Kurz vor dem Ende der Wahlperiode gab das Europaparlament der EU-Datenschutzreform noch seine Zustimmung. Damit können die offiziellen Verhandlungen mit Kommission und Rat beginnen. Im Interview erzählt der Grüne Jan Philipp Albrecht, wie er zum Verhandlungsführer für die Gespräche über die Reform wurde, und von einer Goldgräber-Stimmung, die er in der "Big-Data-Szene" wahrnimmt.
LTO: Herr Albrecht, wie haben Sie sich gefühlt, als das Parlament über die Datenschutzverordnung endlich abgestimmt hat?
Albrecht: Das war ein Moment großer Erleichterung! Schließlich gab es über zwei Jahre hinweg Debatten darüber, in die ich viel Energie gesteckt habe. Deshalb bin ich auch ein Stück weit stolz auf die Leistung des Europäischen Parlaments, das die ausgehandelte Position zur Verordnung am Ende mit einer breiteren Mehrheit mitgetragen hat, als man erwartet hat.
LTO: Sie sprechen gerade die Energie an, die Sie in den Diskussionsprozess haben stecken müssen. Wie sah Ihr Alltag in den letzten beiden Jahren aus?
Albrecht: Während der Arbeit am Gesetz ist sicherlich die Hälfte meiner Zeit und Energie in das Gesetz geflossen. Es gab einfach so viel Gesprächsbedarf, täglich Verhandlungen, die in Brüssel und Straßburg teilweise bis in die Nacht hineingingen. Aber wir können uns als Abgeordnete eben nicht im Keller einschließen, sondern müssen Gespräche mit Interessengruppen und der Öffentlichkeit führen.
"Datenschutz ist das Thema, für das ich mich persönlich am meisten engagiere"
LTO: Warum fiel das Los des Verhandlungsführers für die Verordnung eigentlich gerade auf Sie?
Albrecht: Seit ich im Europäischen Parlament bin, ist Datenschutz das Thema, für das ich mich persönlich am meisten engagiert habe. Da fanden es die Kollegen angemessen, dass ich dann auch die Funktion des Verhandlungsführers übernehme. Außerdem rotieren solche Funktionen und meine Fraktion war am Zug, einen Verhandlungsführerposten zu besetzen. Das kam mir natürlich auch entgegen.
LTO: Der Untertitel Ihres Buchs lautet "Wie wir entmündigt und ausgenommen werden". Wie lautet Ihre Antwort?
Albrecht: Entmündigung findet dadurch statt, dass wir nicht selbst bestimmen können, welche Informationen über uns verwendet werden können. So verlieren wir trotz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung unsere Souveränität als mündiger Bürger.
"Uns werden viele Daten genommen, wir bekommen aber nicht von den Gewinnen"
LTO: Sie vertreten die These, Daten seien "das Gold des 21. Jahrhunderts". Können Sie konkrete Beispiele dafür nennen, die vielen eher Unbedarften gar nicht bewusst sind?
Albrecht: Ich meine damit die Goldgräber-Stimmung in der Big-Data-Szene, die mit riesigen Datenmengen handelt. Das Problem ist, dass uns viele Daten abgenommen werden, wir aber nichts von den Gewinnen abbekommen. Indem wir die Souveränität über unsere Privatsphäre teilweise aufgeben, zahlen auch wir einen hohen Preis. Deshalb sollte man aufklären, wie sehr Marktinteressen starker Regierungen und Konzerne über die Grund- und Menschenrechte gestellt werden.
LTO: Wenn ich da mit einem Zitat von Ihnen anknüpfen darf. In Ihrem Buch skizzieren Sie, dass Politik und Bürger die Kontrolle über ihre Daten "an weltumspannende IT-Konzerne oder verselbständigte Geheimbehörden, die ihre Regeln nach eigenen Maßstäben und Interessen selbst setzen", abgegeben hätten. Deshalb fordern Sie "die Möglichkeit zur informationellen Selbstbestimmung für jeden Menschen". Sicherlich ist die EU-Datenschutzverordnung bereits ein Schritt in diese Richtung. Aber wie wollen Sie alle Nationen weltweit dazu bewegen?
Albrecht: Wir brauchen einen Befreiungsakt. Die Datenschutzverordnung der EU ist – wie Sie ganz richtig sagen – nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen versuchen, diese Rechte auch weltweit durchzusetzen. Aber man muss sich vor Augen halten, dass weltweit gesehen die demokratischen Rechtsstaaten nicht in der Mehrheit sind.
LTO: Vielen Dank für das Gespräch!
Jan Philipp Albrecht ist seit 2009 Abgeordneter im Europäischen Parlament und tritt 2014 wieder zu Wahl an.
Das Interview führte Constantin Körner.
Jan Philipp Albrecht, "Finger weg von unseren Daten! Wie wir entmündigt und ausgenommen werden", Knaur Taschenbuch Verlag, 192 Seiten, 7 Euro, ISBN 978-3-426-78687-1.
Constantin Körner, EP-Abgeordneter zum Datenschutz: . In: Legal Tribune Online, 26.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11796 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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