Die Verbände sollen richten, was die Behörde nicht mehr leisten können. Beim Datenschutz setzt das Bundesjustizministerium nun auf die Verbraucherschützer und will ihnen ein Klagerecht einräumen, damit sie künftig gerichtlich gegen Datenschutzverstöße vorgehen können. Im Idealfall könnte das Unternehmen dazu bewegen, ihre Datensammlungen vorab zu überdenken, meinen Daniel Nagel und Thomas Weimann.
Vor wenigen Tagen hat Google in den USA die Möglichkeit eingeführt, bei der Verwendung von AdWords nachzuverfolgen, ob die Nutzer Kinder haben oder nicht ("Parental Status"). So soll die Werbung noch besser auf die Zielgruppe zugeschnitten werden können. Facebook hatte kurz zuvor angekündigt, dass das Nutzerverhalten künftig auch außerhalb des Netzwerks erhoben werden könne.
Auch wenn all dies bisher nur in den USA geschieht: Zeitlich passender hätte das Bundesjustizministerium seinen Referentenentwurf für eine Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts kaum vorlegen können. Ziel des Entwurfs ist es, Datensammlungen zu verhindern, die in keinem direkten Zusammenhang mit der Abwicklung eines Schuldverhältnisses stehen. Dazu werden Verbraucherschützer mit einem neuen Klagerecht ausgestattet.
Mehr als ein Recht auf Vergessenwerden
Die Informationstechnik, so ist in der Einleitung zum Referentenentwurf zu lesen, ermögliche Unternehmen "in immer größerem Umfang" Daten zu sammeln und zu nutzen. Einmal mehr geht es also um die Frage der Privatheit, oder dramatischer ausgedrückt, um die Freiheit. Die Freiheit, selbst zu entscheiden, was öffentlich zugänglich gemacht oder verborgen bleiben soll.
Der Referentenentwurf zielt dabei auf mehr ab als das viel diskutierte "Recht auf Vergessenwerden". Letzteres setzt nämlich voraus, dass bereits etwas veröffentlicht wurde, das vergessen werden soll, und bietet daher nur eine rostige Seilwinde, wenn das Kind bereits im Brunnen liegt. Die aktuellen Reformpläne setzen dagegen bereits in einem früheren Stadium an – zumindest teilweise:
Das Bundesjustizministerium hält die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten der Datenschutzbehörden zur Verfolgung von Datenschutzverstößen für nicht ausreichend "aufgrund des stetig zunehmenden Umfangs der Datenerhebung" sowie der Tatsache, dass Datenschutzbehörden erst dann tätig werden, "wenn ihnen Verstöße gegen Datenschutzgesetze mitgeteilt werden".
Deshalb sollen neben den Behörden und den betroffenen Verbrauchern künftig auch Verbände nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) die Einhaltung des Datenschutzrechts gerichtlich einfordern können.
Im Idealfall werden Unternehmen ihre Datensammlungen vorab überdenken
Ob das bereits nach bisherigem Recht möglich ist, ist rechtlich umstritten. Damit Verbände Datenschutzverstöße auch außerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerichtlich geltend machen können, müsste das Datenschutzrecht generell als Verbraucherschutzrecht eingeordnet werden. Die Zivilgerichte haben dies bislang überwiegend nicht so gesehen, so zum Beispiel das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, das 2004 feststellte, dass § 28 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), der zur Datenerhebung und -speicherung für Geschäftszwecke ermächtigt, keine verbraucherschützende Vorschrift ist (Urt. v. 20.02.2004, Az. I-7 U 149/03).
Um derartige Urteile zu verhindern, ist im Referentenentwurf vorgesehen, dass die Aufzählung der Verbraucherschutzgesetze in § 2 UKlaG um eine Nummer 11 erweitert werden soll, die lautet: "die Vorschriften, die für die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten eines Verbrauchers durch einen Unternehmer gelten".
Damit wäre der Weg frei, dass Verbraucherschutzverbände auch gerichtlich auf die Einhaltung des Datenschutzrechts pochen können, auch wenn die Rechtsverletzungen "in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen" verübt werden. Dies könnte dazu führen, dass derartige Verstöße unterbunden werden, bevor viele Nutzer betroffen sind, oder – im Idealfall – Datensammler dazu bewegen, Umfang und Ziel der Sammlungen vorab zu überdenken.
Die Verbraucherschutzverbände zeigen sich mit dem Vorschlag zufrieden. "Persönliche Daten sind zur Währung und einem Handelsgut der Wirtschaft geworden", sagt Cornelia Tausch, Vorstand der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V, Cornelia Tausch. "Nahezu alle Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern beinhalten Regelungen zur Nutzung der Daten der Verbraucher." Das Gesetz fülle daher eine Lücke im bisherigen Klagerecht der Verbraucherschutzverbände.
Um die Unternehmen nicht gar zu sehr in Bedrängnis geraten zu lassen, sieht der Referentenentwurf gleich die Einschränkung vor, dass Verbände die neu geschaffene Möglichkeit nicht missbrauchen dürfen. Verhindert werden soll damit insbesondere, dass Ansprüche vorwiegend geltend gemacht werden, um vom Anspruchsgegner Ersatz für Aufwendungen oder Kosten zu verlangen.
Der Autor Dr. Thomas Weimann ist Fachanwalt für Informationstechnologierecht und Partner bei BRP Renaud und Partner am Standort Stuttgart.
Der Autor Daniel Nagel ist Rechtsanwalt bei BRP Renaud und Partner am Standort Stuttgart.
Beide beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit IT-Recht, Datenschutzrecht, AGB-Gestaltung und internationalem Recht und sind Verfasser diverser Veröffentlichungen auf diesen Gebieten.
Daniel Nagel und Thomas Weimann, Verbraucherschützer sollen Datenschutz einfordern: . In: Legal Tribune Online, 25.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12341 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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