Das EU-Einheitspatent wird kommen – und mit ihm die tiefgreifendste Veränderung des europäischen Patentrechts der letzten 40 Jahre. Die wesentlichen Neuerungen und Fragen für Unternehmen erläutern Matthias Meyer und Matthias Bornhäusser.
Seit der Europäische Gerichtshofs (EuGH) Anfang Mai die zweite Klage Spaniens gegen das EU-Patentpaket verworfen hat, ist die Einführung des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung (EU-Einheitspatent) in greifbare Nähe gerückt. Voraussichtlich ab 2016 wird in der Europäischen Union erstmalig ein Patent zur Verfügung stehen, das einen einheitlichen Schutz für nahezu alle EU-Staaten gewährleistet. Auch über die Verletzung sowie den Rechtsbestand dieses Einheitspatents entscheiden künftig nicht mehr die nationalen Gerichte, sondern das eigens hierfür gegründete "Einheitliche Patentgericht".
In erster Instanz ist die Zentralkammer in Paris, mit Außenstellen in London und München sowie mehrere Lokal- und Regionalkammern, unter anderem in Düsseldorf, Mannheim, München und Hamburg zuständig. Das Berufungsgericht wird seinen Sitz in Luxemburg haben. Die Spruchkörper des Einheitlichen Patentgerichts sind international besetzt. Rechtliche Grundlage des neuen EU-Patentpakets ist unter anderem die Verordnung über das Einheitspatent sowie das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ).
EU- und EP-Patent: Gemeinsamkeiten & Unterschiede
Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung unterscheidet sich daher maßgeblich vom bekannten Europäischen Patent (sog. EP-Patent), das es auch weiterhin geben wird. Das EP-Patent ermöglicht zwar auch eine zentrale Patentanmeldung sowie ein zentrales Erteilungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt. Nach seiner Erteilung entfaltet es aber lediglich dieselbe Wirkung wie ein nationales Patent, gilt also nur in denjenigen europäischen Staaten, für die der Anmelder gezielt Schutz beantragt hat.
Das bisherige EP-Patent ist daher nicht viel mehr als ein "Bündel" einzelner nationaler Patente, die durch ein einheitliches Anmelde- und Erteilungsverfahren erlangt werden können. Die Rechtsdurchsetzung des EP-Patents erfolgt vor den jeweiligen nationalen Gerichten, deren Urteile regelmäßig jeweils nur in dem Land Wirkung entfalten, in dem sie ergangen sind. Ebenso können die nationalen Teile des EP-Patents nach Ablauf einer neunmonatigen Einspruchsfrist nur noch einzeln vor den jeweiligen nationalen Gerichten im Rahmen einer Nichtigkeitsklage angefochten werden.
Demgegenüber ändert sich die Rechtsdurchsetzung beim EU-Einheitspatent grundlegend. Denn das EU-Einheitspatent entfaltet in allen teilnehmenden EU-Staaten einheitliche Wirkung. Es handelt sich nur noch um ein Recht und nicht mehr um ein Bündel einzelner, nationaler Rechte.
Allerdings sollen mit der Einführung des EU-Patentsystems auch EP-Patente unter die Rechtsprechung
des Einheitlichen Patentgerichts fallen. Das gilt sowohl für EP-Patente, die bereits in Kraft sind, als auch für solche, die erst nach Umsetzung des neuen EU-Patentsystems erteilt werden. Will man dies vermeiden, besteht die Möglichkeit, für einzelne EP-Patente unter bestimmten Voraussetzungen während einer Übergangszeit ein sog. "Opt-Out" zu erklären.
Damit wird ein EP-Patent dem neuen EU-Patentsystem entzogen, was nach aktueller Planung eine Gebühr von 80 Euro pro Patent kosten soll. Eine Rücknahme des "Opt-Outs" in Form eines "Opt-Ins" soll jederzeit möglich sein. Nationale Patente sind hingegen von vorneherein nicht Teil des neuen EU-Patentsystems, sodass ein "Opt-Out" insoweit entbehrlich ist.
Besetzung des Einheitlichen Patentgerichts
Die Qualität der Rechtsprechung des Einheitlichen Patentgerichts wird eng verknüpft sein mit seiner Besetzung durch fachkundige Richter. Denn letztlich werden das neue EU-Patentsystem und seine Akzeptanz von der Qualität und Verlässlichkeit der Rechtsprechung des Einheitlichen Patentgerichts abhängen.
Die Rechtsprechung der deutschen Patentgerichte, die zu den meistfrequentierten Europas gehören, ist von hoher Qualität und genießt auch international hohe Anerkennung.
Die deutschen Lokalkammern des Einheitlichen Patentgerichts werden in Düsseldorf, Mannheim, München und Hamburg eingerichtet, und damit an genau den Standorten, an denen bereits jetzt die wichtigen nationalen deutschen Patentgerichte erster Instanz zu finden sind.
Die Besetzung der Lokalkammern hängt von den Fallzahlen ab. Es wird davon ausgegangen, dass jede der vier deutschen Lokalkammern auf mehr als 50 Gerichtsverfahren pro Jahr kommen wird. Dann werden zwei der drei Richterstellen an den Lokalkammern mit nationalen Richtern besetzt sein. Der dritte Richter wird aus einem internationalen Pool berufen. An den deutschen Lokalkammern des Einheitlichen Patentgerichts werden voraussichtlich also mehrheitlich deutsche Richter tätig sein. Auf Antrag kann zudem noch ein technischer Richter hinzugezogen werden.
Abwanderung kompetenter Richter von nationalen Gerichten?
Aus dem Kreis der deutschen Patentrichter der aktuellen nationalen Patentkammern und Patentsenate ist zu vernehmen, dass viele Richterinnen und Richter ihr Interesse an einer Mitwirkung am neuen Einheitlichen Patentgericht bekundet haben. Daher könnte es zu einer Abwanderung erfahrener Richterinnen und Richter von den nationalen Kammern und Senaten an das neue Einheitliche Patentgericht kommen.
Insgesamt haben über 350 Personen ihr Interesse an einer Tätigkeit als juristischer Richter bekundet, wobei etwas mehr als 120 als "herausragend" eingestuft wurden. Nach einem weiteren Auswahlprozess ist geplant, zunächst 80 juristische Richter für das Einheitliche Patentgericht zu benennen. Hinzu kommen noch 40 technische Richter. Die Mehrzahl hiervon ist in Patentsachen erfahren. Zumindest in den Patentnationen Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden ist daher von einem hohen Standard der Rechtsprechung der Lokalkammern des Einheitlichen Patentgerichts auszugehen.
Europäisches Patentpaket: . In: Legal Tribune Online, 02.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15713 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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