Auch wenn die Fussball-WM in Südafrika bisher friedlich verläuft, sind die Bilder des schwer verletzten französischen Polizisten Nivel noch im kollektiven Gedächtnis. Gewalttätige Fußballfans randalieren aber nicht nur bei der WM. Das BVerwG hatte darüber zu entscheiden, ob die Sammlung von Daten über diese "Fans" rechtmäßig ist. Eine Analyse von Klaus Weber.
David Nivel ist das bekannteste Opfer randalierender "Fußballfans". Im Juni 1998 kam es im nordfranzösischen Lens nach dem Spiel Deutschland gegen Jugoslawien bei der WM 1998 zu Krawallen und Ausschreitungen zwischen Deutschen und der französischen Polizei. Nivel erlitt damals schwere Kopfverletzungen und ist seitdem schwerbehindert.
Derartige Gewalttaten im Zusammenhang mit sportlichen Ereignissen haben immer wieder die Gerichte beschäftigt und in der Öffentlichkeit für Empörung gesorgt.
Zur Vermeidung derartiger Straftaten und zur Vorbeugung hat die Polizei beim Bundeskriminalamt die Datei "Gewalttäter Sport" eingerichtet, um Informationen über Gewalttaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen zu sammeln.
Solche polizeilichen Datensammlungen bedürfen im Rechtsstaat jedoch einer Rechtsgrundlage. Denn in dieser Datei werden ganz persönliche Daten auffällig gewordener gewaltbereiter Personen erfasst wie Name, Vorname, Geburtsdatum und –ort, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Personalausweisdaten und Vereinszuordnung.
Datenspeicherung trotz Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft?
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte nun in einer aktuellen Entscheidung (Urt. V. 09.06.2010, Az. 6 C 5.09) darüber zu befinden, ob ein Anspruch auf Löschung solcher einmal erhobenen Daten besteht.
Der Kläger war Anhänger des Fußballvereins Hannover 96 und besuchte im Mai 2006 ein Regionalliga-Spiel im Leine-Stadion in Letter. Kurz nach Spielbeginn betrat der Kläger mit einer Gruppe von 30 Personen das Stadion und kletterte über die Absperrung. Dann lief die Gruppe vor den gegnerischen Fan-Block und warf Feuerwerkskörper und einen Stein. An der Spitze der Gruppe befand sich der Kläger.
Das daraufhin gegen ihn wegen Landfriedensbruchs eingeleitete Strafverfahren hat die Staatsanwaltschaft eingestellt, weil ihm eine Beteiligung an den Ausschreitungen nicht nachzuweisen war, obgleich weiterhin ein Resttatverdacht gegen ihn bestehe. Auf Anfrage erhielt der Kläger dann Auskunft darüber, dass im Zusammenhang mit dem polizeilichen Einschreiten im Mai 2006 seine Daten erfasst worden seien und die Datenlöschung im Mai 2011 anstehe.
Bereits von Februar 2007 bis Juni 2008 hatte der Fußballverein Hannover 96 gegenüber dem Kläger ein bundesweites Stadionverbot ausgesprochen.
VG und OVG rügten fehlende Rechtsgrundlage
Nachdem die Polizeidirektion Hannover die vom Kläger begehrte Löschung der gespeicherten Daten verweigerte, erhob er Klage.
Die Richter der 1. und der 2. Instanz bemängelten die fehlende Rechtsgrundlage der Datenspeicherung. Denn nach den Vorschriften des Bundeskriminalamtgesetzes hätte der Bundesminister des Innern eine entsprechende Rechtsverordnung zur Speicherung der Daten erlassen müssen. Diese fehlte aber. Deshalb war die Datenerhebung und –Speicherung unzulässig.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) betonte jedoch, dass bei vorhandener Rechtsgrundlage wegen des Vorfalles vom Mai 2006 eine Aufnahme des Klägers in die Datei "Gewalttäter Sport" rechtmäßig gewesen wäre.
BVerwG bejaht Rechtsgrundlage für die Speicherung
In der Revisionsinstanz hat nun das BVerwG das Bestehen einer Rechtsgrundlage für die Datenerfassung und –speicherung bejaht...
Denn zwischenzeitlich hatte das Bundesministerium des Innern einen Verordnungsentwurf vorgelegt, dem der Bundesrat am 4. Juni 2010 zugestimmt hat. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVerwG war diese Verordnung damit bereits in Kraft getreten.
Der Kläger hatte weiter vorgetragen, nach Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens sei die weitere Datenspeicherung rechtswidrig. Nach den gesetzlichen Vorschriften ist die Speicherung aber nur dann unzulässig, wenn sich aus den Gründen der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsentscheidung ergibt, dass der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat. Das war jedoch nach den Feststellungen des OVG Lüneburg gerade nicht der Fall. Das OVG hatte ja ausdrücklich betont, dass gegenüber dem Kläger wegen des Vorfalls vom Mai 2006 ein Resttatverdacht bestehe.
Im Ergebnis kann man der Entscheidung des BVerwG zustimmen. Auch die Vorinstanz hatte die Rechtmäßigkeit der Aufnahme des gewaltbereiten Klägers in die Datei zu Recht grundsätzlich bejaht. Derartige Personen sind nicht mehr als "Fußball-Fans" zu bezeichnen. Diese "Hooligans" interessieren sich nicht für den Sport, sondern nutzen friedliche Sportereignisse für ihr eigentliches Ziel, Randale zu machen.
Der Autor Klaus Weber ist Regierungsdirektor bei der Landesdirektion Chemnitz und Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zu polizeirechtlichen Themen.
Klaus Weber, Datei "Gewalttäter Sport": . In: Legal Tribune Online, 02.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/883 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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