Künftig soll jeder online einen Überblick über die eigene Altersvorsorge aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Alterssicherung erhalten. Für Rechtsanwälte wird das aber nur eingeschränkt möglich sein.
Eigentlich sollen sich alle Bürger voraussichtlich ab 2022 über ein Online-Portal umfassend darüber informieren können, welche Renten ihnen aus der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Vorsorge eines Tages zustehen werden. Diese sog. Digitale Rentenübersicht, die bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) angesiedelt wird, soll dann die in der Regel schriftlich versendeten jährlichen Informationen zu den Altersvorsorgeansprüchen der verschiedenen Vorsorgeeinrichtungen ergänzen.
Indes: Mittlerweile bröckelt das GroKo-Projekt erheblich, insbesondere was den Kreis derjenigen betrifft, die von dem Portal profitieren sollen. So lehnen die Länder die Absicht der Bundesregierung kategorisch ab, auch Beamte und Mitglieder berufsständiger Versorgungswerke, zu denen auch Anwälte gehören, in das Portal zu integrieren. Und zu allem Überfluss gibt es auch noch datenschutz- und verfassungsrechtliche Bedenken.
Frühwarnung: Bürger sollen Altersvorsorge betreiben
Die von der Bundesregierung geplante säulenübergreifende Renteninformation war vor allem für die private Versicherungswirtschaft schon immer ein Traum. Das Kalkül dahinter: Vielen Menschen wird beim Blick ins Portal bewusst werden, dass sie mit ihren bislang erworbenen Ansprüchen im Rentenalter hinten und vorne nicht auskommen – und sich dann für den Abschluss der einen oder anderen Zusatzversicherung bzw. Altersvorsorgeanlage zu entschließen.
Die Bundesregierung hatte die Idee, sich online mit wenigen Klicks über die Altersvorsorge informieren zu können, bereits im Koalitionsvertrag aufgegriffen und Ende August einen Gesetzentwurf vorgelegt, der vergangenen Freitag auch erstmals im Bundesrat beraten wurde. Danach soll bei der DRV eine zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht geschaffen werden, bei der die Informationen aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Alterssicherung zusammengeführt werden und später dann über ein Online-Portal für die Bürger abrufbar sein sollen.
Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung soll den Bürgern "klar, prägnant, verständlich und schlüssig dargestellt werden", wie es um ihre Altersversorgung bestellt ist, um nötigenfalls zu handeln: "Die Digitale Rentenübersicht soll die Bürger dahingehend sensibilisieren, gegebenenfalls rechtzeitig Maßnahmen für weitere Vorsorge zu treffen, um den eigenen angestrebten Lebensstandard im Alter zu erreichen", heißt es im Gesetzentwurf.
Anspruch: Alle Vorsorgeeinrichtungen verpflichtend einbinden
Das Vorhaben soll in mehreren Phasen realisiert werden. Erst muss das Portal technisch bei der DRV installiert werden, danach sollen in einer Startphase im Jahr 2022 die Anbieter von privaten und betrieblichen Renten noch freiwillig Informationen an das Portal liefern dürfen. In einer späteren Phase - voraussichtlich ab 2023 – sollen dann möglichst alle Vorsorgeeinrichtungen verpflichtend an das Portal angebunden werden. Näheres will die Bundesregierung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates regeln.
Im Grundsatz begrüßen inzwischen auch Verbraucherschützer und die DRV selbst das digitale Info-Portal. Die DRV sieht darin auf Nachfrage "ein geeignetes Instrument, um den Informationsstand der Bürgerinnen und Bürger über ihre individuelle Altersvorsorge zu verbessern".
Allerdings: Anzustreben sei, dass langfristig alle Institutionen der Altersvorsorge derartige Vorsorgeinformationen erstellen und in diesem Zuge auch an die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht angebunden werden. Den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): "Alle Stellen, Träger oder Anbieter einer Altersvorsorge müssen perspektivisch darauf verpflichtet werden, den Verbrauchern jährliche Informationen zum Stand der Altersvorsorge zur Verfügung zu stellen.
Wirklichkeit: ohne Beamte, Abgeordnete und Versorgungswerke
Dass dieser Wunsch nach Vollständigkeit jedoch wohl nie Realität werden wird, zeigt bereits das Votum des Bundesrates am vergangenen Freitag. Dabei sprachen sich die Länder mehrheitlich dafür aus, alle Beamten und Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke – also auch Anwälte - aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen.
Dass die Beamtenversorgung bei dem Projekt keine Rolle spielen soll, wird u.a. mit der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Landesbeamten begründet: "Die Gesetzgebungskompetenz für die Versorgung der Landesbeamten und -beamtinnen liegt nach der Föderalismusreform I ausschließlich bei den Ländern", argumentieren diese. Das schließe auch Regelungen über die Erteilung von Versorgungsauskünften ein. Entsprechendes gelte auch für die Altersversorgung der Mitglieder der Landesregierungen und der Abgeordneten der Landesparlamente.
Und auch die Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke – zu denen Apotheker, Ärzte, Architekten, Notare, Steuerberater und eben auch Anwälte zählen – werden ihre Ansprüche insoweit wohl nicht in dem geplanten Portal wiederfinden. Hintergrund einer entsprechenden Forderung der Länder, die auf eine Initiative des Freistaats Bayern zurückgeht, ist ebenfalls die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung der Angelegenheit der berufsständischen Versorgung. Die Art und Weise der Auskunftserteilung für die berufsständische Versorgung sei bisher landes- oder satzungsrechtlich geregelt und bedarf insoweit keiner bundesrechtlichen Vorgaben, heißt es seitens des Bundesrates.
Anbindung an das Portal wird teuer
Aber auch unabhängig von Kompetenzfragen: Wie das bayerische Innenministerium gegenüber LTO erläutert, sind es vor allem die Kosten, die eine Anbindung der berufsständischen Versorgungswerke an das Portal faktisch unmöglich machten. Schätzungen zufolge müsste ein Anwaltsversorgungswerk mindestens 200.000 Euro allein dafür aufbringen, um überhaupt an das Info-Portal angebunden zu werden. Die jährlich laufenden Ausgaben, um die Informationen dauerhaft für die Nutzer aktuell zu halten, seien da noch gar nicht eingerechnet, hieß es aus dem Ministerium.
Ob die Versorgungswerke sich vor diesem Hintergrund freiwillig an das Portal anbinden werden, dürfte bezweifelt werden.
Überhaupt wollen es die Bundesländer nicht akzeptieren, wie der Bund versucht, sie aus den Entscheidungsprozessen bei dem Vorhaben herauszuhalten. So pochte der Bundesrat am Freitag auch auf eine Beteiligung der Länder an der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens bei der Zentralen Stelle für die Digitale Rentenübersicht. Dass der Bund dies per Rechtsverordnung ohne Zustimmung der Länderkammer durchdrücken will, lehnen die Bundesländer ab.
BfDI: Steuer-ID nicht für Digitale Rentenübersicht verwendbar
Während die Bundesregierung nach LTO-Informationen am 21. Oktober auf die geballte Kritik des Bundesrates reagieren will, dürfte sich für sie auch noch an anderer Stelle ein Problem ergeben: Zur Erstellung einer Digitalen Rentenübersicht ist die Nutzung eines eindeutigen Identifikationsmerkmals erforderlich - und laut Regierungsentwurf soll hierfür die steuerliche Identifikationsnummer herhalten.
Während die DRV auf Anfrage von LTO davon ausgeht, "dass alle damit verbundenen datenschutzrechtlichen Aspekte vor der Erstellung des Referentenentwurfs hinreichend geprüft wurden", sieht der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) dies ganz anders: Er hält die Nutzung der Steuer-ID für das Projekt Digitale Rentenübersicht für datenschutz- und verfassungsrechtlich bedenklich.
"Die Steueridentifikationsnummer unterliegt aus verfassungsrechtlichen Gründen einer strikten Zweckbindung, die sich ausschließlich auf steuerliche Zwecke bezieht", erklärte BfDI-Sprecher Christof Stein gegenüber LTO. Er betont, dass der BfDI bereits mehrfach darauf hingewiesen habe, "dass die Ausweitung der Nutzung der Steueridentifikationsnummer nicht verfassungskonform ist". Kritik übte die Datenschutzbehörde auch daran, dass bei dem Vorhaben andere Alternativen, wie etwa die Verwendung der Sozialversicherungsnummer, nicht in Betracht gezogen worden seien.
Bundesrat kritisiert Online-Renteninformation: . In: Legal Tribune Online, 13.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43079 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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