Ob mit Deal oder ohne – die Bankenwelt bereitet sich auf den Brexit vor. Für Top-Banker wurde nach der Vergütung auch der Kündigungsschutz neu geordnet. Ob eine arbeitsrechtliche Sonderzone entsteht, erläutern Jan Tibor Lelley und Diana Ruth Bruch.
Mit oder ohne Abkommen, die internationalen Finanzinstitute bereiten sich auf einen Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU vor. Das große Stichwort ist dabei die Verlagerung von Standorten nach Kontinentaleuropa, zum Beispiel Frankfurt am Main. Geplante Umzüge werden auch einen verstärkten Personaltransfer umfassen. Dabei spielen die rechtlichen Rahmenbedingungen der jeweiligen Länder bei der Standortwahl eine große Rolle.
Die deutsche Bundesregierung hat reagiert und das Brexit-Steuerbegleitgesetz mit unter anderem einer Änderung des § 25a Abs. 5a Kreditwesengesetz (KWG) auf den Weg gebracht, um die Stabilität des Finanzstandortes Deutschland weiter zu stärken – und deutsche Standorte attraktiver für internationale Investoren und Finanzunternehmen zu machen.
Mit dem Gesetz, das zum 29. März 2019 in Kraft trat, sollen grundsätzlich die Risiken der Finanzinstitute vermindert werden, die aus der Tätigkeit von Personen erwachsen, die in bedeutenden Unternehmen des Finanzsektors besonderen Einfluss auf die Risikosphäre haben. Das sind also Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines Finanzinstituts auswirkt – im Gesetzesjargon die Risikoträger. Im Bankenwesen sind das die Top-Banker.
Verdient ist verdient, oder nicht?
Es gibt einen alten arbeitsrechtlichen Grundsatz, den man prägnant in der Aussage "Verdient ist verdient!" zusammenfasst. Danach ist, verkürzt gesagt, im Arbeitsverhältnis eine Rückzahlungspflicht bei Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter ausgeschlossen. Anderenfalls würde ein Arbeitnehmer bei einem nachträglichen Entzug einer Sonderzahlung, die er mit seiner Arbeitsleistung verdient hat, bestraft werden. So sieht es das Bundesarbeitsgericht.
Für Arbeitnehmer, die Risikoträger im Finanzdienstleistungssektor sind, soll das aber nicht immer so sein. Vor allem dann nicht, wenn sie unter die Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssystemen von Instituten (InstitutsVergV) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) fallen: Diese Verordnung ist historisch ein Produkt der Finanzkrise seit dem Jahr 2007. Sie beruht auf einer Verordnungsermächtigung in § 25a Abs. 6 KWG. Dort wird erlaubt, nähere Bestimmungen über die Ausgestaltung von Vergütungssystemen zu erlassen.
Und darunter fallen auch "... die Voraussetzungen und Parameter für einen vollständigen Verlust oder eine teilweise Reduzierung oder teilweise Rückforderung der variablen Vergütung ...". Die Regelung der InstitutsVergV selbst wird dann deutlicher: es sollen Vergütungsvereinbarungen mit Risikoträgern geschlossen werden, die erlauben, eine bereits ausgezahlte variable Vergütung zurückzufordern oder die Ansprüche darauf zum Erlöschen zu bringen (§ 20 Abs. 6 InstitutsVergV). Das bezieht sich auf die Fallgruppen, in denen ein Risikoträger an einem Verhalten beteiligt war, das für das Institut zu erheblichen Verlusten oder einer wesentlichen regulatorischen Sanktion führte. Oder wo externe oder interne Regelungen zu Eignung und Verhalten in schwerwiegendem Maß verletzt wurden (§ 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV). Die zweite Fallgruppe (externe oder interne Regelungen) stellen die klassischen Compliance-Verstöße dar.
Die arbeitsrechtliche Durchsetzbarkeit dieser regulativen Vorgaben ist zweifelhaft – um es einmal zurückhaltend zu formulieren. Denn mit diesen Regeln wird ja der Grundsatz "Verdient ist verdient!" aufgeweicht, man könnte auch sagen, ausgehebelt. In normalen Arbeitsverhältnissen wäre ein einseitiger Eingriff in die Entgeltstruktur nur durch Änderungskündigung zulässig. Und solche Änderungskündigungen zur Entgeltänderung werden von Arbeitsgerichten sehr streng geprüft; meistens werden sie für unwirksam erklärt. Trotzdem müssen die Finanzinstitute mit diesen Vorgaben leben.
Hire and Fire: Abgeschwächter Kündigungsschutz für Top-Banker?
Zu den Sonderregeln zur Gestaltung der variablen Vergütung kam jetzt ein neuer Kündigungsschutz für Top-Banker. Doch hier lohnt es sich, genauer hinzusehen:
Mit der Änderung des § 25a Abs. 5a KWG wird nicht das Ziel verfolgt, den Risikoträgern ihren Kündigungsschutz (vollständig) zu entziehen. Es wird eine vereinfachte Option geschaffen, ein Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Das betrifft Risikoträger, deren jährliche regelmäßige Grundvergütung das Dreifache der Bemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung überschreitet - in 2019 mehr als 241.200 Euro brutto (West). Nach Schätzungen der Bundesregierung wird dabei eine Anzahl von 5.000 Betroffenen nicht überschritten werden.
Bei dieser Gruppe der Top-Verdiener wird ein Antrag des Finanzinstituts als Arbeitgeber auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung mehr bedürfen. Gemeint ist damit der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitsgericht gem. § 9 Abs. 1 S. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Ein solcher Antrag setzt voraus, dass eine vorherige Arbeitgeberkündigung vom Gericht für unwirksam erklärt wurde. Damit bleiben die Anforderungen an die eigentliche Kündigung unverändert. Eine Kündigung ist also weiterhin an den Anforderungen des KSchG zu messen. Es kommt auf einen personen- oder verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgrund an.
Die Vergütung ist ein wichtiger Indikator für den Beitrag, den der betroffene Risikoträger zur Verwirklichung der Geschäftsziele des Instituts leistet. Er zeigt an, welches Level an Verantwortung und welche Pflichten er hat und welche Leistung er erbringt. Bei einer Vergütung, die so hoch ist, dass sie das Dreifache der Bemessungsgrenze überschreitet, ist der geleistete Beitrag zur Verwirklichung der Geschäftsziele dementsprechend hoch. So hat die berufliche Tätigkeit des Risikoträgers eine wesentliche Auswirkung auf das Risikoprofil des Instituts und auch die vorgenannte Auswirkung auf die Stabilität des Finanzmarktes.
Ein Sonderarbeitsrecht für Top-Banker?
Die Kombination ist sicher einzigartig im deutschen Arbeitsrecht: der Gesetzgeber verpflichtet Arbeitgeber dazu, in bestimmten Fällen große Teile der Vergütung von einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern zurückzufordern. Daneben erlaubt er Arbeitgebern auch noch, eben die Arbeitsverhältnisse dieser Betroffenen – gegen Abfindung – begründungslos zu beenden. Diese Änderung ist zwar eine in den Kündigungsschutz der Top-Banker einschneidende Regelung, dennoch kann von einer Aufweichung des Kündigungsschutzes hier nicht gesprochen werden.
Schon deshalb nicht, weil hier nur der gerichtliche Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung mehr bedarf, im Übrigen der Kündigungsschutz bezüglich der Kündigung aber erhalten bleibt. So gilt wohl hier nun eher der Grundsatz: Dulde und liquidiere! Und auch nicht sofort, denn die Neuregelung soll erst für Kündigungen gelten, die nach Ablauf von acht Monaten ab dem 29. März 2019 zugehen.
Der Autor Dr. Jan Tibor Lelley, LL.M. ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Buse Heberer Fromm in Frankfurt/Main, die Autorin Diana Ruth Bruch ist dort wissenschaftliche Mitarbeiterin.
Vor Brexit neue Regeln für Kündigungsschutz: . In: Legal Tribune Online, 18.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34979 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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