Das Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Deutschland war teilweise erfolgreich: die Bundesrepublik kontrolliere nicht streng genug und erlaube der Deutschen Bahn damit einen intransparenten Mittelfluss. Von Urs Kramer.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag sein Urteil in der Rechtssache C-482/14 ver-kündet. Er gibt damit der Vertragsverletzungsklage der Kommission hinsichtlich einer Rüge teilweise statt. Die Klage betraf die Frage nach dem hinreichend transparenten buchhalterischen "Unbundling" (Entflechten) des DB-Konzerns in Bezug auf die Finanzströme und die Rechnungsführung respektive Bilanzierung. Hierzu hatte die Kommission Deutschland nach erfolglosem Vorverfahren im Oktober 2014 vor dem EuGH verklagt und die Feststellung von vier Verstößen gegen EU-Sekundärrecht durch die Bundesrepublik beantragt.
Nun stellten die Luxemburger Richter stellten fest, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft in der durch die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 geänderten Fassung verstoßen hat, dass sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, damit durch die Art der Rechnungsführung des Unternehmens die Einhaltung des Verbotes, öffentliche Gelder für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur auf Verkehrsleistungen zu übertragen, kontrolliert werden kann.
Es sei unstreitig, so der EuGH, dass die im konkreten Verfahren streitigen, von den DB-Tochtergesellschaften vereinnahmten öffentlichen Gelder (seien es Zuschüsse oder Subventionen) nicht in deren Bilanzen erschienen. Dieses Versäumnis mache es, wie die Kommission zu Recht geltend gemacht habe, unmöglich zu bestimmen, inwieweit die von den verschiedenen Infrastrukturbetreibern auf den Konzern am Jahresende übertragenen Gewinne solche öffentlichen Gelder enthielten.
Dahinter steht der Vorwurf, dass durch das geltende deutsche Recht derzeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass im DB-Konzern Einnahmen aus der Infrastruktursparte – im Extremfall auch solche von DB-Konkurrenten als Entgelte für die Benutzung der Infrastruktur – letztlich für die Finanzierung der Verkehrstöchter der DB AG verwendet werden und diese damit im Konkurrenzkampf mit privaten Dritten stärken. So entstehe die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung. Damit könne Deutschland nicht dem unionsrechtlich geforderten buchhalterischen Transparenzgebot nachkommen und verstoße so gegen seine Pflicht zur "richtigen" Umsetzung der einschlägigen Richtlinie, was eine Verurteilung rechtfertige, heißt es aus Luxemburg.
Undurchsichtige Finanzströme ein typisches Problem
Wenngleich die Bevorzugung der Konzernschwestern beim Zugang zum Netz und den dafür zu zahlenden Entgelten in den letzten Jahren auch dank einer sehr strengen Regulierung durch die Bundesnetzagentur praktisch kaum noch aufgetreten ist, erscheinen die Finanzströme innerhalb des DB-Konzerns oftmals als "black box" und damit potenziell verdächtig. Das insbesondere im Bezug auf die sehr umfangreichen Finanzmittel, welche die öffentliche Hand in ihr Schienennetz und dessen Erhalt beziehungsweise Ausbau sowie für die Erbringung des nicht kostendeckenden Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) auf den Gleisen an "die DB" oder ihre verschiedenen Tochtergesellschaften zahlt.
Um auch hier Missbrauchsmöglichkeiten und Diskriminierungen bei sogenannten integrierten Unternehmen, die Netz und Betrieb in sich vereinen (und damit diskriminierungsanfällig sind), von vornherein auszuschließen, sieht das auch im Eisenbahnsektor maßgebliche europäische Recht strenge Trennungs- und Transparenzvorgaben vor.
Besondere Brisanz erhält die deutsche Konzernstruktur der früheren Behördenbahn nach ihrer Privatisierung dadurch, dass der Konzern, der von der Holdinggesellschaft DB AG geführt wird, mit seinen Tochtergesellschaften Kontroll- und Gewinnabführungsvereinbarungen abgeschlossen hat. Sie sehen die Übertragung aller Gewinne der Tochtergesellschaften auf die DB AG vor, wobei diese Gewinne hinsichtlich ihrer Verwendung keiner Beschränkung unterliegen. Gleichzeitig wird die DB AG verpflichtet, die Verluste ihrer Tochtergesellschaften abzudecken.
DB-Strukturen müssten längst "entflochten" worden sein
Nachdem sich die Europäische Kommission mit mehreren Vorstößen zur stärkeren oder sogar völligen Entflechtung der früheren Staatsbahnen nicht gegen den Widerstand der Mitgliedstaaten im Rat durchsetzen konnte, wurde den Mitgliedstaaten als Kompromiss in mehrfach verschärften Richtlinien zumindest eine strenge und transparente buchhalterische Entflechtung, eben das Unbundling, der verschiedenen Tätigkeitsbereiche aufgegeben, so etwa auch im DB-Konzern.
Es liegt fast schon in der "Logik" von durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzenden europäischen Richtlinien, dass zwischen ihnen und der Europäischen Kommission als der "Hüterin der Verträge" über die vollumfängliche und richtige Erfüllung dieser Pflicht gestritten wird. Das Instrument der Kommission hierfür ist das Vertragsverletzungsverfahren, dem sich die Bundesrepublik Deutschland seit der ersten Bahnreform im Jahr 1994 auch schon mehrfach ausgesetzt sah.
Urs Kramer, EuGH zu Finanzströmen im DB-Konzern: . In: Legal Tribune Online, 29.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23317 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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