Das sächsische Justizprüfungsamt durfte die Note einer Kandidatin in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung nicht nachträglich auf null Punkte herabstufen, entschied das BVerwG am Mittwoch. Ihre nachträgliche telefonische Kontaktaufnahme zu einem der Prüfer war kein unzulässiger Versuch, diesen zu beeinflussen, meinen die Leipziger Richter. Völlig zu Recht, kommentiert Wolfgang Zimmerling.
Die Kandidatin war durchgefallen, schon die Zulassung zur mündlichen Prüfung bekam sie wegen ihrer Leistung in den Klausuren nicht. Mit der Bewertung einer ihrer schriftlichen Arbeiten war die Referendarin nicht einverstanden. Bis zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) aber ging sie nicht etwa, um diese Bewertung anzufechten. Nach Leipzig brachte sie vielmehr ein Anruf bei einem ihrer Prüfer während des Widerspruchsverfahrens.
Sie unterrichtete den Erstprüfer, der wegen ihres Widerspruchs seine Benotung überprüfte, telefonisch darüber, dass sie gegen seine Bewertung Einwendungen erheben werde. Mit Blick auf die äußerst knappe Begründung seiner Bewertung bat sie ihn auch um um Erläuterungen, damit sie ihre Einwendungen gegen die Bewertung substantiiert begründen könne. Hierbei schilderte sie auch ihre soziale Situation.
Das Verwaltungsgericht Dresden hatte in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass nicht jegliches Telefonat eines Prüflings mit dem Prüfer ein unlauteres Verhalten durch Einwirken auf den Prüfer sei, auch wenn damit der Grundsatz der Anonymität im Prüfungsverfahren verletzt werde. Das sei also kein ausreichender Grund, von einem unzulässigen Einwirken auf das Prüfungsorgan auszugehen.
Strenger sah das das Oberverwaltungsgericht Bautzen. Als Berufungsgericht vertrat es die Auffassung, dass jegliche telefonische Kontaktaufnahme des Prüflings zum Prüfer unter Schilderung der persönlichen Umstände unzulässig sei und dazu führe, dass die Prüfungsleistung mit 0 Punkten (ungenügend) zu bewerten sei.
Die Souveränität des Prüfers
Das BVerwG dagegen hat zwar dem Berufungsgericht darin zugestimmt, dass prüfungsrechtliche Bestimmungen grundsätzlich vorsehen können, dass eine Prüfungsleistung nachträglich herabgesetzt wird, wenn ein Kandidat versucht, durch Einwirken auf den Prüfer die Bewertung zu beeinflussen. Dennoch gaben die Leipziger Richter der Revision der Rechtskandidatin statt.
Nach Auffassung des BVerwG kann von einem verantwortungsbewussten und gewissenhaften Prüfer erwartet werden, dass er Telefonanrufe eines Prüflings richtig einzuordnen weiß und sich von ihnen im Rahmen einer Bewertung nicht beeinflussen lässt. Schließlich hatte die Referendarin nicht nachweislich versucht, den Prüfer zu einer nachträglichen Änderung seiner Bewertung zu bewegen.
Das Urteil aus Leipzig wird sicherlich die Zustimmung (fast) aller Prüfer finden. Jeder von ihnen sollte so souverän und unbefangen sein, dass allein der Telefonanruf eines Prüflings und dessen Schilderung seiner persönlichen Situation ihn nicht in seiner Objektivität beeinträchtigt.
Der Autor Dr. Wolfgang Zimmerling ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungs- und Arbeitsrecht in Saarbrücken. Er ist auf das Prüfungsrecht spezialisiert, Autor zahlreicher Publikationen auf diesem Gebiet und referiert häufig auf prüfungsrechtlichen Seminaren.
BVerwG zur Beeinflussung im Staatsexamen: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5835 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag