Die Bankenunion soll die EU wetterfest für künftige Finanzkrisen machen. Bevor es soweit ist, herrscht aber wieder einmal Streit um die richtige Rechtsgrundlage – ein Dauerbrenner der Krisenpolitik. Während Kommission und Parlament zu Recht eine EU-Verordnung fordern, bevorzugt die Bundesregierung aus rein politischen Gründen für einzelne Teile einen völkerrechtlichen Vertrag, meinen Christoph Herrmann und Herbert Rosenfeldt.
Derzeit wird auf europäischer Ebene über das letzte Element der Bankenunion verhandelt, den einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM). Dieser soll die "Schicksalsgemeinschaft" zwischen Banken und ihren Heimatstaaten durchbrechen. Geplant ist, die Abwicklung maroder Banken aus einem gemeinsamen Fonds zu finanzieren, der sich aus Beiträgen der Finanzinstitute speist, und der von einer EU-Agentur verwaltet wird.
Während Kommission und Parlament den SRM mit einer EU-Verordnung einführen wollen, hat die Bundesregierung im Rat durchgesetzt, dass die Finanzierung der Bankenabwicklung aus dieser Verordnung herausgelöst und in einem völkerrechtlichen Vertrag (Intergovernmental Agreement – IGA) vereinbart wird. Dabei kann und muss der SRM vollständig auf unionsrechtlicher Grundlage bewerkstelligt werden.
Binnenmarktkompetenz ist richtige Rechtsgrundlage
Die Kompetenzen der EU folgen dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, das heißt, die Union darf nur tätig werden, wenn ihr die Verträge eine Zuständigkeit übertragen, Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EU-Vertrag (EUV). Ein EU-Rechtsakt ohne eine solche Kompetenzgrundlage ist rechtswidrig. Nach Lesart des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist er überdies – sofern der Kompetenzverstoß offensichtlich und strukturbedeutsam wäre – in Deutschland unanwendbar.
Kommission und Parlament gehen nun im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Kompetenz zur Binnenmarktharmonisierung, Art. 114 Abs. 1 AEUV, den gesamten SRM trägt. Der einheitliche Abwicklungsmechanismus beseitigt Hemmnisse für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen, die sich aus unterschiedlichen nationalen Abwicklungsmechanismen ergeben können und dient damit der Verwirklichung des Binnenmarkts. Dass der SRM zugleich der Finanzsystemstabilität dient, ist unschädlich, da auf Art. 114 Abs. 1 AEUV gestützte Maßnahmen regelmäßig andere Zwecke mitverfolgen und dies auch tun sollen, vgl. Art. 114 Abs. 3 AEUV.
Es ist auch unproblematisch, dass der SRM nicht in allen EU-Mitgliedstaaten greift. Zumindest für die beteiligten Staaten werden Hemmnisse beseitigt, ohne dass gegenüber den unbeteiligten Ländern neue Hemmnisse geschaffen werden. Überdies ist das System für letztere offen. Weder Art. 114 Abs. 1 AEUV noch der Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts verbieten Differenzierungen zwischen den Mitgliedstaaten, noch dazu wenn diese Spill-over-Effekte aus der Wirtschafts- und Währungsunion sind. Grundsätzlich würde die SRM-Verordnung in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gelten, wenngleich nicht mit den gleichen Rechtsfolgen für die Kreditinstitute unbeteiligter Staaten.
Mit der Haushaltsautonomie des Bundestags vereinbar
Dirigieren soll den SRM eine EU-Agentur mit eigener Rechtspersönlichkeit. Dass die EU Agenturen mit selbstständigen Entscheidungsbefugnissen gründen darf, hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bereits bejaht (Urt. v. 02.05.2006, Az. C-217/04 und Urt. v. 22.01.2014, Az. C-270/12).
Die Erhebung der Beiträge bei den Kreditinstituten verletzt auch nicht das Haushaltsrecht der Union. Der Gerichtshof hält die haushaltsrechtlichen Regeln nicht für derart abschließend, dass sie einer bereichsspezifischen Erhebung von Beiträgen generell entgegenstünden.
Auch die Haushaltsautonomie des Bundestages verlangt nicht nach einem völkerrechtlichen Vertrag. Ausschlaggebend ist, dass die Entscheidungsbefugnisse des Bundestages gewahrt bleiben. Das ist sowohl bei einer unionsrechtlichen als auch bei einer völkerrechtlichen Gestaltung möglich. Sicherungsmechanismen wie Einstimmigkeitserfordernisse könnten in die Verordnung und gegebenenfalls in begleitendes deutsches Recht eingebettet werden.
Europäische Bankenabwicklung: . In: Legal Tribune Online, 10.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11281 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag