Wie sollen der Erwerb von Cannabis in den Anbauvereinen künftig kontrolliert und Mehrfachmitgliedschaften verhindert werden? Auf 44 Fragen der Union gibt die Bundesregierung Antworten und geht davon aus, dass ihr Entwurf noch geändert wird.
Die Bundesregierung bzw. das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat umfassend auf eine parlamentarische Kleine Anfrage der Unionsfraktion zum Thema "Cannabis Social Clubs" geantwortet. Die Antwort wurde am 17. Juli von BMG-Staatssekretär Prof. Edgar Franke dem Deutschen Bundestag zugeleitet. Als BT-Drucksache ist sie noch nicht verfügbar, liegt aber LTO vor.
In der Anfrage verleiht die Unionsfraktion ihrer großen Sorge Ausdruck, dass in den von Karl Lauterbach (SPD) vorgesehenen Cannabis-Anbauvereinigungen (die die Union als "Cannabis Social Clubs" bezeichnet) künftig weder die Sicherheit noch der Gesundheits- und Jugendschutz gewährleistet sein könnte. Auch drohten Mehrfachmitgliedschaften in den unterschiedlichen Vereinen.
Im Referentenentwurf eines Cannabisgesetzes ist vorgesehen, dass in den als Verein organsierten Cannabis-Anbauvereinigungen nicht nur Cannabis angebaut werden darf, sondern auch in Reinform an ihre Mitglieder "als getrocknete Blüten und blütennahe Blätter (Marihuana) oder abgesondertes Harz der Pflanze (Haschisch)" abgegeben werden darf, an Erwachsene bis zu 25 Gramm Cannabis pro Tag und bis zu 50 Gramm Cannabis pro Monat. An Heranwachsende dürfen maximal 30 Gramm Cannabis pro Monat mit einem THC-Gehalt von höchstens zehn Prozent abgegeben werden. Die Vereine dürfen maximal 500 Mitglieder aufnehmen. Diese dürfen das erworbene Produkt nicht an Dritte weitergeben. Bei Abgabe an Kinder und Jugendliche drohen harte Strafen.
Besitz bis 25 Gramm erlaubt – egal woher
In der Antwortet an die Union erläutert das BMG nun: "Eine Weitergabe von Cannabis in Anbauvereinigungen darf nach dem in der Ressortabstimmung befindlichen Gesetzentwurf ausschließlich innerhalb des befriedeten Besitztums durch Mitglieder an Mitglieder der Anbauvereinigungen zum Zweck des Eigenkonsums erfolgen." Anbauvereinigungen müssten sicherstellen, "dass bei jeder Weitergabe von Cannabis eine strikte Kontrolle des Alters und der Mitgliedschaft durch Vorlage des Mitgliedsausweises in Verbindung mit einem amtlichen Lichtbildausweis erfolgt. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Weitergabe soll von den Anbauvereinigungen dokumentiert und behördlich überwacht werden."
Außerhalb der Vereinigungen soll Erwachsenen künftig der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum erlaubt werden. Dass das bei sich geführte Cannabis nicht zwingend aus einer offiziellen Anbauvereinigung herrühren muss, stellt die Bundesregierung in ihrer Antwort jetzt ebenfalls klar.
Näher nachgefragt hat die Union auch hinsichtlich der für Heranwachsende geltenden Regelungen. Bei ihnen sei schließlich die "Hirnentwicklung erwiesenermaßen erst mit 25 Jahren abgeschlossen", gleichwohl dürften sie bis zu 30 Gramm Cannabis monatlich erwerben. Hier verweist das BMG vor allem auf den für sie speziell im Gesetz geltenden THC-Grenzwert: "Da die Gehirnentwicklung bei Heranwachsenden noch nicht vollständig abgeschlossen ist, kann durch den Konsum von Cannabis die Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsleistung zum Teil nachhaltig beeinträchtigt werden. Dies gilt insbesondere beim Konsum von Cannabis mit einem hohen THC-Gehalt." Der Grenzwert von zehn Prozent THC sei nunmehr geeignet, Heranwachsende vor den für sie besonderen gesundheitlichen Risiken von hochpotentem Cannabis zu schützen. Zudem sei dieser – flankiert von diversen Präventionsangeboten – "ein deutliches Signal an konsumierende Heranwachsende, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis für sie besonders wichtig ist".
Landesbehörden in der Pflicht
Was auffällt: Immer wieder verweist die Bundesregierung in ihren Antworten auf die teilweise redundanten Fragen der Union, wie denn all die Regularien, Alterskontrollen, Höchstabgabemengen, Qualität des angebauten Cannabis etc. sichergestellt werden soll, auf unangekündigte Stichproben und Kontrollen durch die eines Tages dann zuständigen Landesbehörden.
"Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für den gemeinschaftlichen Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis und Vermehrungsmaterial wird gemäß dem Referentenentwurf fortlaufend behördlich überwacht durch Kontrollen und Stichproben vor Ort. Bei Verstößen soll die zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen treffen, um insbesondere die Weitergabe von Cannabis an Jugendliche zu verhindern."
Die für die Überwachung zuständigen Behörden sollen der Bundesregierung zufolge "eng mit den Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden zusammenarbeiten" und diese bei Verdacht auf strafrechtliche Verstöße und bei Hinweisen auf andere Gefahren informieren.
Welche Behörden konkret in den Bundesländern künftig für die Überwachung der Cannabis-Vereine zuständig sein sollen, stellt die Bundesregierung den Ländern anheim: "Die für die Durchführung der behördlichen Überwachung zuständigen Behörden werden durch die Länder festgelegt." Bei Ländern und Kommunen werde für die behördliche Überwachung der Anbauvereinigungen insgesamt ein Erfüllungsaufwand von rund 1,6 Millionen Euro jährlich entstehen.
Keine zentrale Registrierung der Mitgliedschaft
Etwas dünn fällt die Antwort der Bundesregierung auf die Frage aus, wie denn sichergestellt werden soll, dass Erwachsene das im Cannabisgesetz vorgesehene Verbot umgehen und in mehreren Anbauvereinigungen Mitglied werden. Auf diese Weise könnte eine Person mehr als nur 50 Gramm Cannabis im Monat erwerben. Schließlich muss diese gegenüber dem Verein durch Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises oder sonstiger geeigneter amtlicher Dokumente nur nachweisen, dass sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und das 18. Lebensjahr vollendet hat. Theoretisch ließe sich diese Prozedur bei mehreren Vereinen durchführen, ohne dass deren Betreiber sich etwas zuschulden kommen lassen.
Eine zentrale Registrierung, die vermutlich weitere rechtliche Probleme verursachen könnte, wäre grundsätzlich geeignet, hier Abhilfe zu schaffen. An dieser Stelle räumt die Bundesregierung aber ein: "Eine behördliche Registrierung der Mitglieder von Anbauvereinigungen ist im Referentenentwurf des Cannabisgesetzes nicht vorgesehen." Kritik daran kommt postwendend vom gesundheitspolitischen Sprecher der CSU im Bundestag, Stephan Pilsinger (MdB), aus dessen Feder die Kleine Anfrage stammt: "Mehrfachzugehörigkeiten und damit dem Missbrauch ist so Tür und Tor geöffnet".
Überhaupt sieht Pilsinger maßgebliche Ziele des Gesetzentwurfs, nämlich für Gesundheits- und Jugendschutz zu sorgen, wesentlich in Frage gestellt: "Beim Thema Jugendschutz zeigt sich die Bundesregierung schizophren: Zum einen unterstreicht sie die gesundheitlichen Gefahren für junge Menschen durch Cannabis-Konsum, zum anderen will sie die Abgabe an junge Erwachsene durch gedrosselte Höchstmengen und einen verringerten THC-Gehalt legitimieren und dabei das eigene Gewissen beruhigen", so Pilsinger. Das sei kein aktiver Jugendschutz, sondern "fahrlässige Jugendgefährdung".
Cannabisgesetz soll Anfang 2024 in Kraft treten
Dass sich ihr Entwurf allerdings an der einen oder anderen Stelle noch ändern wird, davon geht die Bundesregierung aktuell selbst aus: "Es ist davon auszugehen, dass sich in der Abstimmung mit den Ressorts und den Verbänden sowie Ländern noch Änderungen am Gesetzentwurf ergeben", heißt es in der Antwort an die Union.
An ihrem Zeitplan hält die Bundesregierung gleichwohl fest: Das Cannabisgesetz soll - vorbehaltlich des weiteren parlamentarischen Beratungsverfahrens - Anfang 2024 in Kraft treten.
Antwort auf Kleine Anfrage von CDU/CSU: . In: Legal Tribune Online, 24.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52321 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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