Flüchtlinge haben lange Wartezeiten für ihr Asylverfahren. Nun stellt der EuGH klar, dass schon die erste Registrierung wichtige Fristen in Gang setzt. Damit gehen die Richter weiter als die Generalanwältin, erklärt Marcel Keienborg.
Im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise seit Mitte des Jahres 2015 kamen die für Asylverfahren zuständigen Behörden mit ihrer Arbeit zwischenzeitlich kaum noch nach. Zum Flaschenhals wurde insbesondere das "Bundesamt für Migration und Flüchtlinge" (BAMF). Flüchtlinge mussten mitunter mehr als ein Jahre warten, nur um einen Asylantrag zu stellen, vom weiteren Verfahren ganz zu schweigen.
Doch der aufenthaltsrechtliche Status der Flüchtlinge während dieses Zeitraums war unklar, und damit auch ihre rechtliche Stellung. Dürfen sie beispielsweise arbeiten? Und wie wirkt sich diese Wartezeit auf die Fristen des Dublin-Verfahrens aus? Diese Frage hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun beantwortet (Urt. v. 26.07.2017, Az C-670/16 Tsegezab Mengesteab).
Asylgesuch, Asylantrag und BÜMA
Dass der EuGH überhaupt mit dieser Frage befasst werden musste, hängt mit einer Besonderheit des deutschen Asylrechts zusammen: Das Asylgesetz (AsylG) unterscheidet zwischen Asylgesuch (§§ 18 ff. AsylG) und Asylantrag (§§ 13 f. AsylG). Asylgesuch, auch Erstregistrierung genannt, bezeichnet die Äußerung des Wunsches, einen Asylantrag zu stellen, bei Polizei, Ausländer- oder Grenzbehörde. Ohne gesetzliche Grundlage hatte sich das Verfahren etabliert, dass den Schutzsuchenden dann eine "Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender" (BÜMA) ausgehändigt worden ist. Mit der BÜMA wurden die Schutzsuchenden dann zur zuständigen Außenstelle des BAMF weitergeleitet, um den Asylantrag zu stellen.
Vor der Flüchtlingskrise reichten hierfür regelmäßig wenige Tage. Nun war es aber so, dass es zwar noch gelang, Asylgesuche aufzunehmen und den Menschen ihre BÜMA auszuhändigen. Asylanträge konnten dann wegen der Überlastung des BAMF jedoch nicht mehr gestellt werden. Stattdessen warteten die Menschen ohne gesetzlich geregelten Aufenthaltsstatus, lediglich mit ihrer BÜMA, auf den Fortgang des Verfahrens. Der Gesetzgeber reagierte hierauf, indem er zunächst in dem neuen § 63a AsylG eine gesetzliche Grundlage für die BÜMA schuf.
Schweigen gilt als Zustimmung
Häufig waren Fälle wie die des Eritreers Tsegezab Mengesteab. Am 14. September 2015 suchte er um Asyl nach, der Termin zur Anhörung und Antragstellung folgte jedoch erst am 22. Juli 2016 und damit über zehn Monate später. Dann stellte das BAMF durch einen Abgleich mit der europäischen Fingerabdruckdatenbank Eurodac fest, dass der Mann bereits in Italien registriert worden war. Damit war nach der Dublin-III-Verordnung (VO) nicht Deutschland, sondern Italien für das Asylverfahren zuständig.
Am 19. August 2016 ersuchte das BAMF Italien daher, den Eritreer aufzunehmen. Wie üblich reagierten die italienischen Behörden darauf nicht – und Schweigen gilt im Dublin-Verfahren als Zustimmung. Folgerichtig lehnte das BAMF den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Gegen den entsprechenden Bescheid wehrte er sich durch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Minden.
Das VG Minden setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH offene Fragen zur Auslegung der Dublin-III-VO vor. So ist ein Aufnahmegesuch nach Art. 21 Abs. 1 UA 1 Dublin-III-VO "so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung" zu stellen. Abweichend davon gilt bei einem Eurodac-Treffer nach Art. 21 Abs. 1 UA 2 Dublin-III-VO eine Frist von zwei Monaten.
EuGH zu Fristen bei Dublin-III-VO: . In: Legal Tribune Online, 28.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23675 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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