Eine Unternehmenswebseite ist nur so gut wie ihre Platzierung im Ranking der großen Suchmaschinen. Umso ärgerlicher, wenn diese durch die Konkurrenz gezielt herabgestuft wird. Welche juristischen Abwehrmaßnahmen man gegen die sogenannte "negative SEO" ergreifen kann, erläutert Ingo Jung.
Unternehmen, die im Internet präsent sind, wollen gefunden werden – im Idealfall gleich auf der ersten Seite der Suchergebnisse zu einschlägigen Stichworten. Um dieses Ziel zu erreichen, wird unter der Überschrift der "Search Engine Optimization (SEO)" erheblicher Aufwand betrieben – beispielsweise durch die bewusste Auswahl und Platzierung von Formatierungen, Tags, Linkstrukturen und Keywords. Doch genauso, wie bestimmte Mechanismen die Platzierung einer Seite verbessern können, können andere sie verschlechtern; man spricht dann von negativer SEO.
In jüngerer Vergangenheit treten vermehrt Fälle auf, in denen Unternehmen versuchen, das Ranking eines Konkurrenten gezielt nach unten zu treiben. Dazu wird die betreffende Homepage zum Beispiel in digitalen Gästebüchern aus der Erotik- oder Glückspielbranche verlinkt. Diesen weisen die Suchmaschinen eine geringe Vertrauenswürdigkeit zu, was auf die verlinkten Inhalte abfärbt. Als Ergebnis wird der Suchtreffer abgewertet. Sowohl für den Fernabsatz von Waren als auch für sonstige Vermarktungsstrategien hat die Platzierung der Internetpräsenz bei einer Google-Abfrage jedoch entscheidende Bedeutung. Eine deutliche Abwertung, verbunden mit einer Platzierung im hinteren Bereich, kann somit zu spürbaren Umsatzeinbußen führen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass insbesondere Internetpräsenzen gefährdet sind, die noch nicht über eine längere Zeit am Markt bestehen. Etablierte Domains haben in den meisten Fällen über Jahre hinweg Trust-Signale aufgebaut, welche die Erfolgsaussichten solcher Angriffe deutlich schmälern. Start-Up-Unternehmen mit jungen Internetauftritten oder Nischenprojekte sind dagegen schon eher anfällig.
Das UWG hilft – aber nur Unternehmern
Findet ein solches Verhalten im unternehmerischen Kontext statt, stellt sich die Frage, ob es als wettbewerbswidrig eingestuft werden kann. In Betracht kommt insbesondere ein Wettbewerbsverstoß nach den §§ 3, 4 Nr. 10 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Danach handelt unlauter, wer einen Mitbewerber gezielt behindert. Die für einen Wettbewerbsverstoß notwendige geschäftliche Handlung liegt darin, dass der Mitbewerber durch das Downranking der Seite des Konkurrenten die Platzierung des eigenen Internetauftritts fördern will. Geht man ferner davon aus, dass ein Mitbewerber oder ein von ihm beauftragter Dritter Links auf die Internetpräsenz eines Konkurrenten platziert oder platzieren lässt, die inhaltlich überhaupt keinen Bezug zu seinem Angebot bzw. einen nach "Google-Kriterien" abwertenden Inhalt haben, liegt es auf den ersten Blick nahe, darin auch den Versuch einer gezielten Behinderung zu sehen.
Rechtsprechung und Lehre haben die mittlerweile technisch überholte Variante der Verwendung von Meta-Tags in Form fremder Kennzeichen in der Vergangenheit unter dem Aspekt der unzulässigen Einflussnahme auf Suchmaschinen diskutiert. Allerdings war bei jenen Fällen, ebenso wie beim Kauf von vorderen Plätzen auf den Trefferlisten (sogenanntes Keyword-Buying) streitig, ob dieses Vorgehen für eine gezielte Behinderung ausreicht, insbesondere, ob die Verbraucher der Rangfolge der Trefferlisten tatsächlich die für einen Wettbewerbsverstoß erforderliche Bedeutung zumessen. Es steht zu erwarten, dass sich genau diese Diskussion im Hinblick auf das Phänomen der negativen SEO fortsetzt.
Blogbetreibern steht das Grundgesetz zur Seite
Da die vorgenannten §§ 3, 4 Nr. 10 UWG nur im Verhältnis zwischen Unternehmern zur Anwendung kommen, können sich Privatpersonen auf diese Weise nicht gegen negative SEO zur Wehr setzen. Ist etwa ein Blog-Betreiber von einer SEO-Attacke betroffen, kann dieser sich jedoch möglicherweise auf eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus den Artikeln 1, 2 Grundgesetz (GG) berufen. In diese Richtung deutet jedenfalls eine jüngere Entscheidung des Landgerichts Arnsberg (Urt. v. 22.08.2012, Az. 14 O 417/12).
In dem Verfahren ging es um Backlinks (eingehende Links auf die eigene Webseite, Anm. d. Red.), die von einem Unternehmen zunächst im Auftrag eines Blog-Betreibers zur Verbesserung seines Google-Rankings gesetzt werden sollten. Aus Sicht des Blog-Betreibers waren die gesetzten Backlinks jedoch unbrauchbar, weshalb er das Unternehmen aufforderte, die Setzung weiterer Backlinks zu unterlassen und die bereits gesetzten zu entfernen. Zudem waren die Backlinks mit Kommentaren versehen, die frei erfunden waren. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Blog-Betreibers, weil der Eindruck entstünde, er selbst sei Urheber der Kommentare. Überträgt man diesen Gedanken auf negative SEO, könnte man argumentieren, dass auch durch diese der Eindruck erweckt werde, der Seitenbetreiber selbst habe die Links gesetzt. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ließe sich damit bejahen.
Erhebliche Beweisschwierigkeiten in der Praxis
Probleme entstehen jedoch bei der effektiven Durchsetzung der bestehenden Ansprüche. Zunächst muss vom Angegriffenen nachgewiesen werden, wer die negative SEO Attacke durchgeführt hat. Dies bereitet Schwierigkeiten, wenn der Mitbewerber nicht selbst gehandelt, sondern einen "Strohmann" als Dritten beauftragt hat und dieser im Ausland sitzt. Darüber hinaus muss dem Angreifer nachgewiesen werden können, dass er seine Aktivitäten gezielt mit der Absicht durchgeführt hat, dem Angegriffenen zu schaden. Drittens schließlich muss die negative SEO schließlich auch tatsächlich zu einem Downranking geführt haben. Dieser Beweis ist nicht immer leicht zu führen, da es neben bewusst gesetzten Spam-Links auch weitere Gründe für eine geänderte Bewertung bei den Suchmaschinen geben kann.
Eine erfolgreiche Durchsetzung bestehender rechtlicher Ansprüche dürfte somit im Ergebnis auf Grund mangelnder Beweisbarkeit häufig problematisch sein. Das effektivste Vorgehen für Webseitenbetreiber liegt daher in einem präventiven Schutz durch den aktiven Aufbau der Vertrauenswürdigkeit der eigenen Internetpräsenz. Zum einen arbeitet auch Google mittlerweile verstärkt daran, der Beeinflussung durch Spam-Links oder vergleichbaren Maßnahmen entgegen zu wirken. Zum anderen kann man diesen Effekt verstärken, indem man beispielsweise durch qualitativ hochwertige Links zu einer in Googles Augen vertrauenswürdigen Quelle die eigene Internetpräsenz seriös gestaltet. Wer also etwas Zeit in eine umfassende positive SEO seiner eigenen Domain investiert, kann dadurch nicht nur seine Platzierung bei Suchmaschinen verbessern, sondern ist darüber hinaus auch besser gegen die beschriebenen Angriffe gewappnet.
Dr. Ingo Jung ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bei CBH Rechtsanwälte.
Ingo Jung, Neue Herausforderungen für das Wettbewerbsrecht: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9127 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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