2/2: EuGH: Nicht ernst gemeinte Bewerbung verdient keinen Schutz
Der EuGH hat nun – wenig überraschend – entschieden, dass zum einen derjenige nicht den Schutz der Richtlinien zur Antidiskriminierung und Gleichbehandlung von Mann und Frau beanspruchen kann, der keinen Zugang zu einer Beschäftigung begehrt, sondern sich allein deswegen auf eine Stelle bewirbt, um auf Grundlage des formalen Status als Bewerber Zugang zu Entschädigungsansprüchen zu haben. Zum anderen könne ein solches Verhalten auch nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts rechtsmissbräuchlich sein.
Der EuGH hat damit sogar beide Vorlagefragen des BAG positiv beantwortet. Zum Thema Bewerberstatus stellt der EuGH auf die Ziele der dem AGG zugrundeliegenden Richtlinien ab. Hier gehe es um "Schutz vor Diskriminierung", "Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf" und beim "Zugang zu Beschäftigung". Werde tatsächlich aber gar nicht die Aufnahme einer Tätigkeit erstrebt, könne die jeweilige Person weder "Opfer" einer Diskriminierung sein, noch könne ihr ein Schaden im Sinne des Richtlinienrechts entstehen. Ist offensichtlich, dass sich jemand auf eine Stelle bewirbt, die er tatsächlich gar nicht antreten möchte, könne er daher auch nicht den Schutz des Unionsrechts für sich beanspruchen.
Daneben sei auch rechtsmissbräuchliches Verhalten nach Maßgabe der allgemeinen Voraussetzungen denkbar. Hierfür seien in objektiver Hinsicht Anhaltspunkte dafür erforderlich, dass wesentlicher Zweck der fraglichen Handlungen die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils ist. Daneben sei auf subjektiver Ebene auch eine entsprechende Absicht des Handelnden notwendig.
Warum hat das BAG überhaupt vorgelegt?
Es leuchtet schon aus zwei Gründen nicht ein, warum das BAG dem EuGH die aufgeworfenen Fragen überhaupt zur Entscheidung vorgelegt hat. Entweder hätte es erstens die Revision zurückweisen können, wenn es in der Sache – was nahe liegt – der Begründung der Vorinstanzen gefolgt wäre. Dann hätte dahinstehen können, ob der Kläger überhaupt "Bewerber" im Sinne von § 6 Abs. 1, S. 2 AGG ist.
Eine derartige Argumentation, insbesondere, ob das Gericht andernfalls vom Vorliegen eines Anspruchs ausgehen würde, klingt im veröffentlichten Beschluss des BAG jedoch nicht an. Es scheint die Eigenschaft als Bewerber im Sine des AGG als eine Art entscheidungserhebliche Vorfrage für Ansprüche nach dem AGG zu bewerten, deren Beantwortung es zwingend bedürfe. Wie das Gericht zu dieser Einschätzung gelangt, bleibt allerdings offen.
Zweitens sind die Grundsätze des Rechtsmissbrauchs bereits im nationalen Recht hinreichend verankert (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) und können im Einzelfall jedem (zivilrechtlichen) Anspruch entgegengehalten werden. In der Vergangenheit hatte das BAG schließlich auch kein Problem darin gesehen, auf diese Grundsätze ohne Anrufung des EuGH zurückzugreifen. Dies zeigt sich etwa unter anderem in der Begründung des oben genannten "Young Professionals"-Urteils, das ebenfalls der Kläger "verursacht" hatte.
Vorliegend ist offenkundig, dass es dem Kläger nie um eine tatsächliche Beschäftigung als "Trainee" ging. Im Ergebnis leuchtet wohl jedem ein, dass die Regeln des AGG nicht dazu missbraucht werden können, sich ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen. Vergleichbare Sachverhalte anderer Rechtsgebiete – Stichwort: "Abmahn-Anwälte" – bekommt das nationale Recht schließlich ebenfalls in den Griff.
Gleichwohl ist die Klarstellung des EuGH zu begrüßen. Das BAG wird sich nun erneut mit der Sache befassen und hierbei den Fokus auf die Ernsthaftigkeit der Bewerbung legen. Hier hat der klagende Anwalt dann aber schlechte Karten, weil er die Einladung zum Vorstellungsgespräch bei der R+V ausdrücklich ablehnte.
Der Autor Dr. Thomas Gennert ist Rechtsanwalt im Düsseldorfer Büro von McDermott Will & Emery Rechtsanwälte und Steuerberater LLP. Er ist Mitglied der deutschen Praxisgruppe Arbeitsrecht.
EuGH zu "AGG-Hopper": . In: Legal Tribune Online, 28.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20134 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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