Viele Arbeitnehmer sind derzeit von zuhause aus tätig. Doch kann der Chef im Gegensatz dazu auch auf Präsenz im Betrieb bestehen, selbst wenn Homeoffice oder Telearbeit möglich wäre? Anna-Lena Hollo erläutert die Rechtslage.
Die Begriffe "Homeoffice" und "Telearbeit" haben derzeit Hochkonjunktur. Die einen müssen, die anderen dürfen, einige können nicht und anderen dürfen nicht, obwohl sie könnten.
Arbeitsrechtlich stellen sich dabei eine Reihe von Fragen: Haben Arbeitnehmer in Zeiten einer Pandemie einen Anspruch auf Arbeit im Homeoffice oder Telearbeit, wenn die technischen Möglichkeiten bestehen, sowie auf die Bereitstellung von Arbeitsmaterial und -mittel? Kann der Arbeitgeber trotz COVID-19 Präsenz im Unternehmen verlangen, obwohl ein Arbeiten von Zuhause aus an sich möglich wäre? Und wie sieht es rechtlich aus, wenn der Arbeitgeber sich technisch möglicher Heimarbeit verschließt und sich ein Arbeitnehmer auf dem Arbeitsweg oder am Arbeitsort mit COVID-19 infiziert?
Zunächst gilt es, sich Klarheit über die Begriffe zu verschaffen: Homeoffice und Telearbeit sind keine Synonyme, sondern unterscheiden sich mitunter grundlegend. Homeoffice, auch "mobile Arbeit" genannt, ist derzeit in aller Munde und betrifft sowohl die Privatwirtschaft als auch den öffentlichen Dienst. Es handelt sich dabei nicht um einen rechtlichen Begriff. Vielmehr entspringt die Bezeichnung "Homeoffice" dem allgemeinen Sprachgebrauch und meint den Fall, dass gelegentlich Arbeiten an einem anderen Arbeitsplatz als in dem Gebäude des Arbeitgebers, meist von Zuhause aus, erledigt werden.
Telearbeit gesetzlich geregelt, Homeoffice nicht
Bei Telearbeit handelt es sich dagegen um einen rechtlich anerkannten Begriff. Darunter versteht man regelmäßige, vertraglich vereinbarte Arbeit an einem Bildschirmarbeitsplatz zu Hause. Eine Legaldefinition findet sich in § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV).
Danach sind Telearbeitsplätze vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Außerdem regelt die Norm, dass ein Teleheimarbeitsplatz erst dann vollständig vom Arbeitgeber eingerichtet ist, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.
Im Gegensatz zum Homeoffice handelt es sich bei Telearbeit also um ein regelmäßiges Arbeiten von Zuhause aus. In diesem Fall wird der heimische Arbeitsplatz vom Arbeitgeber eingerichtet, während die Einrichtung des Arbeitsplatzes bei Homeoffice durch den Arbeitnehmer erfolgt. In den meisten Fällen der derzeit Zuhause verrichteten Arbeit wird es sich um Homeoffice handeln.
Die Unterscheidung der beiden Begriffe ist vor allem deshalb wichtig, weil – je nachdem, ob Homeoffice oder Telearbeit vorliegt – unterschiedliche rechtliche Anforderungen an den Arbeitsplatz, insbesondere an dessen ergonomischen Voraussetzungen, gestellt werden. Der vom Arbeitgeber zu verantwortende Arbeitsplatz bei der Teleheimarbeit unterliegt zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten den ergonomischen Anforderungen eines Bildschirmarbeitsplatzes. Es gelten die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung, die bei Homeoffice keine Anwendung finden.
Unterschiedslos sowohl für Homeoffice als auch für Telearbeit gelten hingegen die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), insbesondere zur täglichen Höchstarbeitszeit (§ 3 ArbZG), zu Pausen (§ 4 ArbZG), zu den Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitstagen (§ 5 ArbZG) sowie zur Aufzeichnung der Arbeitszeit (§ 16 Abs. 2 ArbZG).
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?
Es gibt nach deutschem Recht keinen Anspruch auf Homeoffice oder Telearbeit. Auch nicht während einer Pandemie, bei der davon abgeraten wird, mehr als nötig das eigene Heim zu verlassen. Die Frage, ob dies anders wäre, wenn der Weg zur Arbeit nicht von jedweder noch so strengen Ausgangsbeschränkung ausgenommen wäre, hat sich bisher nicht gestellt.
In einem solchen Fall kann aber kein Arbeitnehmer gezwungen werden, trotz des Verbotes, das Haus zu verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Der Arbeitsort wäre dann "durch gesetzliche Vorschriften" im Sinnen von § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) festgelegt; der Arbeitgeber hätte dahingehend kein Weisungsrecht "nach billigem Ermessen". Allein der Umstand, dass es für die Gesundheit der Beschäftigten gefährlicher ist, zur Arbeit zu gehen, als Zuhause zu arbeiten, reicht dagegen für ein Recht auf Homeoffice nicht aus.
Doch ist das hinnehmbar? Folgt nicht aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die Gesundheit seiner Beschäftigten so gut zu schützen, wie es ihm möglich ist? Darf er seine Beschäftigten sehenden Auges vermeidbaren gesteigerten Gefahren des Arbeitsweges und des Zusammentreffens mit Kollegen aussetzen, obwohl staatlicherseits die größtmögliche Minimierung sozialer Kontakte empfohlen oder sogar vorgeschrieben wird? Ist ein in eine andere Richtung ausgeübtes Ermessen des Arbeitsgebers angesichts des zumindest mittelbaren Einflusses von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz "billig" im Sinne von § 106 Satz 1 GewO?
Manche Beschäftigte fragen sich: Wenn sie sich nun im Betrieb oder auf dem Weg dorthin infizieren, hat sich der Arbeitgeber dann vielleicht wegen Körperverletzung durch Unterlassen strafbar gemacht? Wohl nicht, muss man antworten, denn die Infizierung mit einem Virus kann man dem Arbeitgeber nicht zurechnen. Eine Garantenstellung des Arbeitgebers könnte man noch aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht herleiten. Der Zurechnungszusammenhang zwischen Unterlassen und Infektion ist aber zu bezweifeln. Denn solange der Weg zur Arbeit ausdrücklich aus einer Ausgangsbeschränkung ausgenommen ist, dürfte es sich bei dem Bestehen des Arbeitgebers auf Erledigung der Arbeit vor Ort um sozialadäquates Verhalten handeln, so sehr man moralisch daran zweifeln möchte.
Corona-Infektion als Arbeitsunfall?
Wie sieht es aber im Unfallversicherungsrecht aus? Handelt es sich bei einer Infektion mit "Corona" auf dem Weg zur Arbeit oder bei der Arbeit um einen Arbeitsunfall? Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (die sogenannte versicherte Tätigkeit). Nach Satz 2 sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist auch der sogenannte Wegeunfall ein Arbeitsunfall.
Nach der genannten Definition ließe sich eine Ansteckung auf dem Arbeitsweg oder am Arbeitsort auf den ersten Blick durchaus unter den Begriff des Arbeitsunfalls subsumieren. Diese Einstufung scheitert aber in den meisten Fällen an dem kleinen Wort "infolge". Denn dadurch, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) COVID-19 aufgrund der dynamischen, weltweiten Entwicklung zwischenzeitlich zur Pandemie erklärt hat, stellt COVID-19 eine Allgemeingefahr dar, die nicht mehr in spezifischem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht.
Ein Arbeitsunfall liegt nicht vor, weil sich eine Gefahr verwirklicht, von der ein Versicherter zur selben Zeit und mit gleicher Schwere auch außerhalb seiner versicherten Tätigkeit betroffen gewesen wäre. Die Betroffenheit auf dem Arbeitsweg oder am Arbeitsort ergibt sich deshalb zufällig und unabhängig von der versicherten Tätigkeit.
Keine rechtlichen Folgen für Homeoffice-Verweigerer
Eine unfallversicherungsrechtliche Ausnahme gilt allerdings für Versicherte, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig sind oder durch eine Tätigkeit in kritischen Infrastrukturen der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt sind. In diesen Fällen handelt es sich bei einer arbeitsbedingten Infektion zwar nach wie vor nicht um einen Arbeitsunfall, aber es kommt die Anerkennung als Berufskrankheit (§ 9 SGB VII) der Ziffer 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung in Betracht. Hier tritt nämlich die Allgemeingefahr wegen des erhöhten beruflichen Risikos in den Hintergrund.
Zuletzt noch ein kurzer Blick ins Zivilrecht: Haben auf dem Weg zur Arbeit oder am Arbeitsort mit COVID-19 infizierte Beschäftigte womöglich einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch gegen ihren sich technisch möglicher Heimarbeit verschließenden Arbeitgeber wegen Verletzung der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht? An sich wäre ein solcher Anspruch erwägenswert, doch wird man hier aufgrund der soeben erwähnten Einstufung als Allgemeingefahr die Kausalität verneinen müssen.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rechtslage für Arbeitnehmer letztlich ein stückweit als unbefriedigend: Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten Homeoffice oder Telearbeit in der Coronakrise verweigern, können allenfalls moralisch verurteilt werden. Rechtliche Konsequenzen drohen ihnen in der Regel nicht, wenn es zu einer Infektion eines Arbeitnehmers mit COVID-19 am Arbeitsplatz oder auf dem Weg zur Arbeit kommt.
Autorin Dr. Anna-Lena Hollo ist Akademische Rätin auf Zeit und Habilitandin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Sozialrecht (Prof. Dr. Hermann Butzer) der Leibniz Universität Hannover.
Arbeitsrecht in der Coronakrise: . In: Legal Tribune Online, 15.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41299 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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