Polizei und Nachrichtendienste dürfen Daten über Terrorverdächtige und deren Kontaktpersonen austauschen. Das entschied das BVerfG am Mittwoch in seinem Urteil zur Antiterrordatei, die bereits seit 2007 betrieben wird. An einigen Stellen hätte Karlsruhe es jedoch gerne etwas klarer und fordert mehr Kontrolle. Zeit für Nachbesserungen bleibt nun bis 2015.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) billigte am Mittwoch die umstrittene Antiterrordatei grundsätzlich. Sie diene dem wichtigen Ziel, den Terrorismus zu bekämpfen und habe außerdem nur einen begrenzten Informationsgehalt, sagte der Vorsitzende Richter des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof, in seinem Eingangsstatement. Das Antiterrordateigesetz (ATDG) sei daher mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar (Urt. v. 24.04.2013, Az. 1 BvR 1215/07).
Bis 2015 müsse der Gesetzgeber jedoch an einigen Stellen nachbessern, die bisher nicht klar genug gefasst seien. Außerdem müsse eine Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten besser sichergestellt werden. Bis dahin dürfen die Sicherheitsbehörden die Datei nach den Maßgaben des Urteils weiter verwenden.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) reagierte mit Erleichterung: "Ich glaube, dass wir insgesamt sehr froh sei können, dass die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes bestätigt worden ist." Die von Karlsruhe geforderten Nachbesserungen würden sorgfältig geprüft und umgesetzt. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bezeichnete das Urteil als wegweisend. Das Gericht habe einmal mehr deutlich gemacht, dass es auch im Zeichen der Terrorbekämpfung keine automatische Vermengung der Tätigkeiten von Polizeien und Nachrichtendiensten geben dürfe.
Informationen über rund 18.000 Personen gespeichert
Bereits Ende 2006 trat das ATDG in Kraft. Seit März 2007 ist die umstrittene Datensammlung freigeschaltet, schon kurz danach legte der pensionierter Richter Robert Suermann Verfassungsbeschwerde ein. Bis zur aktuellen Entscheidung des BVerfG haben die Sicherheitsbehörden Daten von Terrorverdächtigen und deren Kontaktpersonen gesammelt. Insgesamt sind derzeit Informationen über rund 18.000 Personen gespeichert.
Anlass für die Errichtung der Datei war laut Gesetzesbegründung die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Polizei und Nachrichtendienste müssten sich moderner Informationstechnologie bedienen, um den Kampf gegen den Terror zu gewinnen – der Austausch von Erkenntnissen sollte erleichtert und beschleunigt werden, hieß es vor allem im Nachgang zu den Kölner Kofferbombern, die im Juli 2006 Sprengkörper in Regionalzügen am Hauptbahnhof der Domstadt deponiert hatten.
Datenaustausch unterliegt informationellem Trennungsprinzip
In der mündlichen Verhandlung hatte sich abgezeichnet, dass die Verfassungsrichter der Verbunddatei durchaus kritisch gegenüber stehen. In ihrem Urteil stellen sie nun fest, dass die Aufnahme in die Datenbank für den Betroffenen eine erhebliche Belastung bedeuten könne, insbesondere durch den Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizei. Denn die Rechtsordnung unterscheide zwischen einer offen arbeitenden Polizei und den verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten, für die weniger ausdifferenzierte Rechtsgrundlagen gelten als für die Polizei.
Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung folge daher für den Datenaustausch zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ein informationelles Trennungsprinzip. Nur ausnahmsweise dürfe es einen solchen geben, wenn er einem herausragenden öffentlichen Interesse diene.
Nur willentliche Helfer terroristischer Unterstützer-Aktivitäten erfassen
Im Einzelnen erklärte Karlsruhe manche Vorschriften des ATDG für verfassungswidrig, andere für nach bestimmten Maßgaben verfassungskonform auslegbar. So ist etwa die Regelung des § 2 S. 1 Nr. 1 ATDG nicht in jeder Hinsicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie verpflichtet die Sicherheitsbehörden, nicht nur Daten von Angehörigen und Unterstützern terroristischer Vereinigungen in der Datenbank zu speichern, sondern auch solche von Personen, die lediglich eine unterstützende Gruppe ihrerseits unterstützen.
Das BVerfG bemängelt, dass die Vorschrift nicht klarstellt, dass es sich dabei um eine willentliche Hilfe zu terroristischen Unterstützer-Aktivitäten handeln muss. Andernfalls könnten nämlich auch Personen erfasst werden, die eine in ihren Augen unverdächtige Vereinigung unterstützen. Eine verfassungskonforme Auslegung hält das BVerfG nicht für möglich.
Claudia Kornmeier, BVerfG billigt Antiterrordatei: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8593 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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