Kirchliche Träger von Kindertagesstätten bekommen in NRW weniger Zuschüsse von den Kommunen als andere. Die Diakonie Wuppertal hält das für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Nun entscheidet das BVerwG.
Die Kirche will mehr Geld. Nicht von den Gläubigen, sondern von den Kommunen. Und auch nicht für sich selbst, sondern für ihre Kindertagesstätten (Kitas). Denn bisher bekommt sie für den Betrieb von Kitas weniger Zuschüsse als andere Träger. Das sei eine Ungleichbehandlung, die nicht gerechtfertigt ist, meint die Kirche. Ob das tatsächlich so ist, soll jetzt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) beurteilen (BVerwG 5 C 7.22).
Geklagt hat die Diakonie Wuppertal, sie betreibt in der Stadt noch etwa 25 Kindertagesstätten. Deren Finanzierung ist nach § 74a Sozialgesetzbuch (SGB) IIX Landesrecht und steht auf mehreren Säulen: Die Eltern bezahlen Beiträge, die Kirchen selbst beteiligen sich an den Kosten, die Hauptlast tragen die Kommunen. Die Höhe der Zuschüsse für die Finanzierung steht für Nordrhein-Westfalen (NRW) im Kinderbildungsgesetz (KiBiz).
Nach den Regelungen im KiBiz werden aber eben nicht alle Betreiber von Kindertagesstätten gleichbehandelt, vielmehr sind die Zuschüsse nach Art des Trägers gestaffelt. So erhalten Elterninitiativen die höchsten Zuschüsse, an zweiter Stelle stehen freie Träger wie etwa der paritätische Wohlfahrtsverband. An dritter Stelle stehen die kirchlichen Träger in der Rechtsform der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Schlechter als diese stehen auf dem Papier nur die Kitas mit den Kommunen als Trägern da, sie bekommen die geringsten weitere Zuschüsse.
Diakonie: Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
Die Diakonie Wuppertal sieht dieser Staffelung gleich zwei Verstöße gegen Grundrechte: die Benachteiligung wegen des Glaubens aus Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf (Urt. v. 29.08.2018, Az. 24 K 9389/17) und das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster folgten dieser Ansicht nicht (Urt. v. 12.01.2021, Az. 21 A 3824/18). Das OVG ließ selbst die Revision nicht zu. Die Diakonie erhob jedoch erfolgreich Nichtzulassungsbeschwerde.
Das BVerwG ließ die Revision auf die Beschwerde zu, weil es die Gelegenheit sieht, einige offene Fragen zu klären. Denn die Vorinstanzen hielten die Ungleichbehandlung für gerechtfertigt, weil sie bei den kirchlichen wegen der einträglichen Kirchensteuern eine höhere Leistungsfähigkeit als bei anderen Trägern angenommen haben.
Doch kann der Gesetzgeber abstrakt von einer höheren Leistungsfähigkeit ausgehen, nur weil die Kirche eine eigene Steuer erhebt? Darf er deswegen die Träger in Form der Körperschaften des öffentlichen Rechts schlechter stellen als die anderen? Können solche abstrakten Annahmen eine Ungleichbehandlung rechtfertigen und damit von Art. 3 GG gedeckt sein? Diese Fragen will das BVerwG nun klären – oder sich zumindest damit befassen.
BVerwG kann nicht über Verfassungswidrigkeit entscheiden
Denn das BVerwG selbst darf die Verfassungswidrigkeit der Norm nicht feststellen – in dem Verfahren geht es um Verwaltungsrecht und die Bescheide über die Zuschüsse durch die Kommune. Das Klageziel der Diakonie ist also die Neubescheidung über die gewährten Zuschüsse. Implizit macht die Diakonie allerdings geltend, dass die Regelung zur Staffelung der Zuschüsse verfassungswidrig ist. Sollten sich die Richter:innen in Leipzig dieser Auffassung anschließen und von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt sein, müsste das Gericht den Fall dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe vorlegen. Sollte es sich der Auffassung von VG und OVG anschließen, müsste das BVerwG die Klage abweisen. Dann könnte die Diakonie Wuppertal selbst Verfassungsbeschwerde zum BVerfG erheben.
Für die Länder ist das Verfahren wichtig, immerhin geht es um die Verteilung der Landeszuschüsse. Sollte die Diakonie auf lange Sicht obsiegen, wäre eine Neuregelung nötig, die Kommunen in NRW müssten die Finanzierung ändern und ggf. die vorhandenen Beträge gleichmäßig aufteilen oder weitere Gelder für die Kinderbetreuung aufbringen, was sie finanziell überfordern könnte oder zumindest viel Arbeit bedeuten würde.
"Arme" Träger, "reiche" Träger
Kirchliche Träger jedenfalls möchten nicht grundsätzlich weiter als die "reichen" Träger im Vergleich zu "armen" Trägern gelten – so wie es bei der Finanzierung der Kindergärten schon in den 90er Jahren praktiziert wurde. Schon damals bekamen die kirchlichen Träger weniger Zuschüsse als die anderen.
Dr. Christian Dietrich Bracher von Redeker Sellner Dahs aus Bonn erläutert, dass es bereits zu dieser Zeit Klagen von kirchlichen Trägern gegeben habe. Der Streit ums öffentliche Geld ist also nicht neu. Bracher vertritt die Diakonie in dem aktuellen Verfahren – und schon damals hätten einige Gerichte entschieden, dass auch Kirchen "arme" Träger sein könnten.
Bracher sagt, auch in Bremen etwa gebe es durch die dort vorgesehene Verwaltungspraxis ähnliche Benachteiligungen der kirchlichen Träger. "Eine solche gesetzliche Regelung wie in NRW aber gibt es sonst nirgends."
BVerwG zu ungleicher Kita-Finanzierung: . In: Legal Tribune Online, 21.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53933 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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