Aus Brüssel kommt ein RL-Vorschlag zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Zentrale Aspekte sind ein Rückkehrrecht aus der Teilzeit und Anreize für Väter, ihre Kinder zu betreuen. Marijke van der Most zu den vorgesehenen Änderungen.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist eine der zentralen Herausforderungen im modernen Arbeitsleben. Teilzeit und Elternzeit sind dabei die prominentesten Gestaltungsinstrumente, um Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen. Ein Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission will dieses Vorhaben bedarfsgerechter ausgestalten und flexibler an den sich ändernden Betreuungsbedarf anpassen.
Bis zur tatsächlichen Verabschiedung der Richtlinie (RL) ist zwar noch ein weiter Weg. Dennoch sind Arbeitgeber längst gefordert, ihren Beitrag für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu leisten.
Teilzeit darf keine Einbahnstraße sein
Nach derzeitiger Rechtslage haben Arbeitnehmer zwar einen Rechtsanspruch auf Verringerung ihrer Arbeitszeit, nicht jedoch auf eine Erhöhung. Eine Rückkehr auf die Vollzeitstelle ist damit nur möglich, wenn der Arbeitgeber einverstanden ist.
Für diesen Wiedereinstieg sieht der Richtlinienvorschlag nun ein bindendes Rückkehrrecht vor. Arbeitnehmer sollen verlangen können, zu den ursprünglichen Arbeitsbedingungen zurückzukehren, wenn dies "durch Umstände gerechtfertigt" ist. Arbeitgeber müssen bei der Beurteilung dieses Verlangens die jeweiligen Interessen angemessen berücksichtigen.
Darüber hinaus sollen Absprachen zur Verringerung der Arbeitszeit von vornherein zeitlich befristet werden können. Nach Ablauf der vereinbarten Zeit arbeitet der Arbeitnehmer dann wieder unter den zuvor vereinbarten Konditionen. Dies betrifft nicht nur die Rückkehr in die Vollzeit. Auch andere Arrangements zur Flexibilisierung der Arbeit sollen von vornherein auf begrenzte Zeit eingegangen werden können. Auch dies ist bislang nur auf einvernehmlicher Basis möglich.
Die genaue Ausgestaltung dieser Möglichkeiten wird den Mitgliedstaaten obliegen. Zu diskutieren werden dabei insbesondere die Voraussetzungen des Rückkehrrechts sein: Muss ein Arbeitnehmer Gründe anführen? Wann dürfen Arbeitgeber ablehnen? Und ab welcher Betriebsgröße soll dieses Recht überhaupt gelten?
An letzterer Frage droht derzeit ein Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles zu scheitern, der – schon lange vor der EU-Initiative – ein Rückkehrrecht implementieren sollte. Die Europäische Kommission positioniert sich diesbezüglich nur so weit, dass keine rechtlichen, finanziellen oder administrativen Auflagen der Gründung und dem Ausbau kleiner und mittlerer Unternehmen entgegenstehen dürfen. Die Koalitionspartner können sich damit weiter trefflich darüber streiten, ob ein Rückkehrrecht für Betriebe ab 15 oder ab 200 Beschäftigten einzuführen ist. Ob der Richtlinienvorschlag die politische Debatte hierzulande weiter antreibt, wird sich zeigen.
Home-Office, Vaterschaftsurlaub und Elternurlaub
Neben einer Reduzierung der Arbeitszeit sieht die Richtlinie auch Flexibilisierungen bei den übrigen Arbeitsbedingungen vor. Arbeitnehmer sollen nicht nur Umfang und Lage ihrer Arbeitszeit, sondern auch den Ort der Leistungserbringung an ihre jeweiligen Bedürfnisse anpassen können. Hierunter fällt auch die Organisation von mobiler Arbeit, also Home-Office.
Ein verbindlicher Anspruch auf Home-Office ist damit noch nicht begründet. Den Mitgliedstaaten wird jedoch aufgegeben, bei der Schaffung flexibler Arbeitsarrangements auch den Einsatz mobiler Arbeitsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Väter sollen von Beginn an eine gleichberechtigte Rolle bei der Kinderbetreuung übernehmen können. Mit der Geburt des Kindes sollen Väter daher nicht weniger als zehn Tage Vaterschaftsurlaub nehmen können. Vergütet werden diese Tage mindestens in Höhe des jeweiligen Krankengeldes. Dies befreit werdende Väter nicht nur vom Ansparen ihres Urlaubs, um in den ersten Tagen nach der Geburt eines Kindes bei der Familie sein zu können. Die Vorgabe soll auch einen tatsächlichen, durchsetzbaren Anspruch auf Freistellung in diesem Zeitraum begründen.
Brüssel möchte ferner weitere Anreize dafür setzen, dass sowohl Väter als auch Mütter Elternurlaub – in Deutschland als Elternzeit bekannt – gleichberechtigt nutzen. Neu aus deutscher Perspektive ist dabei die Möglichkeit, Elternzeit bis zum 12. Lebensjahr des Kindes in Anspruch nehmen zu können.
Zeiten des Elternurlaubs müssen dabei mindestens in Höhe des Krankengeldes vergütet werden. Dies kann den Höchstsatz des Elterngeldes durchaus überschreiten.
Viel Lärm um Nichts?
Die Richtlinie ist eine Initiative im Rahmen der europäischen "Säule sozialer Rechte", die allgemeine Grundprinzipien und Mindeststandards für die nationale Sozialpolitik verankern soll.
Das Meinungsspektrum zum Richtlinienvorschlag reicht derzeit von "überflüssig" über "zu unkonkret" bis hin zu "viel zu weit". Die mit der Richtlinie intendierten Mindeststandards entsprechen dabei sicher nicht der Erwartung kreativer, individueller und passgenauer Lösungen. Doch das ist auch nicht ihre Aufgabe.
Für Arbeitgeber ist der Richtlinienvorschlag aktuell mehr Inspiration als bindende Vorgabe. Doch dabei sind es gerade Arbeitgeber, von denen es wesentlich abhängt, ob die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben auch tatsächlich gelingt. Zwar haben Unternehmen längst erkannt, dass Work-Life-Balance-Modelle von den Arbeitnehmern erwartet werden und die Chancen erhöhen, Talente zu rekrutieren und an sich zu binden. Die Herausforderung liegt auch hier in der Frage nach wirksamen und effektiven Maßnahmen. Dazu die derzeitige Antwort aus Brüssel: "Es gibt nicht die eine 'richtige' Lösung. Es geht darum, die Wahl zu haben", so Frans Timmermans, erster Vizepräsident der Europäischen Kommission.
Die Autorin Marijke van der Most ist Rechtsanwältin bei Noerr LLP in Frankfurt. Sie berät Unternehmen in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts.
Anspruch auf Wechsel von Teil- in Vollzeit: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22807 (abgerufen am: 07.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag