 30. September 2015 zunächst nur Name, Adresse, U.S. TIN, Kontonummer und Kontostand des Kontoinhabers melden. Ab 2015 sind dann zusätzlich auch alle erhaltenen Dividenden, Zinsen und sonstige Einnahmen zu melden, und ab 2016 zusätzlich Veräußerungserlöse.
LTO: Aber liegt denn nicht genau hier eine Gefahr für das Bankgeheimnis?
Ruckes: Das ist in der Tat ein Problem, denn es ist nicht nur das Bankgeheimnis betroffen, sondern auch ganz allgemeine Regelungen des Datenschutzes. In einem großen Bankkonzern kann man beobachten, dass das sehr tiefreichende Informationsbedürfnis des IRS nicht immer mit den jeweils vorhandenen lokalen Gesetzen in Einklang zu bringen ist. Auch eine Einverständniserklärung des Kunden hinsichtlich der Weitergabe seiner Daten an den IRS ist nicht in jedem Fall wirksam, da es oftmals an der Freiwilligkeit fehlt. Als Konsequenz bleibt manchen Instituten dann nur die Trennung von den US-Kunden. In Deutschland ist hier der Gesetzgeber gehalten, im Rahmen des erwarteten Länderabkommens eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen, die es den Banken ermöglicht, Kontodaten ohne Verstoß gegen rechtliche Vorgaben melden zu dürfen.
Seite 2/2: "Harmonisierung der Länderabkommen wünschenswert"
LTO: Das Bundesfinanzministerium hat im Juli das "Musterabkommen zur Steuerehrlichkeit und Umsetzung des FATCA" veröffentlicht. Es bildet die Grundlage für das avisierte bilaterale Abkommen, in dem sich Deutschland verpflichten wird, FATCA-relevante Informationen zu erheben. Bedeutet die Umsetzung mehr Rechtssicherheit?
Ruckes: Für Finanzinstitute, die ihren Sitz in Deutschland haben, ist das Abkommen zu begrüßen. Es bedeutet mehr Rechtssicherheit schon deshalb, weil Finanzinstitute mit deutschen Begriffen und gesetzlichen Vorgaben arbeiten können und sich nicht mit der Interpretation komplizierter amerikanischer Gesetze beschäftigen müssen. Wünschenswert wäre jedoch eine Harmonisierung der unterschiedlichen Länderabkommen mit dem Code of Federal Regulations, ansonsten müssen multinational operierende Konzerne im schlimmsten Fall in jedem Land ihrer Geschäftstätigkeit ein eigenes FATCA-System implementieren. Da die Regelungen des avisierten Länderabkommens in einigen Punkten dem Code of Federal Regulations widersprechen, besteht nach wie vor eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit. In datenschutzrechtlicher Hinsicht wird das Länderabkommen aber wohl Rechtssicherheit bringen, zumindest für die davon jeweils umfassten Finanzinstitute.
LTO: Wie sollten sich Unternehmen, Banken und Berater jetzt vorbereiten?
Ruckes: Finanzinstitute müssen frühzeitig die spezifischen Anforderungen von FATCA analysieren und umsetzen. In der Regel werden hierzu in den Häusern entsprechende Projekte aufgesetzt, in denen sich eine Vielzahl von Mitarbeitern mit der Umsetzung beschäftigen. Relevant sind vor allem die beiden Bereiche Kundenidentifikation und Meldung der Daten. Deutsche Unternehmen sollten sich außerdem mit der Frage auseinandersetzen, ob sie US-Steuerpflichtige als Anteilseigner haben. Dann müssten sie in bestimmten Fällen an ihr Finanzinstitut melden, wenn diese zu mehr als 25 Prozent an dem Unternehmen beteiligt sind. Dies begründet der IRS damit, dass sich anderenfalls US-Steuerpflichtige hinter ausländischen Unternehmen, wie beispielsweise einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH, "verstecken" könnten.
"Funktioniert FACTA, werden andere Länder das System übernehmen"
LTO: Ist es denkbar oder sogar vorhersagbar, dass das Konzept FATCA auch in anderen Staaten übernommen wird, um ebenfalls mehr Steuertransparenz zu schaffen?
Ruckes: Das ist sehr wahrscheinlich. FATCA wird weltweit von vielen Staaten beobachtet. Funktioniert FATCA, werden sukzessive auch andere Länder ähnliche Systeme implementieren. Schon heute sieht das Musterabkommen vor, dass der Datenaustausch auf Gegenseitigkeit basiert. Deutschland wird also nicht nur Daten an die USA liefern, sondern im Gegenzug auch Daten über deutsche Steuerpflichtige mit Konten in den USA erhalten. Über kurz oder lang wird dies im Kampf gegen die Steuerhinterziehung die Regel sein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es bald zu einem globalen Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden über ausländische Steuerpflichtige kommen wird. Selbst bei der ansonst sehr zurückhaltenden Schweiz sieht man in Steuersachen Bewegung, wie das deutsch-schweizerische Steuerabkommen zeigt.
LTO: Wird die USA mit FATCA Ihrer Meinung nach tatsächlich alle Steuerschlupflöcher schließen können?
Ruckes: Kein System ist perfekt, auch FATCA nicht, es gibt Lücken. Steuerhinterzieher werden immer Mittel und Wege finden, sich dem Zugriff des Fiskus zu entziehen. Der Aufwand, der hierzu betrieben werden muss, wird aber immer höher, sodass sich der Großteil potenzieller Steuerhinterzieher hoffnungsgemäß in die Steuerehrlichkeit zurück begeben wird. Steuerhinterziehung wird zwar nach wie vor als Kavaliersdelikt und bisweilen als "Sport" angesehen; aber vergessen wir nicht: Wer Steuern hinterzieht, schadet der restlichen Gesellschaft.
LTO: Vielen Dank für das Gespräch.
Rechtsanwalt Andreas Ruckes, LL.M., ist stellvertretender Workstreamleiter
Tax/Legal/Compliance des FATCA Projekts bei einer deutschen Großbank und Autor des Buches "FATCA: Foreign Account Tax Compliance Act".
Das Interview führte Viola C. Didier.
Andreas Ruckes, LL.M., US-amerikanisches Steuerabkommen FATCA: "Ein Datenaustausch, der auf Gegenseitigkeit beruht" . In: Legal Tribune Online, 05.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6993/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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